Das Abstimmungswochenende hat aus gewerkschaftlicher Sicht ein paar Erfolge gebracht, aber leider auch etliche Niederlagen. Einige ausgewählte Resultate.
SIEG FÜR DIE SCHWÄCHSTEN: Das Ja zur «City Card» gibt Papierlosen in Zürich Hoffnung, sich künftig gegen Ausbeutung und Gewalt wehren zu können. (Keystone)
NATIONAL:
Transplantationsgesetz: Wer keine Organe spenden will, muss dies künftig ausdrücklich festhalten. Filmgesetz: Die internationalen Streamingdienste können künftig in der Schweiz nicht einfach nur abkassieren – sondern müssen in das heimische Filmschaffen investieren. Frontex: Die Schweiz bezahlt noch mehr Millionen an die korruptionsumwitterte und menschenrechtsverletzende EU-Grenzwachtorganisation Frontex. Dafür eingesetzt hat sich an vorderster Front die «Operation Libero» mit dem zynischsten Sujet der ganzen Kampagne: einem rettenden Handschlag. Wo es doch gerade um das Gegenteil geht: das Zurückstossen von Fliehenden zu Lande und zu Wasser. Die Abschottungspolitik der EU kostete seit 1993 über 44’000 Menschenleben. Und schafft unendliches Leid (siehe auch die Exklusiv-Reportage von der Balkanroute auf den Seiten 10 – 11).
Die Stadtzürcher Bevölkerung sagt Ja zur «Züri City Card».
STADT ZÜRICH:
City Card: Trotz dem massiven rechten Sperrfeuer, das von den lokalen Ablegern der nationalen Medienkonzerne unterstützt wurde, hat die Stadtzürcher Bevölkerung Ja zur «Züri City Card» gesagt. Die City-Card ist eine städtische Identitätskarte, mit der sich alle Menschen, die in der Stadt Zürich wohnen, ausweisen und so ihre Grundrechte wahrnehmen können – unabhängig von ihrem aktuellen Aufenthaltsstatus. Für Sans-papiers ist das existentiell. Werden sie Opfer von Gewalt und Ausbeutung und können sich nicht ausweisen, können sie auch keine Anzeige erstatten. Und sie können selber keinen Handyvertrag abschliessen, keine eigene Wohnung mieten und riskieren ihre Ausschaffung, wenn sie sich ärztlich behandeln lassen. Wenn sich jetzt – so die Idee – auch viele offiziell in der Stadt Zürich niedergelassene Menschen mit der City Card ausweisen, lässt sich auch kein Rückschluss mehr auf den Aufenthaltsstatus ziehen.
KANTON ZÜRICH
Elternzeit-Initiative: Mit nur gerade 14 Wochen Mutterschutz und 2 Wochen Vaterschaftsurlaub hinkt die Schweiz ihren Nachbarländern und anderen europäischen Staaten meilenweit hinterher. Zumindest für den Kanton Zürich wollte das eine von den Gewerkschaften unterstützte SP-Initiative ändern. Sie verlangte eine Elternzeit von je 18 Wochen für Mutter und Vater. Die rechten Parteien bekämpften sie – und hatten Erfolg. Bemerkenswert, aber nicht überraschend: Die rechten Grünen von der GLP gehen zwar mit der Forderung nach einer paritätischen Elternzeit schweizweit auf Stimmenfang, aber wenn’s konkret wird, schlagen sie sich auf die Seite der reaktionären Wirtschaftsverbände. Im Zürcher Kantonsrat versenkten sie einen Kompromiss, der 14 Wochen vorsah. Und für die Initiative setzten sie sich auch in der Volksabstimmung nicht ein.
ST. GALLEN
Ladenöffnungszeiten: Shoppen auch am Tag des Herrn – wegen des Klosters. So kann die St. Galler Sonntagsverkaufsregelung zusammengefasst werden. In einem sogenannten Tourismus-Perimeter dürfen die Läden montags bis samstags von 6 bis 20 Uhr und am Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet sein. Das beschloss die Stadtregierung im Jahr 2020 eigenmächtig. Eine Initiative der fortschrittlichen Parteien und der Gewerkschaften wollte das korrigieren. Sie kam knapp nicht durch – ebenso wenig wie ein Gegenvorschlag, der wenigstens den Sonntag verkaufsfrei halten wollte.
AARGAU
Steuern I: Dem Kanton und den Gemeinden fehlen wegen einer Steuergesetzrevision künftig jährlich 123 Millionen Franken. Eine entsprechende Vorlage wurde an der Urne gutgeheissen. Die 123 Millionen kassieren jetzt in erster Linie die 1300 profitabelsten Firmen. Bezahlen für die Ausfälle werden alle müssen, mit höheren Gebühren und Gemeindesteuern.
SOLOTHURN
Steuern II: Auch im Kanton Solothurn sinken die Steuern. Wenn auch nicht ganz so radikal, wie ein nur von der SVP unterstütztes Initiativkomitee wollte. Der Gegenvorschlag von Regierung und Parlament machte mit einem Zufallsmehr das Rennen. Obwohl die Mehrheit der Gemeinden dagegen war. Jetzt fehlen Kanton und Gemeinden mindestens 60 Millionen pro Jahr in den Kassen. Bei der Initiative wären es 270 Millionen gewesen. Sozialhilfe I: Keine Chance hatte eine SVP-Initiative, die Geflüchteten noch weniger Sozialhilfe bezahlen wollte als jetzt schon.
BASEL-LAND
Sozialhilfe II: Pech haben dagegen auf Sozialhilfe Angewiesene im Kanton Basel-Land. Vom sowieso schon zu tiefen Grundbedarf werden ihnen nach 2 Jahren erfolgloser Stellensuche noch einmal 40 Franken pro Monat abgezogen. «Aus Motivationsgründen», so die zynische Argumentation der rechten Parteien. SP und Grüne haben sich zusammen unter anderem mit Hilfswerken und den katholischen Kirchgemeinden gewehrt.