Traditionskonzern Saurer schliesst die Fabriktore in Arbon TG …

… und Köbi Auer ist untröstlich

Ralph Hug

Der Saurer-Konzern hat die Stickmaschinen-Sparte ­verkauft, ohne Rücksicht auf die Büezerinnen und Büezer. Das trifft auch Betriebskommissions­präsident Köbi Auer (61). Und zwar mitten ins Herz.

AUS UND VORBEI: Saurer-Büezer und Unia-Mann Köbi Auer in den leeren Fabrikhallen in Arbon. Über 40 Jahre lang hat er hier gearbeitet. (Foto: rh)

Über 40 Jahre war Unia-Mitglied Köbi Auer bei Saurer. Keiner kennt den Betrieb besser als er. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass langjährige Saurer-Büezer bei ihrer Entlassung von einem Spezialprogramm für über 58jährige profitieren können. Jetzt trifft es ihn selber. Ausgerechnet!

HERZLOSE MANAGER

Auer steht an diesem tristen Montagnachmittag Ende April in den Werkhallen von Saurer in Arbon TG. Sie sind praktisch leer. Da und dort stehen noch Paletten mit Maschinenteilen herum. Dar­auf der Name «Epoca». So heisst Saurers Hochleistungs-Stickautomat. Er galt als der beste der Welt. Jetzt gehört «Epoca» Saurers schärfstem Konkurrenten: Die Franz Lässer AG aus dem rheintalischen Diepoldsau hat die Sparte «Embroidery» von Saurer übernommen und ist jetzt globaler Monopolist bei diesen Maschinen. Zehn Millionen Franken soll Patron Lässer auf den Tisch gelegt haben. Offiziell ist der Verkaufspreis nicht bekannt.

Die Betriebskommission hatte noch Pläne vorgelegt, wie das Stickmaschinengeschäft zu retten sei. Köbi Auer ist der Präsident dieser Kommission. Er sagt: «Wir haben sogar mehrere ernsthafte Interessenten präsentiert.» Aber Saurer wollte die Sparte los werden. Mehr interessierte die Manager nicht.

Dabei bemühten sie den Artikel 333 im Obligationenrecht. Dieser aus gewerkschaftlicher Sicht problematische Paragraph regelt die Betriebsübernahme. Dabei gehen bei einem Verkauf alle Vermögenswerte an den neuen Besitzer über. Personal inklusive.

Offiziell gibt es keine Kündigungen und keine Arbeitslosen. Und auch ein Sozialplan entfällt. Doch in der Praxis sieht es anders aus. Der Familienbetrieb Lässer untersteht keinem Gesamtarbeitsvertrag. Die Firma zahlt schlechtere Löhne als der Saurer-Konzern. Eine Sozialpartnerschaft kennt Lässer nicht.

HÄRTEFALL-FONDS

Rund die Hälfte der 45 betroffenen Saurer-Leute haben schon selber gekündigt, als die Übernahme letzten Dezember bekannt wurde. Inzwischen hat Lässer einigen übernommenen Saurer-Leuten gekündigt. Er könne sowieso nicht alle brauchen, hatte er im Vorfeld verlauten lassen. Ein halbes Dutzend von ihnen ist jetzt auf Jobsuche. Büezer Auer ist einer von ihnen.

Sein einziger Trost: Ein Fonds für Härtefälle übernimmt die Beiträge an die Krankentaggeldversicherung und die Pen­sionskasse und ermöglicht auch eine Frühpensionierungsrente. Das hatte die Betriebskommission unter Auers Ägide bei der letzten Abbauübung vor zwei Jahren durchgesetzt.

2012 hatte die chinesische Jinsheng-Gruppe Saurer gekauft. Befürchtungen, dass die Chinesen nur das Know-how abzügeln und den Standort Arbon bald dichtmachen würden, bewahrheiteten sich nicht. Und doch: Es war im Prinzip das Ende des Schweizer Traditionskonzerns, dessen Lastwagen und Stickmaschinen einst weltberühmt waren. Als Technologiekonzern existiert Saurer jedoch weiterhin. Weltweit stehen rund 4200 Mitarbeitende in seinen Diensten.

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