NZZ am Sonntag erklärt Diskriminierung der Frauen beim Lohn für beendet …

… und stützt sich auf Daten, die nicht öffentlich sind

Patricia D'Incau

Nur fünf Prozent der Firmen würden die Frauen beim Lohn diskriminieren, behauptet die NZZ am Sonntag vollmundig. «Haha!» sagen wir.

GLEICHE ARBEIT, GLEICHER LOHN: Kampagne der Frauenzentrale Zürich. (Foto: Frauenzentrale Zürich)

Wer jüngst die NZZ am Sonntag durchblätterte, dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Es gebe «kaum Lohndiskriminierung von Frauen», hiess es da. Und: «Nur gerade 5 Prozent der Unternehmen bezahlen den Frauen unfaire Löhne.»

Dies, obwohl die neusten Zahlen des Bundes erst gerade wieder gezeigt haben: Nicht nur der gesamte Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern ist zuletzt wieder gestiegen (von 18,3 auf 19 Prozent). Sondern auch der Anteil daran, der nicht durch Faktoren wie Ausbildung und Erfahrung erklärbar ist, sondern alleine durch Diskriminierung. Aktuell beträgt dieser satte 45,4 Prozent.

Die Lohnanalysepflicht gilt lediglich für Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten.

GEHEIME DATEN

Die NZZ am Sonntag hingegen ­verweist auf eine Auswertung des ­«Competence Centre for Diversity & Inclusion» (CCDI) der Universität St. Gallen. Dieses Kompetenzzen­trum bietet Unternehmen an, ihre Löhne auf Diskriminierung zu überprüfen. Seit dem Inkrafttreten des revidierten Gleichstellungsgesetzes ist das für alle grösseren Firmen Pflicht. Stichproben hätten dabei ergeben, dass «lediglich 3 Prozent der Firmen» ­gegen die geltenden Vorgaben verstiessen.

work möchte mehr wissen – und stösst auf ein unerwartetes Hindernis: Auf Anfrage teilt das Kompetenzzentrum mit, dass die Daten nicht zugänglich seien. Denn: «Es handelt sich um vertrauliche Kundendaten, und wir können leider keine Auswertungen davon weiterschicken.»

Bekannt ist nur, dass die Löhne von rund 120’000 Beschäftigten analysiert wurden. Ähnlich viele, wie die ebenfalls in der NZZ am Sonntag zitierte Firma Comp-on in den letzten Jahren auf Lohngleichheit geprüft hat. Zusammengezählt entspricht das nur knapp 5 Prozent ­aller rund 5,1 Millionen Erwerbstätigen in der Schweiz.

NICHT REPRÄSENTATIV

Für Regula Bühlmann, Gleichstellungsbeauftragte beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), ist deshalb klar: «Diese Zahlen dürften kaum repräsentativ sein.» Einerseits würden sie vermutlich in erster Linie von Firmen stammen, die bereits für Lohngleichheit sensibilisiert sind. Während der Grossteil der Lohnanalyseresultate aktuell noch aussteht. Die Firmen haben nämlich bis zum Jahr 2023 Zeit, die Ergebnisse zu kommunizieren.

Andererseits würden die Lohnanalysen kein gesamtwirtschaftliches Bild liefern. Denn: Unter die Lohnanalysepflicht fallen lediglich Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten. Das betrifft in der Schweiz rund 5000 Firmen und damit nur rund die Hälfte aller Erwerbstätigen. Die andere Hälfte fliegt komplett unter dem Radar. Lohndiskriminierung bleibt möglich.

Für die Gewerkschaften ist deshalb klar: Um den Lohnbschiss de­finitiv zu beseitigen, braucht es ­flächendeckende Kontrollen und ­Sanktionen. Und: ohne Lohngleichheit keine Rentenaltererhöhung.

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