Steuergeschenk an Konzerne versenkt:

Stimmvolk bodigt das Grosskapital

Clemens Studer

Die Ablehnung des Stempelsteuer-Bschiss ist ein grosser Sieg für die Gewerkschaften und die fortschrittlichen Parteien. Und weist über den Tag hinaus. Trotz Nebelpetarden von rechts.

WAS FÜR EIN SIEG! Mit fast 63 Prozent Nein-Stimmen versenkte das Volk die neueste Steuererleichterung für Grosskonzerne deutlich. (Foto: Keystone)

Zum dritten Mal in den vergangenen fünf Jahren fällt eine Steuergeschenk-Vorlage für Konzerne und Reiche beim Volk durch. 62,67 Prozent der Stimmenden sagten Nein zur Abschaffung der Emis­sionssabgabe (alias Stempelsteuer) auf Aktienausgaben über 1 Million Franken.

Linker Erfolg I:

Von der nationalistischen SVP bis zu den antisozialen Grünen von der GLP weibelten alle geschlossen für das neue Steuergeschenk für Konzerne und die Finanzindus­­trie. Im Unterschied zu früheren Steuerabstimmungen, bei denen linke Referenden auch zum Beispiel von Städten oder Teilen der GLP unterstützt wurden, standen dieses Mal Gewerkschaften und fortschrittliche Parteien allein gegen die Millionen der Wirtschaftsverbände und ihrer Sponsoren. Dafür aber unter anderem mit Frontkämpferin und SP-Nationalrätin Jacqueline ­Badran (siehe Edito).

Linker Erfolg II:

Bereits mit der Lancierung erzielte das Referendum gegen die Abschaffung der Emissionsabgabe einen ersten Erfolg. Die rechte Mehrheit im Parlament sistierte die bereits aufgegleisten Abschaffungen der anderen beiden Stempelabgaben mit einem Steuerausfall von 2 Milliarden Franken jährlich. Mit einer Wiederaufnahme werden sie jetzt mindestens bis nach den nächsten eidgenössischen Wahlen warten müssen.

Linker Erfolg III:

Mit dem grossartigen Sieg vom 13. Febru­ar haben Gewerkschaften und fortschrittliche Parteien eindrücklich gezeigt, dass sie willens und in der Lage sind, auch ohne Millionen aus den Portokassen der Finanzindustrie und der Grosskonzerne wirkungsvolle und erfolgreiche Kampa­gnen gegen rechte Sozial- und Steuer­politik zu fahren.

Nebelpetarde I: «Volk wendet sich von der Wirtschaft ab»

Ebenso beliebt und gleich falsch ist die rechte und mediale Erzählung vom Volk, das sich von «der Wirtschaft» abwende, weil es «ihm zu gut geht». Erstens sind die Lohnabhängigen «die Wirtschaft». Sie erarbeiten den Mehrwert. Warum sollten sie sich von sich abwenden? Richtig ist: Immer mehr dieser Menschen leiden unter stagnierenden Löhnen und Renten, unter steigenden Krankenkassenprämien, Mieten und Abgaben. Sie haben weniger Geld im Portemonnaie. Ganz im Unterschied zu den «oberen Zehntausend». Denn Firmen, Kapitalbesitzende und Superverdienende wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit Steuergeschenken in Milliardenhöhe überschüttet.

Nebelpetarde II: «Übellauniges Stimmvolk wegen der Pandemie»

Total aus dem Häuschen waren einige Medienschaffende ob ihrer These, die Abschaffung der Emissionsabgabe sei eine Folge der Unzufriedenheit der Stimmenden mit den Coronabekämpfungsmassnahmen. Da seien neue Menschen poli­tisiert worden, die es dem Bundesrat ­zeigen wollten und darum gegen die Behörden stimmten. Ein Blick auf die Stimmbeteiligung genügt, um das als ­falsche Analyse zu entlarven. Die lag mit 44 Prozent auf Vor-Pandemie-Niveau.

Nebelpetarde III: «Ohrfeige für den Bundesrat»

Auch diese rechte und mediale Erzählung wird durch dauernde Wiederholung nicht richtiger: Wenn schon Ohr­fei­genwetter, dann für die rechte Parlamentsmehrheit. Denn der einzige Bundesrat, der eine böse Schlappe erlitten hat, heisst Ueli Maurer und ist SVP-­Finanzminister. Offizielles Ziel seines Departementes ist, in Zukunft nur noch Löhne, Renten und Konsum zu besteuern. Das Kapital soll steuerbefreit sein. Am 13. Februar hat das Volk jetzt «Stop» gesagt. Doch Maurer wird unbeirrt weitermachen – und sich auf die rechte Parlamentsmehrheit verlassen können. Schon phantasiert er davon, im Zuge der OECD-Steuerreform Reichen die Privatschulen ihrer Kinder zu bezahlen.

Ein Blick auf die anderen Vorlagen:

Tabakwerbeverbot. Warum sollte die Annahme Gesundheitsminister Alain Berset stören? Das Gesetz macht seinem Departement nicht mehr Arbeit. Im Gegenteil: Die Arbeit der Präventionsfachleute im Bundesamt für Gesundheit wird einfacher. Und die Krankheitskosten wegen Tabakkonsums werden tendenziell sinken. Für den untauglichen indirekten Gegenvorschlag war die von der Tabaklobby alimentierte rechte Parlamentsmehrheit verantwortlich.

Mediengesetz. Die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat sich tapfer für das Gesetz eingesetzt. Ein Gesetz, das die rechte Mehrheit im Parlament zugunsten der grossen Medienkonzerne aufgeblasen hat – um dann im Abstimmungskampf von der Fahne zu gehen oder sich unsichtbar zu machen. Für das Gesetz kämpften eigentlich nur noch die Linke und die Gewerkschaften, obwohl sie nicht einmal einen Medienschaffenden-GAV erreichen konnten. Am effizientesten unfreiwillig für Ja-Stimmen gesorgt haben dürfte am Schluss wohl die doch eher unappetitliche Mélange an der Spitze der Gegnerinnen und Gegner.

Und jetzt? Feiern und dranbleiben

Die Gewerkschaften und die fortschrittlichen Parteien haben am 13. Februar ­einen grossartigen Sieg nach einem ebenso grossartigen Referendumskampf erzielt. Das darf gefeiert werden. Auch weil es Mut macht für die anstehenden Kämpfe gegen Rentenabbau (siehe Sei­­te 6 unten) und weitere Steuergeschenke. Schon im September geht es um die AHV-«Reform» auf dem Buckel der Frauen und mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer auf Obligationen um ein weiteres Milliardengeschenk an Kapitalbe­sitzende.

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