Editorial

Zur Sonne, zur ­Freiheit

Marie-Josée Kuhn

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Nicht oft, aber unverhofft. Und jetzt gerade im Wallis. Genauer im Bergdorf Grengiols, das sie «Grängelsch» aussprechen. Das Bergdorf mit rund 450 Seelen ist berühmt für seine wildgelben Tulpen, die «Grängijer Tulpa». Und neuerdings auch für seinen Gemeindepräsidenten Armin Zeiter. Er ist ein Mann, der sich traut. Und will im Sa­flischtal die solare Revolution einläuten. Sie heisst Grengiols Solar. An den Sonnen­hängen des Hochtals soll auf rund fünf Quadrat­kilo­metern der grösste Solarpark der Schweiz entstehen. Zeiter sagt: «Eine sensationelle Idee!»

Grengiols Solar soll punkto Effizienz und Output nämlich fast alles in den Schatten stellen. Die
in der Schweiz wenig potente Windenergie. Aber auch die Wasserkraft. Und den Atomstrom sowieso. Das sagt der Mann, der die Idee für Grengiols Solar im Februar in der Walliser Oppositionszeitung «Rote Anneliese» lanciert hat: der Hotelier und Ex-SP-Präsident Peter Bodenmann. Seit Jahren macht er sich mit Feuer und Flamme und Furor für den ökosozialen Umbau stark.

Seit Jahren auch im work, in der Rubrik «Rosa Zukunft». Bereits 2018 hielt er dort fest: «Bifaziale Solarmodule produzieren sowohl mit ihrer Vorder- als auch mit ihrer Rückseite Strom. Sie kosten heute praktisch gleich viel wie traditionelle Module. Obwohl sie viel mehr Strom produzieren, vorab, wenn man sie in den Alpen auf über 2000 Metern installiert. Bisher hat man das alpine Potential vernachlässigt.» Das hat sich ­nun schlagartig geändert.

Plötzlich scheint die solare Revolution machbar.

BODENMANN UND DIE BIFAZIALEN. Grengiols Solar ist in aller Munde. Und schon zeigen die Energiekonzerne Alpiq und Axpo Interesse. So wie der Basler Energieversorger IWB auch. Angetan vom Grossprojekt ist auch Ex-FDP-Bundesrat Pascal Couchepin. Er hat sich bei Peter Bodenmann gemeldet, wie dieser im grossen work-Interview erzählt (Seiten 4 – 6). In Grengiols sollen bereits 90 Prozent der Leute hinter Grengiols Solar stehen. Sagt Zeiter. Und im ganzen Oberwallis schon 80 Prozent. Die «Rote Anneliese» hat offenbar voll eingeschlagen. Bereits karikiert der Walliser «Nouvelliste» Bodenmann als bifazialen Sandwichman, wie er durchs Alpental zieht – und eine Kuh kommt nicht aus dem Staunen raus. Bereits nennen sie ihn «Peter bifazial». Für einen, der mit seinem Gottvertrauen in die Segnungen des technologischen Fortschritts bisher eher ein einsamer Rufer in der linken Wüste war, ist das nicht nichts. Seine frohe Botschaft: «Die Schweiz muss ein Winterloch von 25 Milliarden Kilowattstunden stopfen. Und das könnten wir mit rund 25 Anlagen in der Grössenordnung von Grengiols.»

ZUR SONNE, ZUR ZUKUNFT. Und damit zur Freiheit. Zur Befreiung von russischem Gas und Öl. Heute aktueller denn je. Und plötzlich scheint das auch machbar. Erst noch finanzierbar. Wären da nicht die Landschaftsschützer vom Dienst. Zum Beispiel Raimund Rodewald, der Geschäftsführer der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Er hält Grengiols Solar für «reinen Gigantismus». Solche Projekte würden dem sauberen Ruf der Solar­energie schaden. Das sagt ausgerechnet der Mann, der zusammen mit anderen unter der Ägide von Bundesrätin Simonetta Sommaruga das Chummiborttal mit einer grossen Staumauer unter Wasser setzen will. Dieses Hochtal im Landschaftspark Binntal gehört ebenfalls zum stolzen Gemeindebesitz von Grengiols. Eine Pikanterie, die Bodenmann im work ebenfalls enthüllt.

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