Bürgerliche gleisen neues Steuergeschenk für Konzerne auf

Die Tonnage-Steuer tönt nicht nur irr, sie ist es auch

Clemens Studer

Es ist wohl die absurdeste Steuergeschenk-Vorlage der an absurden Steuersenkungs-Vorlagen wahrlich nicht armen Legislatur. Immerhin ist diesmal der Name neckisch: Tonnage-Steuer.

NECKISCH: Jedes Jahr vor Weihnachten stürzen sich Tausende Schwimmerinnen und Schwimmer in die eisigen Fluten des Genfersees. Noch irrer, aber weniger charmant ist die Tonnage-Steuer. (Foto: Keystone)

Der Genfersee hat von allen Seen die grösste auf Schweizer Gebiet liegende Fläche. Genau 345,31 Quadratkilometer. Das ist nicht nichts, aber für Hochseeschiffe trotzdem bloss eine bessere Badewanne. Darum fahren darauf auch keine. Trotzdem haben über zwanzig internatio­nale Schifffahrtskonzerne in Genf zwar nicht ihre Schiffe, aber ihren Sitz. Mildes Steuerklima, viel Finanzindustrie. Darunter auch die Mediterranean Shipping Company (MSC) des Italo-Clans Aponte. Dieser hat es im vergangenen Jahr geschafft, sein Vermögen um 11 Milliarden Franken zu steigern, wie das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» in seiner Reichsten-Nummer rapportierte. Die MSC ist aktuell die grösste Containerreederei der Welt. Der Kanton Genf war es denn auch, der sich am vehementesten für eine Tonnagesteuer aussprach, während die Mehrheit der Kantone dafür keine Notwendigkeit sah.

Man stelle sich vor, Banken würden nicht ihren Gewinn versteuern, sondern das Volumen ihrer Tresore.

TONNAGE-STEUER – WAS?

Doch was versteckt sich eigentlich hinter der Tonnagesteuer? Schifffahrtsunternehmen mit Sitz in der Schweiz sollen nach Transportvolumen besteuert werden, nicht mehr nach Gewinn. Tönt nicht spektakulär, ist es aber nicht nur für Reedereien, sondern auch für Roh­stoffhandelskonzerne. Die könnten quasi nach Belieben Gewinne in ihre Schifftransportfirmen verschieben. Und ihre Steuern in den tiefen einstelligen Prozentbereich drücken. Ein Vergleich aus dem richtigen Leben: Es ist so, als würde eine Frau im Brocki ein grosses, altes Portemonnaie für 3 Franken kaufen, mit einer Zehnernote bezahlen und die 7 Franken Rückgeld ins neu erstandene Portemonnaie legen. Und dann aufgrund der Grösse des Portemonnaies auf diesen 7 Franken mehr Steuern bezahlen müssen als ihr Bekannter, der 10 Tausendernoten kleingefaltet ins Gilet-Täschli steckt.

Tönt nicht nur irr, ist es auch.

TRESORGRÖSSEN-STEUER

Das geht sogar der bürgerlichen und generell steuerfeindlichen NZZ zu weit. In einem Beitrag machte sie sich lustig über das «kuriose Steuerprivileg»: «Man stelle sich vor, Firmen in der Maschinenindustrie zahlen keine Gewinnsteuern mehr, sondern eine Pauschale pro Kilogramm Gewicht ihres Anlageparks. Und die Banken werden nach Volumen ihrer Tresore besteuert. Die Versicherungen nach der Länge ihrer Kundenlisten. Softwarefirmen nach der Länge ihrer Computerprogramme. Und die Medien nach der Zahl der publizierten Buchstaben.»

Tönt nicht nur irr, ist es auch.

WAS KOSTET DAS UNS?

Eines ist klar: Wenn die rechte Parlamentsmehrheit im Auftrag der Lobbyisten an Steu­ervorlagen bastelt, wird’s für die Gering- ­und Normalverdienenden teuer. Zum Beispiel bei der Unternehmenssteuerreform II. Damals sprach der damalige FDP-Finanzminister Hans-Rudolf Merz von 50 Millionen Franken Steu­erausfällen zugunsten von Garagisten und ­an­deren KMU. Rausgekommen ist ein Mil­liardengeschenk an die Konzerne. Sein unterdessen zurückgetretener SVP-Nachfolger Ueli Maurer macht es sich bei der Tonnagesteuer noch einfacher: «Die finanziellen Auswirkungen einer Tonnagesteuer können mangels statistischer Daten nicht verlässlich geschätzt werden. Unter Berücksichtigung der zu er­wartenden po­sitiven Effekte auf den Standort Schweiz dürften allfällige Mindereinnahmen gering aus­fallen.»

Tönt nicht nur irr, ist es auch.

WIE WEITER?

Das Geschäft kommt jetzt in den Ständerat. Für den Fall, dass auch dort die bürgerliche Mehrheit Ja sagt, hat die SP bereits das Referendum angekündigt.

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