Spital Einsiedeln wird vom umstrittenen Ameos-Konzern geführt

Assistenz-Docs weg, schwere Vorwürfe

Clemens Studer

Im Spital des idyllischen Klosterdorfs Einsiedeln ist der Teufel los. Die Assistenzärztinnen und -ärzte haben geschlossen gekündigt. Die Pflegenden melden illegale Praktiken. Dahinter steckt mehr als lokales Versagen.

UNMENSCHLICH: Profite interessieren Ameos mehr als Patientinnen und Patienten. (FOTO: PD)

Sieben Assistenzärztinnen und -ärzte arbeiten im Spital Einsiedeln SZ (84 Betten). Noch. Denn alle haben auf einen Schlag gekündigt, wie der Hausarzt und Schwyzer SP-Kantonsrat Antoine Chaix publikmachte. Sie haben genug davon, regelmässig mehr als die erlaubten 50 Stunden pro Woche arbeiten zu müssen. Und die obligatorischen Weiterbildungen nicht machen zu können. Grund dafür ist der seit Jahren andauernde Personalabbau auf allen Ebenen.

PERSONALMANGEL

Die Vorwürfe der Assistenzärztinnen und -ärzte scheinen nur die Spitze des Eisberges zu sein. In «20 Minuten» berichtet die diplomierte Pflegefachfrau Samira C. – wie sie «20 Minuten» anonymisiert – als Sprecherin einer 21köpfigen Gruppe von Pflegenden über weitere Missstände. Pflegepersonal habe mehrmals Doppelschichten einlegen müssen, weil die Schichten nicht hätten besetzt werden können. «Und beim Verabreichen von Betäubungsmitteln müssten immer zwei Pflegefachpersonen die Dosierung kontrollieren. Sehr oft wurde die zweite Unterschrift gefälscht, also nicht gegenkontrol­liert, da zu wenig Personal im Dienst war. Die Leitung hat das so hingenommen.» Und weiter sagt Samira C., die laut «20 Minuten» unterdessen nicht mehr im Spital Einsiedeln arbeitet: «Weil die Leitung das komplette Hilfspersonal aus Kostengründen entlassen hat, haben die Pflegenden ihre Arbeit nicht mehr richtig machen können.» Konkret habe das bedeutet: «Es muss zu jeder Zeit immer mindestens eine diplomierte Pflegefachperson auf einer Station sein. Wenn eine andere Station Unterstützung benötigte, musste die zuständige Pflegefachperson die Station verlassen. Wegen Personalmangel wurden dann die Stationen oft von Fachleuten Gesundheit (FaGe) oder Auszubildenden betreut – das ist illegal!»

Die Leitung hat das komplette Hilfspersonal entlassen.

SYSTEM AMEOS

Doch hinter den Zuständen in Einsiedeln steht mehr als blosses lokales Versagen. Sie sind die Folgen eines Systems. Und dieses System heisst Ameos. Die Ameos-Gruppe ist ein Konzern, dessen Geschäftsmodell darin besteht, öffentliche Spitäler, die den Trägerschaften «zu teuer» geworden sind, zu übernehmen und «fit» zu trimmen. Auf Kosten der Mitarbeitenden – von der Kantine bis in den Operationssaal.

Nach der Übernahme des Spitals Einsiedeln im Mai 2022 stellte Ameos als eine der ersten Amtshandlungen das spitaleigene Res­taurant auf Selbstbedienung um und entliess fünf langjährige Mitarbeitende – vier ­davon waren über 58 Jahre alt. Und bereits damals musste das Spital auf Verstösse gegen das Arbeitsgesetz hingewiesen werden. Trotzdem wurde weiter Personal abgebaut.

Ameos wurde 2002 gegründet und war lange mehrheitlich im Besitz des US-amerikanischen Investmentfonds Carlyle Group. Einer «Heuschrecke», deren einziges Interesse ist, möglichst viel Profit aus dem angelegten Kapital zu schlagen. Im vergangenen Jahr machte Ameos einen Umsatz von über einer Milliarde Euro. Hauptsächlich ist die Gruppe in Deutschland tätig. Nach eigenen Angaben betreibt sie an 58 Standorten 10’000 Betten und beschäftigt 18’000 Menschen. In Deutschland stehen Kliniken und Einrichtungen von Ameos immer wieder in massiver Kritik. Auch von den Gewerkschaften. Ameos-Mitarbeitende haben, unterstützt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, schon zahlreiche Arbeitskämpfe ausgefochten. Etliche auch mit Streiks. So legten 2020 die Beschäftigten der Ameos-Kliniken in Sachsen-Anhalt mehrere Wochen lang die Arbeit nieder. Eine Pflegerin hat dazu ein eindrückliches Tagebuch geschrieben (rebrand.ly/streiktagebuch).

Übrigens: Gemietet hat Ameos das Einsiedler Spital von der «Stiftung Krankenhaus Maria zum finsteren Wald». Und: Ameos weist alle Vorwürfe zurück.

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