Er lehrte die SBB-Oberen das Fürchten:

Bähnli-Bosshard

Marie-Josée Kuhn

Ferro-Erotiker nannten wir all diese Herren, denen nichts so grosse Lust bereitet wie Eisenbahnen. Der NZZ-Bahnjournalist Hans Bosshard war einer von ihnen.

Ich sehe die Szenerie noch vor mir, als wär’s gestern gewesen: Immer, wenn die SBB-Oberen zu einer Medienkonferenz luden, mussten sie zittern. Denn bange stand die Frage im Raum: Würde er auch kommen? Würde D E R Hans Bosshard auch da sein? Und wie immer die Fragestunde eröffnen und sie ­löchern, korrigieren, kritisieren, ja blamieren? Und da kam der Mann auch schon zur Türe herein! Zum grossen Gaudi der anderen Journalistinnen und Journalisten.

bd. war einer der schärfsten SBB-Kritiker.

BAHNBLUT

Bosshard (alias bd.) war Eisenbahner, bevor er Journalist wurde: Betriebslehre und Sta­tionsdienst bei den SBB. Dann Parteisekretär bei der FDP Zürich. Von 1966 bis 2003 schliesslich der «Bähnli-Bosshard» bei der NZZ. Kein anderes Medium leistete sich diesen Luxus einer Bahnstelle. Aber im Bahnland Schweiz ist Herzblut eben auch Bahnblut. Mit solchem schrieb Bosshard mit Sohn Jakob 2005 auch den Fotoband «Unsterbliche Dampflokomotiven». Und liess damit das Herz der «Steamer» in aller Welt höherschlagen. «Ist der Band doch die Frucht fast 40jähriger Ent­deckungsreisen auf den Balkan und nach Anatolien, vom Schwarzen Meer bis zum Indischen Ozean, von Kapstadt an die Viktoriafälle und zu den Elefanten Simbabwes», wie die NZZ-Eigenwerbung wusste.

Reisen, die einzig dem Zweck dienten, die eindrücklichsten Dampflokomotiven der Welt vor ihrem Verschwinden fotografisch und mit allen technischen Daten noch einmal festzuhalten.

PENDOLINI-PANNEN

Als Expertenkataloge lesen sich auch die vielen Artikel, die Bosshard über die Jahre veröffentlicht hat: Da geht es um Achsenfolgen, Baujahre, Stellwerk-, Fahrleitungs-, Fahrzeug- und andere Störungen, Vibrationen der IC-Doppelstockwagen, das unzuverlässige Zugüberwachungs- und -beeinflussungssystem (ZUB), RBe-4/4-Triebwagen und Re-4/4-II- und Ae-6/6-Lokomotiven, den taktlosen Taktfahrplan und die berühmt-berüchtigten Pendolino-Pannen. Im August 1997 schrieb bd.: «Am Sonntag abend ist ein ‹Pendolino›-Zug gegen zwei Stunden lang in der Leventina steckengeblieben. Statt um 21 Uhr 53 wurde Zürich erst 19 Minuten nach Mitternacht erreicht. (…) Nach einem Halt wegen Druckabfalls in der Hauptluftleitung in Rivera-Bironico fiel vor Airolo eine zweite Einheit aus. Ausserdem funktionierte die Kompressorenanlage nicht mehr, wodurch die Bremsen blockierten. Dass die Abschleppaktion so lange dauerte, lässt vermuten, dass die Montage der Hilfskupplung zwischen der Schraubenkupplung der herbeigeholten Lokomotive und der automatischen Kupplung des Triebzuges Mühe bereitete.»

DER SKALP

Woher wusste Bosshard das bloss? Connections! Der Mann hatte ein effizientes Netzwerk in die Höhle des SBB-Löwen hinein. So erinnert sich auch der ehemalige Chef­redaktor der Eisenbahngewerkschafts-Zeitung «SEV», Peter Moor: «Bosshard war so ­gefürchtet, weil er sich nicht damit zufriedengab, weniger zu wissen als die Spezialisten der SBB.» bd. war denn auch ihr schärfster Kritiker. 2013, als es bahnmässig in der Bevölkerung gerade brodelte, schrieb er gegen den damaligen SBB-CEO Meyer so: «Dass Meyers nur gut halb so teurer Vorgänger Benedikt Weibel bei solcher Stimmung auf seinem Posten ausgeharrt hätte, ist schwer vorstellbar.» Und schon im Dezember 2001 stellte Bosshard die Frage: «Muss Lalive gehen?» Er schrieb gegen den «uneinsichtigen», «fundamentalistischen» und ersten SBB-VR-Präsidenten an. Seines Zeichens ebenfalls FDP-Parteigänger. Nur: Als Bahnminister Moritz Leuenberger diesen 2008 schliesslich fallenliess, konnte Bosshard den erbeuteten Skalp in der NZZ nicht mehr feiern. Da war der gefürchtete Bahn­erotiker nämlich längst über alle Bahnberge. Im Unruhestand.

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