Der Stromkonzern will nicht zur Versorgungssicherheit der Schweiz beitragen:

Unverschämt, unverschämter, Axpo

Clemens Studer

Der Bundesrat bietet den Stromkonzernen viel Geld, damit sie die in den Schweizer Stauseen gespeicherte Energie nicht im internationalen Strom-Casino vergolden. Doch die Axpo macht nicht mit.

WASSER AUF SPEKULANTENMÜHLEN: Die Anlage Limmern im Kanton Glarus ist das grösste Axpo-Pumpspeicherwerk. (Foto: Axpo)

Europa droht eine Stromknappheit, weil wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und dessen Folgen die bisher billige Gasversorgung Geschichte ist. Auch in der Schweiz könnte es eng werden im Spätwinter: weil in europäischen Ländern ein beachtlicher Teil der Energieversorgung von Gas abhängig ist, weil in Frankreich ein grosser Teil der vermeintlich so zuverlässigen und sauberen Atomkraftwerke wegen Alters- oder anderer Schwächen vom Netz sind. Und trotz dem hohen Anteil von alten erneuerbaren Energien wie der Wasserkraft. Im Winter ist die Schweiz seit Jahren auf Stromimporte angewiesen, weil der Ausbau von neuen erneuerbaren Energien (zum Beispiel Sonnen- und Windkraft) verschlafen beziehungsweise politisch gebremst wurde.

Die Axpo ist eine wild gewordene Zockerbude mit dem ältesten AKW der Welt…

WASSERKRAFT-RESERVE

Darum hat der Bundesrat in seiner Not beschlossen, den Stromkonzernen viel Geld zu bieten, damit sie die in den Schweizer Stauseen gebunkerte Energie nicht im internatio­nalen Strom-­Casino vergolden, sondern für die Versorgungssicherheit der Schweiz einsetzen. Dafür war der Bund bereit, einen «mittleren dreistelligen Millionen­betrag» aufzuwerfen. Falls der «Marktpreis» höher ist, gerne auch mehr. Konkret: Mit mindestens einer halben Milliarde Franken bezahlen die Steuerzahlenden und Konsumierenden (via höhere Netzgebühren) dafür, dass die Strombarone 500 Gigawattstunden (GWh) zurückhalten. Das sind rund ­5 Prozent der gesamten Stauseekapazität in der Schweiz und entspricht dem Stromverbrauch von 150 000 Haushalten in einem Jahr. Egal, was man von dieser Idee hält: Es tönt nach einem guten Geschäft für die Stromkonzerne. Aber ganz offensichtlich nicht für alle. Besonders nicht für die Axpo. Denn die macht nicht mit. Es rentiere sich nicht, sagt die Axpo. Und gab ein saumässig teures Angebot ab. So saumässig teuer, dass nicht einmal die stromkonzernfreundlichen «Aufsichtsbehörden» Hand bieten mochten. Begründung der Axpo: Wir haben den kommenden Strom schon viel teurer verkauft.

…die sich verspekuliert hat und darum eine Staatsgarantie braucht.

QUASI PRIVATISIERT

Doch wer ist diese Axpo überhaupt? Kurzformel: eine wild gewordene Zockerbude mit dem ältesten AKW der Welt, die sich verspekuliert hat und darum eine Staatsgarantie braucht. Eigentlich müsste ja die fortschrittliche Forderung sein: vergesellschaften, weil Strom Service public ist. Aber das ist formal gar nicht nötig, weil die Axpo bereits den nordostschweizerischen Kantonen und ihren Elektrizitätswerken gehört (siehe auch «Rosa Zukunft», Seite 14). Konkret: ­Zürich (36,5%); Aargau (28%), ­St. Gallen und Appenzell (12,5%), Thurgau (12%), Schaffhausen (8%) und Glarus (2%). Der Kanton Zug hält rund 1 Prozent. Die bürgerlichen Mehr­heiten in diesen Kantonen haben es geschafft, die Axpo durch die Hintertür quasi zu privatisieren. So wie es die neoliberale Ideologie befiehlt. Die Folgen dieser Politik: Versorgungssicherheit gehört ausdrücklich nicht zu ihren Aufgaben. Darauf sind die Manager und ihre politischen Helfershelferinnen auch noch stolz. Und drohen bei einer Änderung mit dem Niedergang.

Fragt sich nur, wessen Niedergang. Wohl jener der Zockerabteilung. In Zahlen: Im letzten Halbjahr machte die Axpo einen Umsatz von 6 Milliarden Franken. Davon stammen gerade einmal 1,4 Milliarden aus der eigenen Stromproduktion. Der Rest aus Spekulation. Die Axpo be­endet ihr Geschäftsjahr jeweils Ende September. Bis dahin hat sie wohl ­12 Milliarden Franken im Handel umgesetzt. Seit neuestem alles abgesichert mit einer Steuergeld-Garantie. Am 8. Dezember werden wir ein bisschen Genaueres erfahren. Dann ist die Bilanzmedienkonferenz.

MILLIONEN-BONI

Der Finanzblog insideparadeplatz.ch berichtet, dass bei der Axpo «mindestens» 15 Trader eine Million Franken im Jahr oder mehr verdienen. Von diesen Traderinnen und Tradern gibt es Hundertschaften. Viele davon haben sich nach der Finanzkrise in die Strombranche verabschiedet. Da können sie weiterhin mit Derivaten, also quasi mit Wettscheinen, Roulette spie­len. Wie, sieht man an der Axpo-Bilanz: Vom 1. April 2021 bis zum 31. März 2022 gingen die Axpo-Trader ­7 Milliarden mehr kurzfristige Derivatpositionen ein. Bei den langfristigen Derivaten war es ein Sprung von 3,3 auf 27,9 Milliarden Franken.

GIGANTISCHE GEWINNE

Was hat das zu tun mit der Weigerung, sich an der steuergeldfinanzierten Was­serkraftreserve zu beteiligen? Viel, wie eine kleine Überschlagsrechnung zeigt. Der Axpo gehört das älteste noch betriebene AKW der Welt. Die Atom-Lobby brüstet sich mit Produktionskosten von 4 bis 6 Rappen pro Kilowattstunde. Das macht pro Megawattstunde höchstens 60 Franken. Der Bund bezahlt für die Wasserkraftreserve rund 740 Franken. Wenn die Axpo darauf nicht einsteigt, zeigt das, mit welchen Margen sie dank staatlicher Garantie kalkuliert.

Es wird spannend sein, wie die marktwilden Parteien von der SVP bis zur GLP diese staatlich garantierten Krisengewinne im nächsten Sommer abschöpfen. Oder vermutlich eher, wie nicht.

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