Streikführer Alex ­Tinoco fordert:

«Wir wollen mit Volcan verhandeln»

Ralph Hug

Streikführer Alex Tinoco (43) ist Minenarbeiter in der peruanischen Metallfördermine Andaychagua. Er ist aber auch Gewerkschafter und seit acht Wochen der Anführer beim dortigen Bergarbeiterstreik.

BERGBAU IN PERU: Die Region um die Mine Andaychagua im zentralen Hochland der Anden. (Foto: ZVG)

work: Wie hart sind die Arbeitsbedingungen in der Mine von Andaychagua?

Streikführer Alex Tinoco. (Foto: ZVG)

Alex Tinoco: Die Arbeitsbedingungen sind prekär, sowohl für die direkt von Volcan angestellten Arbeiter als auch für diejenigen von Subunternehmen. Alle arbeiten im 14×7-System (14 Tage Arbeit und 7 Tage frei). Der Arbeitstag umfasst eine 45minütige Snackpause. Für diese langen Arbeitstage benötigen wir hochwertige Lebensmittel. Wir erhalten jedoch nur vorgekochtes Essen, und mehrere Arbeiter haben deshalb Magenbeschwerden. Offenbar gibt es eine Ernährungsberaterin, die von Volcan angestellt ist, aber in der Praxis sehen wir ihre Arbeit nicht. Es fehlt eine ausgewogene Ernährung.

Im Minenlager wird zwischen direkten und untervergebenen Arbeitern unterschieden. Erstere leben in kleinen Einzelwohnungen (eine Person pro Wohnung), letztere leben in denselben Wohnungen, aber in Gruppen bis zu 6 Personen pro Wohnung. Wo Festangestellte gewerkschaftlich organisiert sind, kommt es immer wieder zu Schikanen. Die Leiharbeiter üben im Bergwerk die risikoreichsten Tätigkeiten aus, zum Beispiel Sprengungen in den Tunneln. Diese liegen mehr als 900 Meter unter der Oberfläche und sind kaum belüftet.

Wie sehen die Verträge der Leiharbeiter aus?
Sie müssen alle drei oder vier Monate erneuert werden. Viele arbeiten schon mehr als vier Jahre unter einem solchen Regime, das eine richtige Lebensplanung verhindert. Ausserdem fehlt den Leiharbeitern jeder gewerkschaftliche Schutz. Für die Unternehmen ist es so sehr einfach, die Gewerkschaften fernzuhalten. Man droht den Leiharbeitern, den Vertrag nicht zu verlängern, wenn sie einer Gewerkschaft beitreten.

Haben Leiharbeiter niedrigere Löhne als Festangestellte?
Ja. Im Durchschnitt beträgt der Tageslohn eines ausgelagerten Arbeiters 45 Soles (10,5 Euro), der eines Festangestellten 120 Soles (28,4 Euro). Darüber hinaus gibt es im Unternehmen keine für uns einsehbare Lohntabelle. Es ist vorgekommen, dass einige Arbeitnehmer, die den Chefs nahestehen, mehr, und andere, die den Chefs nicht nahestehen, weniger Lohn erhalten haben.

Ist dies der erste Streik in Peru, der sich mit dem Problem der Leiharbeiter befasst? Ist er wegweisend?
Unserer Gewerkschaft können auch Leiharbeiter beitreten. Wir haben unsere Statuten entsprechend geändert und wurden deswegen prompt von Volcan angegriffen. Bei unserem Streik, der seit dem 21. Dezember 2021 andauert, geht es jedoch um Tarifverhandlungen für die direkten Beschäftigten der Bergbaueinheit Andaychagua. Wir haben die Leiharbeiter bewusst noch nicht einbezogen, weil wir uns erst als starke Gewerkschaft konsolidieren wollen, die in der Lage ist, dem Unternehmen die Stirn zu bieten, bevor wir Tarifverhandlungen auch für die Leiharbeiter führen.

Wenn sich Volcan nur schon weigert, Lohnverhandlungen mit den Festangestellten aufzunehmen, was wird dann passieren, wenn wir das nächste Mal solche auch für die Leiharbeiter vorschlagen? Darauf müssen wir vorbereitet sein. In Peru ist es für Leiharbeiter sehr schwierig, eine eigene Gewerkschaft zu gründen. Selbst wenn es sie gibt – und es gibt nur sehr wenige –, waren sie jeweils mit massiven Entlassungswellen konfrontiert. Deshalb haben wir in Andaychagua gesehen, dass es für die Leiharbeiter besser ist, einer bereits bestehenden Gewerkschaft, also unserer, beizutreten.

Hat sich Volcan im Zuge des Streiks bewegt?
Das Unternehmen weigert sich weiterhin, Tarifverhandlungen mit uns zu führen. Man war von Anfang an dagegen zu verhandeln, und genau aus diesem Grund streiken wir auch auf unbestimmte Zeit. Während des Arbeitskampfs lud uns die Arbeitsbehörde zu mehr als 30 Sitzungen ein, um zu schlichten. Aber Volcan weigerte sich stets, zu verhandeln. Jetzt hat die Arbeitsbehörde beschlossen, von einer ihr gesetzlich zustehenden Ausnahmebefugnis für bestimmte Streiks Gebrauch zu machen. In diesem Sinne muss die Arbeitsbehörde einen Schiedsspruch erlassen, um den Konflikt zu beenden. Wir hoffen, dass Volcan die Entscheidung der Arbeitsbehörde nicht vor Gericht anfechten wird, wenn sie zu unseren Gunsten ausfällt. Dies wäre ein weiterer Beweis für die mangelnde Bereitschaft zum Dialog.

Was unternimmt die sozialistische Regierung unter Pedro Castillo für die Andaychagua-Arbeiter?
Präsident Castillo selbst kann in einem solchen Konflikt nicht eingreifen. Die Stellen, die intervenieren können, sind das Arbeitsministerium und die Regionalregierung von Junín, dem Gebiet, in dem sich die Bergbaueinheit Andaychagua befindet. Wir haben auch einige Kongressmitglieder um Unterstützung gebeten, die uns voll und ganz zustimmen.

Sie konnten in Lima schon einen Erfolg verbuchen…
Ja, das Arbeitsministerium hat die Situation verfassungsrechtlich geprüft und festgestellt, dass wir das Recht auf Tarifverhandlungen haben und dass Volcan sich mit uns zusammensetzen muss. Die Regionalregierung von Junín hat ihrerseits arbeitnehmerfreundliche Erklärungen abgegeben. Aber einer der Beamten, genauer gesagt Efraín Cerron, Regionaldirektor für Arbeit von Junín, war einer derjenigen, mit denen wir am meisten zu kämpfen hatten, weil er uns gegenüber oft unnachgiebig und zögerlich war.

Was ist Ihre Forderung an Volcan bzw. Glencore?
Wir fordern Volcan von der Glencore-Gruppe auf, den eigenen Verhaltenscodex und die peruanischen Vorschriften einzuhalten und unser Recht auf Tarifverhandlungen nicht länger zu behindern. Es ist wichtig, dass die Gewerkschaften international im Kampf gegen schlechte Geschäftspraktiken zusammenstehen.


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