Rentenklau in der AHV: Gewerkschaften starten Referendum

Frauenrenten um 1200 Franken kürzen? Ohne uns!

Clemens Studer

Die rechte Mehrheit im Bundes­haus hat erneut zugeschlagen: sie will die AHV auf dem Buckel der Frauen «sanieren». Ausgerechnet!

FRAUENRENTEN SIND TABU: Denn schon heute erhalten Frauen 37 Prozent weniger Rente als Männer. Vor allem wegen der Pensionskassen. (Foto: Karina Muench)

Sie können es einfach nicht lassen: Die rechten Rentenfällerinnen und -fäller von SVP bis GLP beschliessen eine AHV-«Sanierungsvorlage», für die vor allem die Frauen bezahlen sollen. Mit einer faktischen Rentenkürzung. Weder der Frauenstreik mit mehr als 500’000 Teilnehmenden brachte sie zur Vernunft, noch eine Petition, die innert weniger Tage über 310’000 Menschen unterschrieben, noch die riesige Rentendemo vom 18.September.

ALTERSARMUT

Armut ist heute weiblich, gerade die Alters­armut. Denn auf Lohndiskriminierung folgt nahtlos Rentendiskriminierung. In Zahlen:

  • Frauen erhalten 37 Prozent weniger Rente als Männer. Vor allem wegen der Pensionskassen. Denn diese sind für tiefe Einkommen und Teilzeitarbeitende noch unvorteilhafter als für alle anderen Lohnabhängigen.
  • Die Pensionskassenrenten sind bei Frauen 63 Prozent tiefer als bei Männern. Die AHV-Renten sind bei Frauen und Männern praktisch gleich hoch.
  • 38 Prozent der Rentnerinnen leben nur von der AHV, haben also keine zweite Säule. Bei den Männern sind es dagegen «nur» 19 Prozent. Und 23 Prozent der erwerbstätigen Frauen sind nur in der AHV versichert. Darum ist die AHV für Frauen besonders wichtig.

Und trotzdem wollen die rechten Parteien sowohl AHV wie Pensionskassen vor allem auf dem Buckel der Frauen sanieren. Bei der AHV wollen sie mit dem höheren Rentenalter den Frauen 1 Milliarde Franken wegnehmen. Gemessen an der Medianrente – die Hälfte aller Versicherten bekommt mehr, die Hälfte weniger –, heisst das konkret: 1200 Franken weniger pro Frau und Jahr bis ans Lebensende.

Unterschreiben!

Die Sammlung für das Referendum gegen den AHV-Rentenklau an den Frauen startet Anfang Januar 2022. Bereits jetzt können Unterschriftenbogen vorbestellt werden auf www.frauenrenten.ch.

LOHNGLEICHHEIT

Frauen verdienen in der Schweiz nach wie vor 20 Prozent weniger als Männer. Selbst der äusserst zurückhaltend rechnende Bund kommt auf eine «unerklärte» Lohndiskriminierung der Frauen von rund 8 Prozent. Also 8 Prozent weniger Lohn für Frauen, nur weil sie keine Männer sind. Würde diese Lohndifferenz endlich beseitigt, so wie es in der Bundesverfassung steht, stünden der AHV auf einen Schlag jährlich über 800 Millionen Franken mehr zur Verfügung. Denn wenn die Frauenlöhne steigen, steigen auch die Beiträge an die AHV. Endlich Lohngleichheit würde quasi gleich viel Geld mehr in die AHV-Kassen bringen, wie die Rechten jetzt den Frauen zusätzlich wegnehmen wollen.

VOLK ENTSCHEIDET

Die Gewerkschaften machen seit langem klar: eine AHV-Reform auf dem Buckel der Frauen akzeptieren sie nicht. Die rechten Rentenfällerinnen und -fäller marschierten im Parlament trotzdem durch. Sobald das Gesetz im Bundesblatt publiziert ist, sammeln die Gewerkschaften und fortschrit­liche Parteien die nötigen Unterschriften, damit das Volk das letzte Wort hat. Und die Schweizerinnen und Schweizer haben bis jetzt noch jede einseitige Rentenabbauvorlage be­erdigt.


Rentenklau bei den Pensionskassen: Gewerkschaften bereiten Referendum vor 12 Prozent weniger BVG-Rente? Auch ohne uns!

Der AHV-Rentenklau ist den Rechten nicht genug, sie wollen die Lohnabhängigen auch bei den Pensionskassen ausnehmen.

Im Unterschied zur AHV, für die eigentlich genug Geld da wäre, wenn der politische Wille da wäre (siehe rebrand.ly/rentenmassaker), steckt das Pensionskassensystem in einer Krise, die System hat. Das Grundübel: Während die AHV im preisgünstigen, sozialen und stabilen Umlageverfahren finanziert ist, nimmt das BVG-Altersguthaben der Lohnabhängigen einen langen, teuren und risikoreichen Umweg über das internationale Finanz­casino.

MEHR BEZAHLEN

Die Folgen sehen alle Versicherten auf ihrem jährlichen Pensionskassenausweis. Die Lohnabzüge steigen, die Leistungen schwinden. Die Banken und Versicherungen können ihre bei der Einführung des BVG gemachten Versprechen schon längst nicht mehr erfüllen.

2022 wird im Zeichen des Kampfes gegen den Rentenklau stehen.

FINANZLOBBY GREIFT EIN

Die Gewerkschaften und die Arbeitgeber haben deshalb gemeinsam einen Kompromiss zur Sanierung der taumelnden 2. Säule ausgearbeitet. Dieser Kompromiss ist zwar keine Gewerkschaftsvorlage, aber er würde einige der schlimmsten Fehler der jetzigen Pensionskassen-Ausgestaltung zumindest teilweise korrigieren. Und er war so überzeugend, dass der Bundesrat ihn zu seiner Vorlage machte.

Das rief die Banken und Versicherungen auf den Plan. Denn sie verdienen sich am Altersguthaben der Versicherten seit Jahren eine goldene Nase. Während die Renten der Versicherten immer kleiner werden, füllen sich die Finanzmanager und das Aktionariat die Taschen. Und so soll es nach ihrem Willen auch bleiben. Sie schalteten darum ihre Vertreterinnen und Vertreter der Finanzindustrie im Parlament ein. Die Folge: Die Bundesratsvorlage wurde versenkt, die Renten sollen um bis zu 12 Prozent sinken, und die «Kompensationen» sollen die Versicherten im allgemeinen und die Frauen im besondern gleich selber bezahlen.

KEINE VERBESSERUNGEN

Noch hat das Gesetz noch eine Zusatzrunde über den Ständerat vor sich. Massive Verbesserungen für die Versicherten sind dabei nicht zu erwarten. Darum werden die Gewerkschaften auch hier das Referendum ergreifen müssen.

Das politische Jahr 2022 wird im Zeichen des Kampfes gegen den Rentenklau an der arbeitenden Bevölkerung stehen – in der AHV und bei den Pensionskassen.

Dauerangriffe auf die AHV und schamlose Abzockerei bei den Pensionskassen

work hat schon viel über die Rentenpolitik geschrieben, mit vielen Zahlen, mit vielen Analysen und mit ­historischer Einordnung. Eine Auswahl zum Nachlesen:

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