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AHV 21 am 25. September: Oben gegen unten

Clemens Studer

work- Autor Clemens Studer

Das Zufalls-Ja zur Erhöhung des Frauenrentenalters ist ein Schlag ins Gesicht der Frauen. Die männliche Häme «Ihr wollt Gleichberechtigung, da habt ihr sie!» war sehr präsent. Doch waren es die entscheidenden Stimmen? Die der alten Männer? Und die der frustrierten Männer, die ob all den (insgesamt doch noch immer bescheidenen) Fortschritten in der Gleichstellung es «denen» mal heimzahlen wollten? All diese Männer bemühen sich doch nicht erst seit diesem Herbst an die Urnen. Diesmal müssen also noch andere, ebenfalls nicht Frauenfreundliche am Werk gewesen sein. Erst die ernsthaften Nachwahluntersuchungen werden es in ein paar Wochen zeigen. Doch Zweifel daran, ob die entscheidenden Stimmen gegen die Frauen tatsächlich von «den Männern» gekommen sind, sind angebracht.

DIE PRIVILEGIERTEN. Denn klar ist jetzt schon: Es ist auch eine Frage des eigenen sozialen und ökonomischen Status, es richtig zu finden, dass Frauen länger arbeiten müssen, obwohl bei Löhnen, Renten und der Verteilung der Care-Arbeit von Gleichstellung keine Rede sein kann. Selbst 40 Jahre nach dem Gleichstellungs­artikel in der Verfassung nicht.

Gleichstellung blinken, im Zweifel patriarchal fürs Kapital abbiegen.

IHRE TATEN. Umfragen wie Debatten vor der Abstimmung zeigten das. Und zwar geschlechtsübergreifend: Da weibelten und weibeln jungfreisinni­­ge Herrensöhnchen Seite an Seite mit schreibenden Millionenerbinnen. Da warfen sich auch ökonomisch privilegierte Frauen in die Schlacht, um ihre härter arbeitenden und prekär bis bescheiden verdienenden Geschlechtsgenossinnen länger arbeiten zu lassen. Dies, während sie kaum je länger als bis 60 werden arbeiten müssen: Bestlöhne im Rücken und Millionenerbe in Aussicht. IhreVorstellung von «Gleichberechtigung» ist die von Privilegierten. Sollen doch ihre Reinigerinnen, ihre Nannys chrampfen und die Pflegerinnen ihrer Eltern und Grosseltern pflegen bis zum Umfallen. Sofern diese ab 55 überhaupt noch einen Job finden. Die AHV war schon den Urgross­vätern und Grossvätern dieser gut bestallten Damen und Herren ein Dorn im Auge. Weil sie für ökonomischen Ausgleich von oben nach unten sorgt. Und zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. Und weil sie der Finanzindustrie Spielgeld fürs Börsencasino entzieht. Sie formulieren es heute einfach «moderner» – das Resultat bleibt gleich. Zum Beispiel zeigen es ihre realen Taten im Parlament. Etwa von den medial so gehätschelten Grünliberalen. Sie stimmten geschlossen mit der Millionärspartei SVP und der Finanzindustrie-Partei FDP gegen den Teuerungsausgleich für die AHV-Rentnerinnen und -Rentner. Und wenn es um eine vernünftige ­Elternzeit für alle geht, kneifen sie. Da sind die für die GLP-Wahlprogramme gefällten Bäume umsonst gestorben. So geschehen im Kanton Zürich. Könnte ja die Firmenbesitzenden etwas kosten, jammern sie, wenn es konkret wird. Gleichstellung blinken, aber im Zweifel patriarchal fürs Kapital abbiegen. Diese Taktik ist bei dieser AHV-Abstimmung leider knapp aufgegangen.Das ist ärgerlich und ein Hohn für alle, die dieses Land mit ihrer harten bezahlten und unbezahlten Arbeit am Laufen halten. Doch es gibt auch einen fortschrittlichen Hoffnungsschimmer nach diesem 25. September.

HOFFNUNG TROTZ HOHN. Mit der geplanten Abschaffung der Verrechnungssteuer für Konzerne, Oligarchen und Steuerbetrüger haben die Finanzindustrie und ihre Parteien von SVP bis GLP die vierte Steuer­geschenk-Abstimmung in Folge verloren. Das zeigt, dass sich hartnäckiger Widerstand lohnt. In Sachen Renten-Situation für alle nicht Superverdienenden und Millionenerbenden gibt es trotz der Ohrfeige an die Frauen Hoffnung. Die 13.  AHV-Rente, das SNB-­Geld für die AHV, eine BVG-Reform ohne weiteren Abbau für alle wenig und gering Verdienenden. Das ist alles mehrheitsfähig. Das Rentenalter 67 und höher für alle (ausser für die Privilegierten), das den Rechten vorschwebt, ist es nicht. Denn da werden auch die frustrierten Männer mit unteren und mittleren Einkommen nicht mehr mitmachen. Und die reichen Frauen alleine an der Seite ihrer Männer und Väter stehen. Diesmal auf verlorenem Posten.

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