Kita-Regelungen:

Nationales Chrüsimüsi

Anne-Sophie Zbinden

Bei der familienergänzenden Kinderbetreuung herrscht ­Kantönligeist par excellence.

BEZAHLBARE KINDERBETREUUNG: Es braucht erschwingliche Kita-Plätze, zur Entlastung von Familien und für die Gleichstellung. (Foto: Keystone)

Die Coronakrise hat deutlich gezeigt: Kitas sind systemrelevant. Sind sie zu, kann auch die Ärztin nicht mehr helfen und der Bäcker unser Brot nicht mehr backen. Doch Kitas sind noch mehr: Sie sind zentral für die Gleichstellung und für die Chancengleichheit. Und die Nachfrage nach Kita-Plätzen steigt kontinuierlich. Zum Beispiel im Kanton Bern: Im Jahr 2017 gab es 305 Kitas, 2021 waren es bereits 350. Gleichzeitig besteht ein enormer Personalmangel. Dies ist nicht nur auf die gesteigerte Nachfrage, sondern auch auf Berufsaussteigerinnen zurückzuführen. Im Kanton Bern verlassen 20 Prozent der Lehrabgängerinnen und -abgänger bereits nach drei Jahren den Beruf. Was läuft da schief?

Kitas gehören nicht zum öffentlichen Bildungssystem.

VIELE OHNE AUSBILDUNG

Nationale Aussagen dazu sind schwierig zu machen, denn Kitas gehören nicht zum öffentlichen Bildungssystem. Auch deshalb herrscht im Kita-Bereich in der Schweiz das reinste Chrüsimüsi. So etwa beim Betreuungsschlüssel, also der Anzahl der zu betreuenden Kinder pro Mitarbeiterin. Diese Zahl variiert zwischen 3 und 5 Kindern pro Betreuerin (Kinder bis 12 Monate). Bei den grösseren Kindern (1 bis 5 Jahre) sind die kantonalen Unterschiede noch frappanter, nämlich zwischen 3 und 15 Kindern pro Betreuerin. ­Eines ist jedoch fast in allen Kantonen gleich: Das reiche Bildungsland Schweiz nimmt in Kauf, dass die Hälfte der Betreuenden keine Fachausbildung haben müssen.

Auch zu den Löhnen gibt es keine nationalen Erhebungen. Die Unterschiede dürften jedoch auch hier sehr gross sein. In der Stadt Zürich, wo eine extreme Personal­knappheit herrscht, liegt der Durchschnittslohn einer Fachperson Betreuung bei 4760 Franken brutto, im Kanton Bern hingegen bei 4300 Franken.

Eine Umfrage der Gewerkschaft VPOD mit 714 Kita-Mitarbeitenden aus der Deutschschweiz (April 2021) hat gezeigt: Knapp 80 Prozent der Befragten fühlen sich bei der Arbeit gestresst. Haupt­ursache sind der Personalmangel sowie die generelle Unterfinanzierung der Kitas. Der Stress hat für einen Viertel der Befragten auch gesundheitliche Konsequenzen. Nicht zuletzt aufgrund des hohen Lärmpegels, der in anderen Branchen zum Tragen eines Gehörschutzes verpflichten würde.

Kita-Initiative: Jetzt unterschreiben!

Damit mehr Familien von bezahlbaren Kita-Plätzen profi­tieren können und sich zudem die ­Arbeitsbedingungen für die ­Betreuerinnen verbessern, hat ein überparteiliches ­Komitee jetzt die ­«Kita-Initiative» ­lanciert. ­Einen Unterschriftenbogen finden Sie hier: gute-kitas.ch

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