work-Spezial zur Lehre: Weil nichts besser schützt vor miesen Chefs und fiesen Ausbilderinnen

Lernende, Lernender, kenne deine Rechte!

Julius Kopp

Dein Chef will, dass du auch noch nach der ­Berufsschule im Geschäft antrabst. Oder dir vorschreiben, was du anziehen sollst. Darf er das? Unia-Jugendsekretär Julius Kopp sagt, was geht und was nicht.

PAROLI BIETEN: Auch wer erst gerade ins Arbeitsleben einsteigt, muss sich nicht alles gefallen lassen. (Foto: Screenshot Unia)

Plötzlich in der Lehre! Plötzlich mitten im Berufsleben! Das ist ein riesiger Schritt – für alle Jugendlichen. Einer, der viele Veränderungen mit sich bringt. Und auch viele Unsicherheiten. Denn jetzt sagt dir der Chef oder die Ausbilderin, was du darfst und was du musst. Und du fragst dich vermutlich immer mal wieder: stimmt das denn?

Richtig so! Denn du hast nicht nur Pflichten in der Lehre, sondern auch Rechte. Die zu kennen ist wichtig. Als Unia-Jugendsekretär helfe ich dir dabei. Ob zu Ferien, Lohn, Arbeitszeit oder Berufsschule: ich beantworte regelmässig Fragen, die mir junge Berufsleute zuschicken. work zeigt eine Auswahl:

Julius Kopp.

6-Tage-Wochen in der Lehre: Ist das okay?

Ich mache eine Lehre im Detailhandel und musste im letzten ­Monat zweimal von Montag bis Samstag jeden Tag arbeiten. Ist das in Ordnung?

Grundsätzlich darf dich dein Arbeitgeber an bis zu 6 Tagen am Stück einsetzen. Wenn du aber von Montag bis Samstag jeden Tag arbeitest, muss er dir an einem dieser 6 Tage einen freien Halbtag gewährleisten. Zudem darf deine Arbeitszeit (inkl. Berufsschule) in einer Woche in keinem Fall mehr als 45 Stunden betragen, und du musst zwischen zwei Arbeitseinsätzen immer mindestens 12 Stunden Ruhezeit haben.

Ich empfehle dir zu prüfen, ob während deiner 6-Tage-Wochen alle diese Kriterien erfüllt wurden. Wenn nicht, kannst du dich wehren. Sprich mit deiner Berufsbilderin, oder melde dich bei der Unia in deiner Region. Wir helfen dir, deine Rechte durchzusetzen.

Muss ich für den Stützkurs nacharbeiten?

Ich habe mit einem Stützkurs an der Berufsschule begonnen, da ich mit dem Schulstoff nicht ganz nachkomme. Ich muss dafür einmal in der Woche eine halbe Stunde früher vom Betrieb weg. Auf Weisung des Chefs muss ich deshalb an den anderen Tagen länger arbeiten. Darf er das verlangen?

Grundsätzlich muss dir dein Lehrbetrieb im Durchschnitt einen halben Tag pro Woche für den Stützkurs freigeben und darf dafür übrigens auch keine Lohnabzüge machen. Falls du auf eigenen Wunsch den Stützkurs absolvierst und dein Berufsbilder mit diesem Wunsch nicht einverstanden ist, entscheidet das Berufsbildungsamt darüber, ob du den Stützkurs brauchst. Falls dein Berufsbilder dem Stützkurs aber bereits zugestimmt hat, kannst du verlangen, dass die halbe Stunde Abwesenheit nicht abgezogen wird.

Darf mir der Chef mein Piercing verbieten?

Ich mache eine Lehre als medizi­nischer Praxisassistent und ­trage ein Piercing in der Nase. Mein Ausbilder will, dass ich den Stecker während der Arbeit entferne, da dies unhygienisch sei. Als ich widersprach, drohte er mir eine Lohnkürzung an oder sogar die Kündigung. Muss ich das Piercing rausnehmen?

Grundsätzlich erlaubt das Gesetz dem Arbeitgeber, Weisungen zum Verhalten am Arbeitsplatz zu erlassen. Darunter fallen auch Bekleidung und sichtbar getragener Schmuck. Den Lohn kürzen darf dir dein Chef während der Lehre nur, wenn du unentschuldigt nicht zur Arbeit kommst oder dem Betrieb absichtlich schadest. Und eine Kündigung darf während der Lehre nur bei schweren Verfehlungen ausgesprochen werden. Beide Massnahmen wären in deinem Fall unverhältnismässig. Du bist jedoch im Gesundheitswesen tätig. Deshalb würde ein Gericht die Hygiene als Argument für ein Piercingverbot wohl gelten lassen. Falls dein Chef dir nicht entgegenkommt, wirst du die Weisung befolgen müssen.

STOP SEXISMUS IN DER LEHRE

Viele Lernende erleben sexistische Sprüche und sogar sexuelle Gewalt. Mit der Plattform belaestigung-in-der-lehre.ch fordert die Unia-Jugend Betriebe, Berufsschulen und Behörden dazu auf, endlich Massnahmen zu ergreifen. Vertrauliche und professionelle ­Soforthilfe für Betroffene bietet das Portal belästigt.ch. (Patricia D’Incau)

Wie kann ich mich gegen Überstunden wehren?

