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Vollautomatischer Güterverkehr auf Schienen: Eine neue Erfindung aus den USA kommt ganz ohne Lokomotive aus

Ehemalige Raketen-Ingenieure und -Ingenieurinnen haben ein vollautomatisches Container-System entwickelt, das die ­Lastwagen von der Strasse jagen soll: Den bestehenden Güter­zügen sei es haushoch überlegen, behaupten sie.

PARALELL SYSTEMS: Verlagern diese Frauen und Männer, diese US-amerikanischen Jungspunde, die Güter von der Strasse auf die Schiene? (Foto: Parallel Systems)

Der ehemalige SBB-Chef Benedikt Weibel hat schon wieder ein Buch geschrieben. Bei Beppo dreht sich immer alles um die Mobilität, um die Eisenbahnen. Er möchte, dass die SBB morgen so vollautomatisch funktionieren wie Modelleisenbahnen heute. Sollte eigentlich mög-
lich sein.

Für Weibel ist es sinnvoll, wenn wir die Güter über kurze Distanzen von der Schiene auf die Strasse verlagern. Elektrolastwagen werden hier nächstens nämlich den Güterverkehr übernehmen. Und über eine modifizierte Schwerverkehrsabgabe die Schiene etwas quer­subventionieren.

Aus den USA kommt eine neue, gegenteilige Idee. Ehemalige Rake­ten­ingenieurinnen und -ingenieure, die für den Tesla-Unternehmer Elon Musk gearbeitet haben, wollen mit ihrem Start-up Parallel Systems den Güterverkehr auf der Schiene neu erfinden.

BAUSTEIN 1: Für alle mit diesem System transportierten Güter werden 40-Fuss-Normcontainer verwendet. Die Innenmasse dieser Container – und nur auf die kommt es an: 12,03 Meter lang. 2,35 Meter breit. Und 2,39 Meter hoch. Mit dem Volumen von 67 Kubikmetern können 26,5 Tonnen transportiert werden.

BAUSTEIN 2: Pro Container, den ­­wir bewegen wollen, braucht es jeweils zwei fahrbare Untersätze, die mit Batterien und viel Technik ausgestattet sind. Mit diesen kann jeder ­einzelne Container autonom bewegt werden.

BAUSTEIN 3: Mehrere fahrbare Container lassen sich vollautomatisch zu Zügen zusammenkoppeln.

BAUSTEIN 4: Das Beladen und Ent­laden ist einfach und kostengünstig, weil es ohne Lokomotiven, ohne Lokführende und ohne Rangierarbeiter geht.

Die Entwickler rühmen die Vorteile des Systems:

VORTEIL 1: Ein Container rollt mit den zwei Untersätzen 800 Kilometer weit, bevor seine Batterien vollautomatisch wieder aufgeladen werden müssen. Die Strecke vom italie­nischen Genua nach Oftringen AG misst weniger als 450 Kilometer.

VORTEIL 2: Der Luftwiderstand und somit der Energieverbrauch ist bei tiefen Geschwindigkeiten viel kleiner als bei bestehenden Güterzügen, weil der Abstand von einem Container zum nächsten kleiner wird.

VORTEIL 3: Bremsen kann man mit allen acht Rädern, die einen Container bewegen, gleichzeitig – und so Energie zurückgewinnen. Der Bremsweg ist zehn Mal kürzer als bei einem Zug. In den USA jedenfalls senkt dies die Zahl der Unfälle.

VORTEIL 4: Alles soll viel billiger werden. Und die Schiene soll die Lastwagen von der Strasse jagen, auch auf relativ kurzen Distanzen.

Das ganze System kann nur funktionieren, wenn sich neue Zugleitsysteme durchsetzen. Hier ist China inzwischen am weitesten.

Einige Fragen haben die US-Ingenieure trotz schriftlicher Nachfrage nicht beantwortet: Wie schnell können Container bewegt werden? Wie laut sind die fahrbaren Untersätze?

Die Gründer des Start-ups Parallel Systems konnten immerhin 50 Millionen Dollar Wagniskapital einsammeln. Die Erfahrung lehrt: Von zehn Start-ups wird bestenfalls eines wirklich erfolgreich. Dieses mutiert zum Einhorn, einem Unternehmen, das mehr als eine Milliarde Umsatz macht. Zwei der Start-ups vegetieren in Nischen vor sich hin. Und die restlichen sieben gibt es bald einmal nicht mehr.

Lange Zeit verbreiteten nicht nur Journalisten folgenden Chabis: In der Schweiz könne man trotz bester Technik gar keine Züge mehr bauen. Wegen der hohen Lohnkosten! Zugbauer Peter Spuhler kaufte das in der Schweiz vorhandene Know-how zusammen und bewies mit seiner Stadler Rail das Gegenteil.

Vielleicht wird sich Spuhler auch Parallel Systems krallen. Könnte nicht schaden.

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