Aufwachen Rolex, Omega & Co.!

Zeit für einen neuen Uhren-GAV, Lohngleichheit inklusive!

Ralph Hug

Das Geschäft mit den Luxusuhren läuft sensationell gut. Jetzt wollen die 50 000 Beschäftigten der Uhren- und Mikrotechnik-Industrie auch einen guten GAV sehen. Und die Frauen vor allem gleiche Löhne wie die Männer.

ANLAUF NEHMEN: Vor den GAV-Verhandlungen im nächsen Jahr erinnern die Uhrenarbeiterinnen und -arbeiter die Konzernbosse mit einer Weck-Aktion daran, wer ihre Superumsätze erwirtschaftet. (Foto: Lucas Dubuis / Unia)

Monatlich melden die Uhren-­Patrons neue Rekordzahlen – 8 Prozent mehr Exporte im Juli, 14 Prozent mehr im September. Geht das so weiter, wird das Uhrenland Schweiz ein Jahr nach der Pandemie für deutlich mehr als 20 Milliarden Franken Uhren in alle Welt exportiert haben. Das Rekordergebnis von 2019 ist bald wieder erreicht. Vor allem mit Luxusuhren läuft das Geschäft wie geschmiert. Bei Rolex schiessen die Umsätze durch die Decke. Doch es ist auch höchste Zeit für einen neuen Gesamt­arbeitsvertrag (GAV). Ab 2023 ist ein neuer fällig. Die Verhandlungen beginnen im nächsten März.

Der Dauerstress macht krank.

DRINGENDER WECKRUF

Damit die Konzernchefinnen und -chefs nicht vergessen, wer die Superumsätze und Gewinne in den rund 500 Vertragsbetrieben erwirtschaftet, schrillten kürzlich in Neuenburg die Wecker. An die hundert Uhrenarbeiterinnen und -arbeiter aus der Unia hatten sich versammelt. An einer Kundgebung schwenkten sie ein Transparent mit der unmissverständlichen Botschaft: «C’est l’heure! – Es ist Zeit!» Zeit für einen modernen GAV. Dass sich die Unia-Leute gerade im Hôtel DuPeyrou trafen, war kein Zufall, sondern gewollt und von symbolischer Bedeutung. Dort hatten die Sozialpartner im Jahr 1937 den ersten Uhren-GAV unterzeichnet. Ein Meilenstein.

SEHR GUTE LOHNRUNDE

Gerade ist die Stimmung unter den gewerkschaftlich organisierten Berufsleuten ausgesprochen gut. Haben sie doch soeben eine erfolgreiche Lohnrunde erzielt: durchschnittlich 3,5 Prozent mehr Lohn, für Ungelernte sogar bis zu 6,6 Prozent mehr! (work berichtete: rebrand.ly/uhren-lohn) «Ein sehr gutes Ergebnis», freut sich Raphaël Thiémard, der Unia-Branchenverantwortliche.

Trotzdem: Rosig ist die Lage nicht. Schon vor der Pan­demie wollte die Gewerkschaft wissen, wo die Arbeitenden in den Uhren- und Mikrotechnikbetrieben der Schuh drückt. Das Ergebnis einer Online-Umfrage war eindeutig: zu viel Stress am Arbeitsplatz. Eine Mehrheit beklagt Überlastung, viele fühlen sich emotional erschöpft und befürchten gar ein baldiges Burnout. Gebessert hat sich die Lage nicht, im Gegenteil. «Viele müssen jetzt massiv Überstunden schieben», weiss Raphaël Thiémard, «wir müssen das bremsen.» Die Löhne sowie die Entlastung zum Schutz der Gesundheit werden nun zentrale Themen am GAV-Verhandlungstisch sein.

LOHNGLEICHHEIT JETZT!

Aber auch gleiche Löhne stehen ganz oben auf der Liste. Frauen verdienen im Durchschnitt mehr als 20 Prozent weniger als Männer. Damit liegt die Lohndis­kriminierung über dem Mittel der Schweizer Industrie (19 Prozent). Die Neuenburger Unia-­Regionalsekretärin Silvia Locatelli kritisiert: «Und kein Ende ist absehbar!» Peinlich für eine glamouröse Branche, deren Gewinne schon immer auf schlecht entlöhnter Frauenarbeit beruhten. Rund die Hälfte der Beschäftigten ist weiblich.

Frauenpower wird dem notorischen Missstand ein Ende setzen – das hofft wenigstens eine Gruppe von Aktivistinnen aus dem Vallée de Joux. Kurz vor der Pandemie forderte sie in einem aufsehenerregenden Forderungskatalog Lohngleichheit, frauengerechte Arbeitsbedingungen, Elternurlaub, bessere Karrierechancen sowie ein Ende des verbreiteten Sexismus im Betrieb (hier nachzulesen: rebrand.ly/frauenforderungen). Und natürlich die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des GAV. Denn rund 8000 Beschäftigte profitieren nicht von ihm, da ihre Firmen nicht Mitglied beim Arbeitgeberverband sind.

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