Das offene Ohr

Verzichtserklärung: Ist sie für alle Ansprüche bindend?

Regula Dick von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

VORSICHT: Verzichtserklärungen sollten vor der Unterschrift genau durchgelesen und alle Fragen geklärt werden. (Foto: iStock)

Ich war bis vor einem halben Jahr als kaufmännische Angestellte in einem kleineren Familienunternehmen tätig. Wirtschaftlich ging es dem Unternehmen schon länger nicht mehr gut, und der Druck wurde immer grösser. Das ­Arbeitsklima wurde für mich unerträglich. Ich wollte nur noch weg und kündigte. Am letzten Tag musste ich ins Büro des Chefs. Zusammen mit dem ­Arbeitszeugnis wurde mir eine Saldo­erklärung vorgelegt, in der ich bestätigen musste, dass mit der Zahlung des letzten Monatslohns alle meine Ansprüche beglichen seien. Der Chef gab mir zu verstehen, dass ich froh sein könne, dass er mir noch ein so gutes Arbeitszeugnis ausstelle, eigentlich entspreche das überhaupt nicht meinen Leistungen. Mir war die Situation sehr unangenehm. Ich wollte das Gespräch so schnell wie möglich beenden und habe die Saldo­erklärung unterschrieben. Im nachhinein habe ich bemerkt, dass ich noch einen Feriensaldo von 1,5 Wochen habe. Kann ich diesen trotzdem noch verlangen?

Regula Dick: Ja, diesen können Sie trotz Saldoerklärung noch nachfordern. Arbeitnehmende können während des Arbeitsverhältnisses und eines Monats danach auf unabdingbare Forderungen, die ihnen aufgrund von Gesetz oder Gesamtarbeitsvertrag zustehen, nicht verzichten. Der ­Ferienanspruch gehört zu diesen Bestimmungen, ebenso beispielsweise die Sperrfristen bei Krankheit oder Unfall. Die 1,5 Wochen Ferien muss ­Ihnen somit der Arbeitgeber ausbezahlen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn für den Verzicht auf den Anspruch eine gleichwertige ­Gegenleistung des ­Arbeitgebers erfolgt wäre, was bei Ihnen aber nicht der Fall ist.

Kündigungsfrist: Wird sie bei Krankheit verlängert?

Ich habe vor einem Monat mein Arbeitsverhältnis auf den 30. November gekündigt, weil ich auf den 1. Januar eine neue Stelle gefunden habe. Gemäss Vertrag habe ich eine Kündigungsfrist von einem Monat. Der Arbeitsort ist Bern. Ich habe mehr als drei Jahre für das Unternehmen gearbeitet. Im Arbeitsvertrag steht nichts zur Lohnfortzahlung bei Krankheit, und ich unterstehe auch keinem Gesamtarbeitsvertrag. Seit dem 11. November bin ich krank, und gemäss Arzt falle ich wohl etwa vier Wochen aus. Eine Krankentaggeldversicherung haben wir leider nicht. Ich habe gehört, dass die Erkrankung zur Verlängerung meiner Kündigungsfrist führe. Stimmt das, und bis wann erhalte ich Lohn?

Regula Dick:  Leider führt die Erkrankung während der Kündigungsfrist nur dann zu einer Verlängerung, wenn der ­Arbeitgeber gekündigt hat. Da Sie selber gekündigt haben, endet somit das ­Arbeitsverhältnis am 30. November.

Sie haben während Ihrer Krankheit Anspruch auf Lohnfortzahlung gemäss Art. 324 a OR. Da der Arbeitsort Bern war, ist die Berner Skala anwendbar. Diese gewährt im vierten Dienstjahr grundsätzlich Anspruch auf Lohnfortzahlung während zweier Monate. Diese Lohnfortzahlung endet aufgrund Ihrer Kündigung jedoch vorzeitig mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 30. November.

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