Sechs Berufs- und Unia-Leute schauen zurück aufs 2021:

Uff, war das ein Jahr!

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Demos, Familie und berufliche Veränderungen: Sechs Unia-Mitglieder sagen, wie ihr 2021 war und was sie sich für 2022 wünschen.

Gipserin Rosina Ebneter. (Foto: Severin Nowacki)

Rosina Ebneter (31), Bern, Gipserin und Stuckateurin bei Wenger, Hess & Partner
«Auf der Baustelle hat’s jetzt fliessend Wasser»

«Dieses Jahr habe ich eine Weiterbildung angefangen als Handwerkerin in der Denkmalpflege. Das ist spannend – wir lernen zum Beispiel, einen Verputz selber zusammenzumischen wie in früheren Zeiten, aus Gips, Sägemehl und Kalk. Ich bin ziemlich gefordert, weil wir Zwischenprüfungen ablegen und eine Abschlussarbeit schreiben – da muss ich erst wieder reinkommen. Aber es macht mir viel Spass.

«Anders als viele konnten wir trotz Pandemie normal weiterarbeiten.»

VON TAG ZU TAG. Anders als viele konnten wir trotz Pandemie normal weiterarbeiten, halt mit Maske und wenn möglich mit Abstand. Und es gibt mehr Ausfälle als sonst, weil ab und zu jemand in Quarantäne muss. Unser Arbeitgeber Wenger, Hess & Partner plant nur noch von Tag zu Tag, wir müssen spontan sein. Aber das stört mich nicht. Alles eine Frage der Einstellung. Und Corona hat auch etwas Positives bewirkt: Jetzt hat es auf den Baustellen viel öfter ein Brünneli mit fliessend Wasser und sogar Seife, wo wir die Hände waschen können.

DEMO UND FEST. Ein schöner Moment war für mich dieses Jahr der Frauenstreiktag: Zum ersten Mal seit langem wieder eine Demo, alle waren draussen, und wir konnten zusammen ein Bier trinken. Deshalb freue ich mich schon auf den nächsten Sommer. Das wird entspannter als jetzt gerade mit den strengen Corona-Massnahmen.»


Willy Venetz (59), Stalden VS, arbeitet bei der Lonza in Visp.
«Den Lonza-Geist spürt man fast nicht mehr»

Lonza-Mitarbeiter Willy Venetz. (Foto: Matthias Luggen)

«Betrieblich ist bei uns 2021 einiges passiert. Praktisch jede Woche gab es bei uns Neuanstellungen, zu Spitzenzeiten teils 50 bis 60. Die Lonza ist also stark gewachsen. Allerdings grossmehrheitlich in neuen Bereichen, in denen kaum langjährige Kolleginnen und Kollegen tätig sind. Die Lonza, die ich kenne, gibt es dort nur noch punktuell, den Lonza-Geist spürt man fast nicht mehr. Es gab eine gewisse Orientierungslosigkeit und einen Bedarf nach Unterstützung.

«Es ist viel an Menschlichkeit verloren gegangen.»

Es macht mir Sorgen, dass wir als Betriebskommission dort kaum vertreten sind. Denn die neuen Kolleginnen und Kollegen kennen die Lonza-Kultur kaum – und die neuen Vorgesetzten haben sich oft nicht mit den geltenden Reglementen auseinandergesetzt. So kommen Entscheidungen zustande, die völlig quer in der Landschaft stehen. Dass in der Coronazeit die Kontakte zueinander schwieriger sind, lose Treffen etwa beim Kaffee ausbleiben, macht die Sache noch komplizierter.

IMMER SCHNELLER. Wenn ich auf dieses Jahr zurückblicke, muss ich schon sagen: Es ist viel an Menschlichkeit verloren gegangen. Bei all dem Wachstum standen vor allem Schnelligkeit und Gewinnorientierung im Vordergrund. Hier gilt es, als Arbeitnehmervertretung die Mitarbeitenden 2022 zu unterstützen! Dafür will ich mich auch in der Betriebskommission einsetzen. Mein Motto: Lieber bedachter und mit Blick für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Menschen.»


Beatriz Wege Gonçalves (29), Zürich, Buffet-Mitarbeiterin«2021 hielt ich meine erste Demo-Rede!»

Beatriz Wege Gonçalves (29), Zürich, Buffet-Mitarbeiterin. (Foto: ZVG)

«Es war ein unsicheres Jahr, dieses 2021! Ich habe als Buffet-Mitarbeiterin in einem Luxusrestaurant im Zentrum von Zürich gearbeitet. Viele Monate lang hatten wir Kurzarbeit und deshalb nur 80 Prozent unseres Lohns. Dann, als wieder voll offen war, gab’s mehr als genug Arbeit. Wie das halt so ist in solchen Stress-Jobs in der Gastronomie: die Arbeits­bedingungen sind prekär, man arbeitet im Stundenvertrag, man muss das Maximum arbeiten und verdient ein Minimum. Im November dann habe ich nach intensivem Nachdenken und Abwägen gekündigt. Ich konnte einfach nicht mehr. Jetzt hoffe ich, dass ich im neuen Jahr einen besseren Job finden werde. Einer, der mir auch Freizeit erlaubt, in der ich zum Beispiel besser Deutsch lernen könnte.

«Ich möchte 2022 mehr Freizeit und besser Deutsch ­lernen.»

