Kurzer Rückblick auf ein paar lange, heisse Wochen

Keine Ferien für Hirslanden, Swiss, Novartis & Co.

Clemens Studer

Der Sommer war heiss. Nicht nur, was das Wetter betrifft. Auch gewerkschaftlich lief einiges. Eine Auswahl.

ES BRODELT: Mit eindrücklichen Protestaktionen und Streikandrohungen halten die Swiss-Mitarbeitenden
den Flughafen Zürich in Atem (Foto: Keystone)

Flugverkehr

Die Fluggesellschaften haben in der Pandemiezeit trotz üppigen staatlichen Unterstützungen Personal abgebaut. Das fehlt jetzt, wo der Flugverkehr wieder anzieht, an allen Ecken und Enden. Doch statt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, wollen die Chefs sie weiter verschlechtern. Am Boden und in der Luft. Zum Beispiel der Lufthansa-Konzern, zu dem auch die Swiss gehört, seit sie der damalige FDP-Finanzminister Hans-Rudolf Merz an die Deutschen verscherbelt hat. Doch die Gewerkschaften geben nicht klein bei. In Deutschland erreichte die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mit einem 26stündigen Warnstreik massive Verbesserungen. Das Bodenpersonal (rund 20’000 Beschäftigte) erhält rückwirkend auf den 1. Juli fix 200 Euro mehr Lohn. Am 1. Januar 2023 steigt der Grundlohn um 2,5 Prozent, mindestens aber um 125 Euro. Das gleiche geschieht am 1. Juli 2023.

Von der Einsicht der Konzern-Mutter sind die Manager der Tochter Swiss noch weit entfernt. Trotz Koffer-Chaos und Abfertigungsproblemen am Boden beharren sie auf den schlechten Bedingungen des Krisen-GAV. Doch die Mitarbeitenden haben genug. Bislang blieb es bei eindrücklichen Protestkundgebungen am Flughafen Zürich. Doch ohne Einlenken der Swiss-Spitze sind auch hier Streiks denkbar. Denn der VPOD hat den bestehenden Krisen-GAV gekündigt und sich so vom darin vereinbarten Streikverbot gelöst. Ein Lichtblick ist dagegen die Einigung des Genfer und Basler Easyjet-Personals mit dem Unternehmen. Unterstützt von der Gewerkschaft, erreichten die Mitarbeitenden einen eindrücklichen Erfolg: Ab sofort steigen die Löhne bei der Billig-Airline schrittweise deutlich. Bei der Swiss dagegen haben unterdessen auch die ­Pilotinnen und Piloten in einer Abstimmung das vorliegende GAV-Angebot deutlich abgelehnt. Sie verlangen weitere Verbesserungen.

Linde-Reinigerinnen

LANGER ATEM: Die Bieler Hirslanden-Reinigerinnen errangen nach sieben Monaten eine Abfindung. (FOTO: UNIA)

Kurz vor Weihnachten letztes Jahr stellte das Bieler Spital Linde – es gehört zur milliardenschweren Hirslanden-Gruppe – sieben Reinigerinnen auf die Strasse. Sie sollten nach zum Teil 14, 25 oder gar 30 Jahren Firmenzugehörigkeit für weniger Lohn die gleiche Arbeit machen – angestellt von einer Drittfirma. Unterstützt von der Unia, wehrten sie sich. Nach zähem Ringen mit den Linde-Verantwortlichen kam es jetzt nach sieben Monaten zu einer Einigung. Die Reinigungsfrauen erhalten Entschädigungen zwischen 6000 und 10 000 Franken. Angeboten hatte die Hirslanden-Klinik ursprünglich gerademal 400 Franken während sechs Monaten. Unia-Regionalsekretär Alain Zahler sagt dazu: «Der Kampf hat sich gelohnt. Damit ist das Spital seiner sozialen Verantwortung zumindest teilweise nachgekommen.»

Coiffeur-Gewerbe

Dringend nötig: In der Coiffeurbranche steigen die Löhne um 50 Franken pro Monat. (FOTO: KEYSTONE)

Der Job der Coiffeusen und Coiffeure ist hart: Sie arbeiten den ganzen Tag stehend und hantieren mit gesundheitsschädigenden Substanzen. Dafür benötigen sie fundierte Kenntnisse – trotzdem sind die Löhne so tief, dass sie sich selbst kaum einen Haarschnitt leisten können. Jetzt haben die Unia und der Arbeitgeberverband Coiffure Suisse sich darauf geeinigt, den alten GAV bis Ende 2023 zu verlängern, und haben die GAV-Mindestlöhne angepasst. Ab dem 1. Januar 2023 steigen diese in allen Berufskategorien um 50 Franken pro Monat, also um 600 Franken im Jahr. Gleichzeitig laufen seit Juli Verhandlungen zu einem neuen GAV, der die Arbeitsbedingungen in der Branche deutlich verbessern soll. Denn immer mehr Coiffeusen und Coiffeure verlassen ihren Beruf. Die Unia-Mitglieder haben unter anderem folgende Forderungen aufgestellt: deutlich höhere Mindestlöhne, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf (etwa 2 × 2 zusammenhängende freie Tage pro Monat, mindestens 12 freie Samstage pro Jahr), die 40-Stunden-Woche und deutlich mehr Kontrollen der Arbeitsbedingungen.

Novartis

Marschhalt: Die Unia stellt sich gegen den Abbau von 1400 Novartis-Stellen in der Schweiz. (FOTO: UNIA)

Seit 25 Jahren erhöht der Pharmamulti Novartis Jahr für Jahr die Dividenden (s. Geldregen für Chefs, Brösmeli für Büezer). Um den Profit noch weiter zu steigern, will der Konzern weltweit 8000 Stellen abbauen, davon 1400 in der Schweiz. Angekündigt hat das der Konzern kurz vor den Sommerferien. Wahrscheinlich, um damit das obligatorische Konsultationsverfahren zu erschweren. Die Unia hat dagegen energisch protestiert und bei der Novartis-Leitung interveniert. Nächste Woche treffen sich die Unia-Mitglieder der Novartis digital zu einer Konferenz, an der das weitere Vorgehen besprochen wird. Weil vom angekündigten Stellenabbau auch europäische Novartis-Standorte betroffen sind, schloss sich die Unia mit ihren Schwestergewerkschaften kurz. Übrigens: wie wertvoll echte Konsultationsverfahren sind, zeigt gerade ein Beispiel bei Novartis. 2011 wollte der Konzern in Nyon 320 Stellen streichen. Den Mitarbeitenden gelang es, zusammen mit der Unia alle Jobs zu retten.

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