Die neuste Verteilanalyse des Gewerkschaftsbundes belegt es:

Kaufkraft sinkt dramatisch

Clemens Studer

Die Lebenskostenkrise spitzt sich drastisch zu. Die Gewerkschaften fordern: ab sofort keine Löhne mehr unter 4000 Franken. Und: Wer eine Lehre abgeschlossen hat, muss mindestens 5000 Franken verdienen.

TEUERUNG FRISST LOHN: Die explodierenden Kosten treffen jene am härtesten, die sowieso schon wenig verdienen. Was es braucht, sind höhere Mindestlöhne und den vollen Teuerungsausgleich. (Foto: Keystone)

Die Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen verlieren massiv an Kaufkraft. Das zeigt die neuste Verteilungsanalyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) einmal mehr deutlich. Und die Situation spitzt sich zu.

Die aktuellen Ursachen:

  • Die Teuerung ist so hoch wie seit Jahren nicht mehr.
  • Die Energiekosten und damit die Wohnnebenkosten steigen rasant.
  • Die Löhne stagnieren, und das schon seit Jahren.
  • Die Krankenkassenprämien explodieren.

Was nötig ist:

  • Mindestens der volle Teuerungsausgleich. Denn: Firmen, die diesen verweigern, nehmen den Lohnabhängigen schlicht reales Geld weg.
  • Massiv mehr Geld für Prämienverbilligungen. So wie es der Nationalrat beschlossen hat – was aber der Ständerat blockiert.
  • Höhere Mindestlöhne. Das heisst: kurzfristig keine Löhne mehr, die unter 4000 Franken im Monat liegen. 13 Mal im Jahr. Generell keine Löhne mehr unter 4500 Franken. Und wer eine Lehre abgeschlossen hat, muss mindestens 5000 Franken verdienen. Die Lebenshaltungskostenkrise ist akut, aber leider nicht neu. Auch das zeigen die Zahlen. Die Firmenbesitzenden stecken seit Jahren den grössten Teil der von den Lohnabhängigen erarbeiteten Produktivitätsgewinne in die eigenen Taschen. Darum verlangt die Unia in den ­Lohnverhandlungen über den vollen Teuerungsausgleich hinaus auch reale Lohnerhöhungen. In etlichen Branchen konnten Erfolge erzielt werden, in anderen stellen sich die Chefs noch stur oder verweigern sich, wie etwa Coop (Link).

«In welcher Welt leben die Arbeitgeber eigentlich?»

UNTEN LEIDEN, OBEN FEIERN

Der SGB hat ausgerechnet, was es für die Menschen in Branchen bedeutet, in denen sich die ideologische Ansage von ­Arbeitgeberverbandspräsident Valentin Vogt durchsetzen würde (Lohnanstieg: 1 Prozent). Berücksichtigt sind auch die budgetierten Prämienverbilligungen in den Kantonen, ein Mietanstieg von 2,5 Prozent, die höheren Energiekosten – und bei den Top- und Superverdienenden die Abschaffung des Solidaritätsprozents in der Arbeitslosenversicherung, von der nur Löhne ab 148 200 Franken profitieren (siehe Box).

Unia-Präsidentin Vania Alleva sagt zur aktuellen Lage: «Die Lohn- und Einkommensfrage ist zentral. Es geht hier darum, ob die Menschen über die Runden kommen, ob sie die Miete, die Heizkosten, die Krankenkassenprämien, den Zahnarzt, die Mobilität noch bezahlen können. In welcher Welt leben die Arbeitgeber eigentlich, die den lieben langen Tag über Fachkräftemangel jammern, aber von den Beschäftigten Lohnverzicht verlangen?»

SGB-Berechnung: Kaufkraftverlust und -gewinn

Bei einem Paar mit zwei Kindern pro Monat:

unterste 10 Prozent der Löhne: minus 190 Franken
mittlere Löhne: minus 210 Franken
oberste 10 Prozent der Löhne: plus 340 Franken
oberste 1 Prozent der Löhne: plus 900 Franken
oberste 0.1 Prozent der Löhne: plus 2750 Franken

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