Rosa Zukunft ‒ Technik, Umwelt, Politik

Elektroflieger: Fliegen wir bald in 25 Minuten und CO2-frei von Belp BE nach Agno TI?

Regionalflughäfen sind heute zum Tode verurteilt. Bekommen sie dank umweltfreundlichen und günstigen Elektrofliegern eine zweite Chance? Vielleicht und vielleicht auch nicht.

HÜBSCHER VOGEL: Das Elektroflugzeug ES-19 aus Schweden ist ein Hoffnungsträger für umweltschonendes und erst noch kostengünstiges Fliegen. (Foto: Heartaerospace.com)

Viele Leserinnen und Leser von work haben ein Problem. Sie wissen: Der und die Kluge fahren mit dem Zuge. Und eigentlich sollten sie nicht mit dem Flugzeug in die Ferien fliegen. Andererseits können sie den Ver­suchungen der Luftfahrtindustrie nicht widerstehen. Zoomen ist gut und recht, aber es ersetzt selbst für Geschäftsleute nicht den realen Kontakt zwischen Menschen. Deshalb füllen sich die Wartehallen der Flughäfen jetzt wieder. Und dies, obwohl das Fliegen teurer wird. Die Preise für das Kerosin haben sich verdreifacht. Viele gehen davon aus, dass nächstens synthetisch hergestelltes Kerosin nicht mehr teurer sein wird als fossiles. Wäre ja schön und gut, nur entstehen auch beim Verbrennen von synthetischem Kerosin Kondensstreifen, die die Umwelt massiv belasten.

Eine Zwischenbemerkung: Das 2021 an der Urne abgelehnte CO2-Gesetz sah eine Flugticketabgabe vor. Sie nahm sich finanziell gesehen wie ein Fliegenschiss aus, verglichen mit der durch Putin bewirkten Erhöhung der Kerosinpreise. Heute kostet ein Flug nach Mallorca und zurück rund 160 Franken mehr als vor Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Somit 5 Mal mehr als die Flugticket­abgabe, die erst noch immerhin zur Hälfte zurückerstattet worden wäre.

STARKER ARM. In der Krise haben viele Fluggesellschaften Personal entlassen, um Kosten zu sparen. Und viele Mitarbeitende haben den Job gewechselt, weil es national und international keine oder zu wenig hohe Kurzarbeitsentschädigungen gab und gibt.

Jetzt fehlt dieses Personal an allen Ecken und Enden. Lufthansa, Swiss & Co. sind unter Druck. Und die Mitarbeitenden fordern jetzt richtigerweise bessere Löhne. Erste Streiks beweisen: Wenn dein starker Arm es will, stehen fast alle Turbinen still! Bleibt der Ruf nach dem technischen Fortschritt: Welche Technologie wird sich für Kurz-, Mittel- und Langstrecken auf dem Weg zum hoffentlich eines Tages CO2-freien Fliegen durchsetzen? Noch lichtet sich der Nebel absehbar nur für Kurzstrecken.

Heute sind in Norwegen bereits 30 Prozent der Fahrzeuge reine Elektroautos. Nächstens – das heisst schon 2026 – sollen schwedische Elektroflieger mit vorerst 19 und später 30 Sitzplätzen das Fliegen umweltfreundlich und billig machen.

Versprechen 1: Das Elektroflugzeug ES-19 des schwedischen Start-up-Luftfahrtunternehmens Heart Aerospace braucht nur eine 750 Meter lange Startbahn. Es kann also selbst von jenem Hotelflugplatz aus starten, den Fliegerbundesrat Alain Berset jüngst bei seinem mehr oder weniger wilden Ritt nach Frankreich benutzt hat.

Versprechen 2: Mit den heutigen Batterien kann der ES-Elektroflieger 400 Kilometer weit fliegen. Mit den Batterien der nächsten Generation absehbar 800 Kilometer.

Versprechen 3: Die Kosten für den Unterhalt sinken von 100 Prozent auf 25 Prozent, weil Elektromotoren verdammt wartungsarm sind.

Versprechen 4: Der ES-19 mit 19 Plätzen für Passagiere und 2 Plätzen für Pilotinnen und Piloten verfügt über vier Motoren mit einer Leistung von je 400 Kilowatt. Pro hundert Kilometer dürften sie 200 Kilowattstunden Strom brauchen. Dies entspricht einem Franken pro Passagier und Kilometer, wenn der Solarstrom neben dem Flugfeld produziert wird.

In Norwegen will man den Flieger zum Beispiel zwischen Bergen und Stavanger über die Fjorde hinweg einsetzen. Heute braucht man für die Strecke mindestens 3 Stunden. Mit dem Elektroflieger würde man dies umweltfreundlich in 25 Minuten schaffen.

Kann das auch für die Schweiz taugen? Vermutlich schon. Die Luft­linie zwischen Lugano und Bern etwa beträgt 155 Kilometer. Der Flug mit dem Schweden-Elektroflieger würde 20 Minuten dauern. Optimiert könnte man die ganze Reisezeit auf unter eine Stunde drücken. Im Gegensatz dazu dauert die Fahrt mit der Bahn trotz Ceneri- und Gotthardtunnel mehr als 3 Stunden. Dafür landet man mitten in den Städten. Und nicht ausserhalb.

Kurz nach dem Verfassen dieses Artikels ändert Heart Aerospace die Pläne: Das neue Flugzeug soll nicht mehr 19, sondern 30 Sitzplätze aufweisen. Es wird nicht 2026 auf den Markt kommen, sondern erst 2028. Dafür sollen die Kosten pro Personenkilometer noch günstiger werden. Logo, denn die beiden Pilotinnen oder Piloten transportieren pro Flug 11 Passagiere mehr. Der Trost für alle Ungeduldigen: Auch der ES-30 sollte auf dem Flugplatz von Bersets Hotel Bournizeaux in Frankreich, landen und starten können.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/berset-fliegt Der Flugplatz des Hotels, das Alain Berset angesteuert hat, weist eine Länge von 1120 Metern auf.
  • rebrand.ly/es30-landet Auf der Homepage startet und landet jetzt der auf 30 Passagiere aufgebohrte schwedische Elektroflieger ES-30.

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