Ex-Seco-Direktorin wird Verwaltungsrätin des Nahrungsmultis Nestlé

300 000 Franken für 11 Sitzungen

Clemens Studer

Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch war bis vor 9 Monaten ­Staatssekretärin und Direktorin des Seco. Jetzt wechselt sie in den Verwaltungsrat von ­Nestlé. Das lohnt sich für beide Seiten.

SEITENWECHSEL: Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch. (Foto: Key)

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist das marktradikalste Nest im Baum der Bundesverwaltung. Zu Massnahmen, die den Lohnabhängigen nützen, muss das Seco regelmässig getragen werden, den Konzernen und der Finanzindustrie springt es nach wie ein gut dressiertes Hündchen. Das zahlt sich aus. Wenn schon nicht für die arbeitende Mehrheit in diesem Land, so doch für die Seco-Chefbeamtinnen und -beamten.

Nestlé hat in Bundesbern mächtige Verbündete.

REICHER LOHN

Neuster Fall: Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch, bis Juli 2022 Seco-Direktorin und ab 23. April 2023 Verwaltungsrätin des Nahrungsmittelmultis Nestlé. Die Nestlé-Verwaltungsrätinnen und -räte haben sich 2022 zu 11 Sitzungen getroffen, die durchschnittlich 2 Stunden und 55 Minuten dauerten. Dafür bekommen sie 280 000 Franken Honorar und 15 000 Franken Spesen im Jahr. Für den Einsitz in einem der Verwaltungsratsausschüsse kommen minimal 70 000 Franken und maximal 300 000 Franken hinzu. Ebenfalls pro Jahr. Zum Vergleich: Das Lohnmaximum für einen 100-Prozent-Job beim Bund liegt bei knapp 400 000 Franken.

Laut Nestlé-Mitteilung hat sich Ineichen-Fleisch für den äusserst üppig dotierten Job empfohlen, weil sie «über umfangreiche Erfahrung in internationalen Beziehungen» und über «weitreichende Erfahrungen in den Bereichen globale Handelspolitik und internationale Organisationen» verfügt. Das weiss wohl niemand besser als die Nestlé-Spitze. Schliesslich hat Ineichen-Fleisch ebendiese «Erfahrungen» bereits als Seco-Direktorin im Interesse von Nestlé eingesetzt. Die Menschenrechtsorganisation Public Eye hat dies im vergangenen Sommer ausführlich aufgearbeitet (nachzulesen hier: rebrand.ly/nestle-mexiko). Kurz gesagt, geht es darum: Weil Fettleibigkeit in Mexiko ein epidemisches Ausmass angenommen hat, wollte die Regierung die Nahrungsmittelindustrie verpflichten, Warnhinweise auf ihren ungesunden Produkten anzubringen. Das passte den Nahrungsmittelkonzernen nicht. Nestlé wandte sich vertrauensvoll an das Seco, das umgehend spurte. Und im Namen der Schweiz mehrfach für Nestlé & Co. in internationalen Gremien tätig wurde. Letztlich erfolglos, weil sich die mexikanische Regierung nicht einschüchtern liess.

UMGEKEHRT GEHT’S AUCH

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Das «Bäumchen wechsle dich»-Spiel funktioniert nicht nur als Einbahnstrasse vom Bund zu Nestlé. Es geht auch in die umgekehrte Richtung. FDP-Aussenminister Ignazio Cassis machte 2019 kurzerhand Christian Frutiger, den Chef-Lobbyisten von Nestlé, zum Deza-Vize­direktor. Die Deza ist unter ­anderem zuständig für die globale und regionale Entwicklungs­zusammenarbeit der Schweiz. Schwierig zu sagen, welcher Wechsel Nestlé mehr nützt. Ineichen-Fleisch in den Verwaltungsrat oder Frutiger zum Bund. Riechen tut beides ähnlich streng.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.