Gerüstbau-Veteran Lazim Bekija (64) über seine Branche

«Früher hatte unsereins noch Geld im Sack!»

Jonas Komposch

Im Gerüstbau gibt’s 2024 mehr Lohn für alle. Doch bei der GAV-Erneuerung stehen die Arbeitgeber auf der Bremse.

GUTE MIENE ZUM BÖSEN SPIEL: Gerüstbauer Lazim Bekija sagt, dass er und seine Kollegen für ihre Arbeit nicht richtig honoriert würden. (Foto: Isabelle Haklar)

Wie viele Tonnen Stahl er in seinem Leben bereits verbaut hat, weiss Lazim Bekija nicht. Er hat es nie berechnet. «Einige Zehntausend werden es aber schon sein», sagt der Büezer aus Flamatt FR. Kein Wunder bei Bekijas Laufbahn. Seit über dreissig Jahren ist er Gerüstmonteur in der Schweiz. Angefangen hatte er noch als Saisonnier. Und schon vorher hatte der albanischstämmige Mazedonier einige Jahre in Deutschland «grüschtet». Jetzt, als 64jähriger, gehört der fünffache Vater und vierzehnfache Grossvater zu den wenigen Veteranen in der Branche. Die meisten der rund 3600 Gerüstbauer und (ganz wenigen) Gerüstbauerinnen der Schweiz ziehen spätestens um die 40 einen Schlussstrich. Denn kaum ein Bauberuf zehrt derart an den Kräften. Arbeit im Freien bei fast jedem Wetter ist ein Muss. Und laut Suva ist nirgendwo im Bau die Unfallgefahr höher. «Wenn du am Morgen deine Liebsten verlässt, weisst du nie, ob du sie am Abend wieder siehst», sagt auch Bekija. Beim Lohn aber zeigt sich all das nicht. Im Gegenteil.

LÖHNE UNTER DEM BAU-SCHNITT

Im Vergleich etwa zum ebenfalls harten Bauhauptgewerbe liegen die Gerüstbau-Mindestlöhne um bis zu 1000 Franken tiefer. Umso willkommener ist da die generelle Lohnerhöhung, der die Arbeitgeber am 13. November zugestimmt haben:

Ab dem 1. April 2024 steigen die Effektivlöhne für alle Gerüstbauer um 1,5 Prozent. Je nach Lohnkategorie entspricht das bis zu 82 Franken pro Monat. Unia-Verhandlungsleiter Simon Constantin sagt: «Bei der aktuellen Teuerung ist das zwar keine Reallohnerhöhung, doch nach dem letzt­jährigen Plus von generell 102 Franken geht der Fortschritt immerhin weiter.» Erfreulich sei zudem die Erhöhung der Mindestlöhne um 2,3 bis 3,1 Prozent. Damit haben etwa Ausgelernte neu 5000 Franken auf sicher – 150 Franken mehr als bisher. Über die Lohnerhöhung freut sich auch ­Bekija, der gegenwärtig 5200 Franken brutto verdient. Das sei «eigentlich viel zu wenig», findet er, «wenn man bedenkt, was wir leisten!» Und überhaupt, holt Bekija aus: «Früher hatte unsereins noch Geld im Sack! Die Beizen waren am Mittag immer voll, während der Arbeit hat man gelacht, und die Znünipause war selbstverständlich bezahlt.» Tempi passati: «Heute beginnt das Ghetz schon, bevor du auf der Baustelle bist!» Dringend sei daher die Weiterentwicklung des Gesamtarbeitsvertrags (GAV). Nur hapert’s genau da!

NEUER GAV IM SCHNECKENTEMPO

Die Unia hat über 600 Gerüstbauer zu den drängendsten Berufsproblemen befragt und daraus ­einen Forderungskatalog gezimmert (siehe Box). Diesen hat sie dem Schweizerischen Gerüstbau­unternehmerverband (SGUV) längst auf den Tisch gelegt. Umgekehrt hat der SGUV aber nicht geliefert. Dazu Simon Constantin: «Wir hätten nach den Lohnverhandlungen direkt in die GAV-Verhandlungen starten können, doch die Arbeitgeber haben sich geweigert. Sie wollen erst Ende Januar weitermachen.» Die Folge: Ein moder­nisierter GAV tritt frühestens 2025 in Kraft. Berufsmann Bekija hat für diese Verzögerung kein Verständnis, auch wenn er selbst bald in Rente geht. Er sagt: «So laufen uns die Leute weiterhin davon. Und auch beim Nachwuchs wird’s sicher nicht besser.» Die Statistik gibt ihm recht: Die Zahl der Erstjahrstifte ist seit Jahren im Sinkflug und hat sich seit 2018 sogar halbiert – auf nicht einmal mehr zwanzig Lehranfänger! Das Problem hat auch der SGUV erkannt: «Mehr denn je», schreibt er, müsse man «den Gerüstbau als attraktiven und spannenden Beruf mit Karriere- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten» präsentieren. Klingt schön und gut. Aber gleichzeitig die GAV-Verbesserungen hinausschieben? Dieses Gerüst wackelt!

KNOCHENJOB: Gerüstbauer müssen besser geschützt und bezahlt werden. (Foto: Adobe)

Neuer GAV: Das fordern die Monteure

  • Höhere Löhne und Anpassung der Spesen an die Inflation.
  • Mehr Sicherheit. Immer mindestens drei Arbeiter pro Equipe; Ausbildung auch der Temporären in erster Hilfe und Höhenarbeiten; genaue Definition der Schutzausrüstung (Schuhe, Helm, Jacken usw.), die die Firma gratis bereitstellen muss;
    Firmenkleidung nur noch gratis; klare Kriterien und Grenzwerte, die definieren, wann eine Baustelle wegen Hitze, Regen, Schnee, Wind oder Kälte geschlossen werden muss; ein Mechanismus, der wetterbedingte Unterbrüche auch für ­Firmen attraktiv macht; Pausencontainer endlich auch für Gerüstbauer!
  • Kürzere Arbeitstage. Reduktion der Jahres­arbeitszeit von 2190 auf 2086 Stunden (Einführung des 8-Stunden-Tages); bezahlte Znünipause; Samstagsarbeit muss künftig nicht nur angemeldet, sondern von der paritätischen Kommission auch bewilligt werden.
  • Ferien. Recht auf drei Wochen Sommerferien am Stück; voll bezahlter Vaterschaftsurlaub.
  • Kündigungsschutz: Verlängerung der Kündigungsfristen, z. B. ab dem 10. Dienstjahr von 3 auf 6 Monate.

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