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Neuer Film über die Klimaproteste: «Der laute Frühling»

Ralph Hug

Statt Pipelines zu sprengen, müsste sich die Klimabewegung mit den Arbeiterinnen und Arbeitern verbünden. Das zeigt ein neuer Film im spannenden Mix aus Doku und Comic.

GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN: Hartnäckig und mit teils spektakulären Aktionen versucht die Klimabewegung die grosse Katastrophe doch noch zu verhindern. (Foto: Labournet.tv)

1992 fand in Rio de Janeiro die erste Umweltkonferenz statt. Seither gab es 27 Konferenzen, und zig Versprechen von Regierungen und Konzernen – doch das Resultat ist nichts als heisse Luft: In den letzten 30 Jahren sind die klimaschädlichen CO2-Ausstösse nicht etwa gesunken, sondern um 60 Prozent gestiegen. Warum? Diese Frage steht am Anfang des Films von Johanna Schellhagen und dem Kollektiv labournet.tv. Die deutsche Autorin lässt keine Zweifel offen: Das System ist falsch, es braucht eine Revolution. Dies setzt Schellhagen in ihrem Thesenfilm ins Bild um.

Im Zentrum steht der weltweite Klimaprotest. Ob in Deutschland, Frankreich oder Argentinien – überall auf der Welt gehen zumeist jüngere Aktivistinnen und Aktivisten gegen die fortschreitende Klimazerstörung auf die Barrikaden. Schellhagen ist ihnen gefolgt und lässt sie vor der Kamera ausführlich zu Wort kommen. Tenor: «Wir wollen nicht zuschauen, wie die Welt zugrunde geht.» Starke Bilder von Demos und Protestaktionen führen die moralische Dringlichkeit dieses Engagements vor Augen.

Der Klimaprotest bleibt machtlos ohne die Arbeitenden.

RADIKALE UMKEHR

Schellhagen hat auch massgebende Intellek­tuelle befragt. Zum Beispiel den schwedischen Ökologen Andreas Malm. Sein Buch «Wie man eine Pipeline in die Luft jagt» ist unter der Klimajugend ein Bestseller. Aktivist und Dozent Malm befürwortet Stör- und sogar Sabotageaktionen, um die Klimakrise aufzuhalten. Damit hat er Gruppierungen wie Extinction Rebellion beeinflusst, die mit spektakulären Aktionen des zivilen Ungehorsams von sich reden machen. Als weitere Expertin kommt die Lausanner Ökonomieprofessorin Julia Steinberger zu Wort. Auch sie plädiert angesichts der fortschreitenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen für eine radikale Umkehr. Diese beiden Interviews sind zweifellos Höhepunkte in Schellhagens Doku. Im zweiten Teil des Films fordert Regisseurin Schellhagen: Der Klimaprotest werde machtlos bleiben, wenn er nicht das Bündnis mit der Arbeiterbewegung suche. Sie setzt auf die Basis in den Betrieben und in der Produktion. Also auf die Menschen, die Unterdrückung und Ausbeutung ­täglich am eigenen Leib erfahren. Nur wenn die Arbeitenden die Macht in den Fabriken selbst übernehmen, ändere sich wirklich etwas. Die Produktion könnte dann jenseits des Profitprinzips auf der Basis der wirklichen Bedürfnisse und des Gemeinwohls organisiert werden.

MACHT DER BETRIEBE

Schellhagen und das Kollektiv labournet.tv haben in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Streiks und Arbeitsproteste mit der Videokamera dokumentiert. Daraus schöpfen sie ihre Zuversicht, dass eine solche Umwälzung möglich ist. Sie sind der Überzeugung: Die Menschen müssen die Macht in Staat und Gesellschaft durch einen Umsturz in der Produktion übernehmen und auf diese Weise den unseligen Kapitalismus überwinden. Im Film kommt diese Revolution in Form ­eines Animationsfilms daher. Die Utopie des guten Lebens ist ein Comic. Ob sie je real wird, muss offenbleiben.

Inspiriert vom Klassiker: Laut und leise

Der Titel von Johanna Schellhagens Film «Der laute Frühling» ist ene Anspielung auf ein Buch aus dem Jahr 1962. Die US-Biologin Rachel Carson schrieb darin erstmals über die verheerenden Folgen des Insektengifts DDT und anderer Chemikalien für die Natur, insbesondere die Vogelwelt.

SUPER-GIFT. DDT galt lange als Wundermittel in der Landwirtschaft. Doch wo grosse Mengen eingesetzt wurden, fielen di Vögel sogar vom Himmel. Deshalb betitelte Carson ihr Buch «Der stumme Frühling» (The Silent Spring). Das Werk gilt als erstes Buch der Ökobewegung.

Der Dokumentarfilm «Der laute Frühling» ist am 22. und 23. September im Neuen Kino Basel zu sehen. Am Freitag, 23. September, ist die Autorin Johanna Schellhagen ­anwesend. Ebenso stellt sie sich am 24. September um 16.30 Uhr in der Reithalle Bern sowie am 25. September um 17 Uhr im Kommunalen Kino in Freiburg dem Publikum.

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