Amherd lügt, Berset fliegt:

Wen interessiert was?

Clemens Studer

Es gibt da ein Medien-Bonmot aus alten Zeiten, das lautet: «Hund beisst Mann» ist keine Schlagzeile «Mann beisst Hund» schon. Im Sommer 2022 lautete das Motto der vereinigten Aargauer und Zürcher Zentralredaktionen: «Bundesrätin lügt» ist keine Schlagzeile, «Bundesrat fliegt» dagegen tagelang.

WAS PASSIERT IST:

FOTO: KEYSTONE

Innenminister Alain Berset flog mit einem Kleinflugzeug nach Frankreich. Und wurde von der Luftwaffe zum Landen gezwungen. Offensichtlich hatte er auf Funksprüche nicht ­reagiert. Auf dem Boden klärte sich die Sache rasch. Und wurde an die Medien durchgestochen. Was folgte, war eine Kaskade von ­Berichten, «Experten»-Ana­lysen, schlüpfrigem Geraune – und Rücktrittsforderungen. Tage später stellte sich dann heraus: die französische Flugsicherung hatte Berset mit einem Buchstabendreher angefunkt. Also quasi «Müller» statt «Meier» gerufen. Kein Fehler von Berset. Vor allem aber auch: keine Entschuldigung, nicht einmal ein bisschen Zerknirschtheit der Rücktrittsforderer und Räuberpistolen-Erzähler.

WAS AUCH PASSIERT IST:

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VBS-Chefin Viola Amherd wurde durch eine hartnäckige Recherche von Radio SRF der Lüge überführt. Ohne dass die anständigen SRG-Journalistinnen und -Journalisten das so gesagt hätten. Fakt ist: Amherd hatte bewusst den Eindruck erweckt, das Aussen- und das Finanzdepartement hätten hinter ihrem Rücken mit Frankreich über politische Gegen­geschäfte beim Kauf von Kampfflugzeugen gesprochen. Und damit die nachhaltige Verärgerung unseres westlichen Nachbarn verschuldet, weil zum Zeitpunkt der Verhandlungen der Entscheid für den US-Tarnkappenbomber F-35 schon gefallen sei. Dabei hatte Amherd die Verhandlungen selber angeregt. Das ist nur eine weitere Episode im immer fragwürdigeren Entscheidungsprozess zur Beschaffung neuer Kampfjets. Reaktion der vereinigten Aargauer und Zürcher Zentralredaktionen: gelinde gesagt bescheiden.

WAS KOMMT: Das Volk wird das letzte Wort haben, ob die Schweiz einen von den USA fernsteuer­baren Jet will oder einen anderen. Bis dahin werden weitere parlamentarische Untersuchungsberichte veröffentlicht. Wer weiss, wenn Berset bis dahin nicht fliegt, haben die Zentralredaktionen eventuell Kapazitäten, sich mit den vielen offenen Fragen um Amherds Milliardengeschäft zu beschäftigen.

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