FAMILIENBESUCH. Ich hatte dieses Jahr aber auch wahnsinnig Freude, denn ich konnte meine Familie in Brasilien besuchen. Dies trotz der Pandemie! Und dann habe ich mich auch stark in der Unia engagiert. Ich beteiligte mich an der Aktion ‹Ein Lohn zum Leben›, mit der wir auf ebendiese prekären Verhältnisse in der Gastronomie aufmerksam machten. Und am 30. Oktober, an der Demo ‹für mehr Lohn, Respekt und Solidarität› hielt ich sogar meine erste Rede. Darauf bin ich heute noch stolz! Denn eines ist klar, ich will mich auch 2022 für die Gewerkschaft einsetzen und für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Für uns alle!»


Christoph Suter (58), Uzwil SG, arbeitet bei Bühler AG«Ich gehörte drei Mal zu den Siegern!»

Bühler-Mitarbeier Christoph Suter. (Foto: Daniel Ammann)

«Natürlich hat mich dieses Jahr die Pandemie sehr beschäftigt. Anfangs dachte ich, es gehe endlich aufwärts. Doch dann kam schon die nächste Welle. Wie viele kommen denn noch? Das macht mir echt Angst. Aufgeregt habe ich mich über unsere St. Galler Kantonsregierung. Die tut einfach nichts. Für mich heisst die Devise jetzt: Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht!

«Nächstes Jahr bin ich zwanzig Jahre im Betrieb, ein Grund zum Feiern!»

KLAR DURCHGEKOMMEN. Das Schönste für mich war dieses Jahr, dass ich das erste Mal in meinem Leben in einer Volksabstimmung gleich drei Mal zu den Siegern gehörte: Covid-Gesetz, Pflegeinitiative und Justizinitiative. Besonders gefreut hat mich, dass mit der Pflege­initiative ein gewerkschaftliches Anliegen an der Urne so klar durchgekommen ist.

KOMPLIZIERT. Ich arbeite bei Bühler in der Blechbearbeitung. Wo wir den Abstand nicht einhalten können, tragen wir Masken. Bühler hat die Pandemie bisher gut bewältigt. Wir machen jeden Monat einen Antigen-Test im Betrieb. Doch die Arbeit ist kompliziert geworden. Die Lieferketten sind teils unterbrochen, die Transporte schwieriger. Man kann nicht mehr richtig planen. Ich hoffe für nächstes Jahr, dass sich das wieder normalisiert und die Wirtschaft wieder läuft. Ich bin dann schon zwanzig Jahre im Betrieb, für mich ein Grund zum Feiern.»


Eva Böhlen (29), Bern, Schreinerin, Industrial Designerin an der FHNW«Der 14. Juni hat mir mega Kraft gegeben»

Eva Böhlen. (Foto: Matthias Luggen)

«Für mich war 2021 ein gutes Jahr. Ich habe unerwartet einen neuen Job bekommen. Vorher war ich Projektleiterin im Bereich Küchenplanung. Jetzt bin ich wissenschaftliche Assistentin im Studiengang Industrial Design an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Das freut mich, weil ich nicht mehr so kundinnenorientiert unterwegs bin, sondern wieder mehr Austausch mit Studierenden und anderen kreativen Menschen habe.

«Die Fronten in der Gesellschaft haben sich verhärtet.»

GUTES JAHR. Ein ganz cooler Tag im letzten Jahr war der 14. Juni, der Frauenstreiktag. Ich war mit Freund:innen unterwegs, die Stimmung war supergut. Das gab mir mega viel Kraft. A propos 14. Juni: Häufig bin ich frustriert, dass es mit der Gleichberechtigung so langsam vorwärtsgeht. Aber im letzten Jahr ist mir aufgefallen, dass an Orten, wo ich es eigentlich überhaupt nicht erwartet hatte, plötzlich von Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Rede war, dass es also doch vorwärtsgeht mit einer inklusiven Sprache.

Schwierig fand ich zu merken, dass sich die Fronten in unserer Gesellschaft so verhärten. Für mich zeigt sich das an ernüchternden Abstimmungsresultaten. Zum Beispiel die Verhüllungsinitiative: 50 Prozent der Gesellschaft verstehe ich einfach nicht!

Ich weiss, ich bin privilegiert, für mich war 2021 ein gutes Jahr. Ich hoffe, dass andere, die es schwieriger hatten, ein gutes 2022 erleben können.»


Yves Kneubühler (34), Zürich, arbeitet als Maurer bei Anliker«Ich traf die Kollegen nur noch selten»

Maurer Yves Kneubühler. (Foto: Florian Bachmann)

«Das war ein strubes Jahr auf dem Bau. Einerseits konnten viele Kollegen aus Portugal oder Italien ihre Familien das ganze Jahr nicht besuchen. Das gab eine traurige Stimmung. Andererseits ging die Arbeit auf den Baustellen normal weiter. Klar, wir mussten Abstand halten oder Maske tragen und haben versetzt Mittagspause gemacht. Aber der Druck, die Termine einzuhalten, war grösser als die Belastung durch die Pandemie.

«Der Druck, die ­Termine einzuhalten, war grösser als die Corona-Belastung.»

MEHR SPIELPLATZ. Privat hat sich schon viel geändert. Ich treffe nur noch selten Kollegen, dafür mache ich mehr mit der Familie. Zum Beispiel gehe ich mit den Kindern auf den Spielplatz. Das finde ich eigentlich eine positive Auswirkung.

GUTER LMV. Für 2022 wünsche ich mir erstens, dass wir Corona erfolgreich bekämpfen und wieder in die Normalität zurückkönnen ohne Einschränkungen. Und zweitens, dass die LMV-Verhandlungen für uns Bauarbeiter gut rauskommen.

Vorgenommen habe ich mir auch etwas fürs nächste Jahr: Ich will mich für die Vorarbeiterschule anmelden. Als Vorarbeiter wäre ich für ein Team von Maurern verantwortlich, das fände ich spannend. Und mehr Lohn gäb’s auch.»

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