Ich (17) bin im zweiten Lehrjahr als Floristin und muss regel­mässig Überstunden machen. An manchen Tagen, vor allem wenn ich auch noch an der Berufs­schule bin, komme ich so auf mehr als zehn Stunden, die Pausen schon abgezogen. Kann ich mich da­gegen wehren?

Ja, die Praxis deines Lehrbetriebs ist rechtswidrig! Laut Arbeitsgesetz darf die tägliche Arbeitszeit von minderjährigen Arbeitenden maximal neun Stunden betragen. Überstunden und obligatorischer Unterricht inbegriffen. Die Arbeitszeit mit allen Pausen muss innerhalb von 12 Stunden liegen. Im übrigen müssen alle deine Überstunden entweder mit Freizeit ausgeglichen oder aber mit einem Zuschlag von mindestens 25 Prozent ausbezahlt werden.

Vaterschaftsurlaub – auch als Lernender?

Ich bin im dritten Lehrjahr meiner vierjährigen KV-Ausbildung. Nun ist meine Partnerin schwanger. Habe ich Anspruch auf Vaterschaftsurlaub?

Zuerst mal herzliche Gratulation! Das Recht auf Vaterschaftsurlaub besteht seit 2021 und gilt unter der Voraussetzung, dass der Vater zum Zeitpunkt der Geburt erwerbstätig ist, in den neun Monaten vor der Geburt obligatorisch AHV-versichert und in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang erwerbstätig war.

AHV-Beiträge bezahlt man ab dem 1. Januar nach Vollendung des 17. Altersjahres. Wenn dein Kind also nach dem 30. September des Jahres, in welchem du 18jährig wirst, geboren wird, hast du Anspruch auf Vaterschaftsurlaub – sofern du in den letzten neun Monaten mindestens fünf Monate im Lehrverhältnis warst. Kommt dein Kind früher auf die Welt, hast du keinen Anspruch. Kläre zudem ab, ob für deine Firma ein Gesamtarbeitsvertrag gilt, dessen Regelung zum Vaterschaftsurlaub über das gesetzliche Minimum hinausgeht.

Arbeitslos nach der Lehre: Was tun?

Ich habe im Sommer meine Lehre abgeschlossen. Ursprünglich ­hätte ich als Festangestellte bleiben dürfen. Leider habe ich nun aber doch nur einen befristeten Vertrag erhalten. Danach droht mir die ­Arbeitslosigkeit. Was soll ich tun?

So früh mit Arbeitslosigkeit konfrontiert zu werden ist sicher nicht einfach. Ich rate dir dringend, dich drei Monate vor Ablauf des befristeten Vertrags bei der Gemeinde oder beim zuständigen Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zu melden.

Als Lehrabgängerin hast du Anspruch auf maximal 200 Taggelder. Noch wichtiger ist aber, dass dich das RAV bei der Stellensuche unterstützt. Dazu gehören neben Informations- und Weiterbildungskursen auch spezielle Bildungs- oder Berufspraktika und Beschäftigungsprogramme für junge Arbeitslose. Informiere dich beim RAV oder bei der Unia-Arbeitslosenkasse.

Mehr Antworten gibt’s auf workzeitung.ch/lernende-fragen. Hast auch du eine Frage? Schreib an lehre@unia.ch oder auf Instagram: rebrand.ly/frag-julius.


Ab in die Unia-Jugend Aktiv werden

In der Unia-Jugend organisieren sich die Gewerkschaftsmitglieder unter 30 Jahren, um für ihre Interessen als Lernende und junge Arbeitende einzu­stehen. Sie kämpfen gegen Ausbeutung in der Lehre oder im Praktikum, gegen sexualisierte Gewalt am ­Arbeitsplatz (siehe Box) und für bessere Arbeits­bedingungen.

COOLE AKTIONEN: Die Unia-Jugend macht mit Kampa­gnen und Aktionen auf die Probleme von jungen Berufsleuten aufmerksam. Und macht Druck, damit die Betriebe und die Politik die Forderungen ernst nehmen und angehen müssen. Bestimmt, laut und solidarisch bringt die Unia-Jugend ihre Anliegen auch in die Gre­mien der Unia ein und trägt so zu einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik bei.

VIEL SPASS: Daneben macht die Unia-Jugend vor allem auch Spass: Auf dem Programm stehen gemeinsame Go-Kart-Fahrten, Skilager, Parties, Wande­rungen, Ausflüge in den ­Europapark und vieles mehr. Vor allem aber bietet sie die Gelegenheit, neue Freundschaften mit anderen Lernenden und jungen ­Arbeitenden zu schliessen.

Willst du einmal bei der Unia-Jugend reinschnuppern? Schreibe ein E-Mail mit deinem Wohnort an ­jugend@unia.ch, und wir melden uns bei dir.

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