G-7-Industrieländer wollen Steuerverschiebung einschränken:

Mindestsatz 15 Prozent – weltweit!

Clemens Studer

Es tut sich was im Kampf ­gegen das Steuern-­Verschwindibus der ­Konzerne. Die Schweiz ist mittendrin.

FERTIG VERSTECKIS: Mit der globalen Mindeststeuer müssen auch die Steuerdumping-Kantone umdenken. (Foto: Keystone)

Die Vernunft setzt sich oft mit Verspätung durch. Aber sie setzt sich durch – über kurz oder lang. Lange dauerte es beim internationalen Steuerregime. Während Jahrzehnten ging es bei der Besteuerung von Firmen, Vermögenden und Konzernen nur in eine Richtung: nach unten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) – beileibe keine linke Kampforganisation – hat es genau angeschaut: Zwischen 2000 und 2018 wurden die Unternehmenssteuern in 76 Staaten gesenkt, in 12 beibehalten und nur in 6 erhöht. Um die Jahrtausendwende lagen die Steuersätze in 55 Ländern noch über 30 Prozent, inzwischen ist das bloss noch in knapp 20 Ländern der Fall. Durchschnittlich betrug der Steuersatz 23 Prozent. Die unabhängige NGO-Stiftung Tax Foundation sagt, dass multinationale Konzerne 2017 rund 40 Prozent ihrer Gewinne in besonders steuergünstigen Staaten abrechneten – es geht um über 700 Milliarden Dollar. Die internationalen Tech-Giganten (Google, Amazon, Facebook & Co.) schaffen es gar seit Jahren, ihre Steuerbelastung auf nahe null zu drücken.

Steuerflüchtige Konzerne hätten keine Vorteile mehr mit ihren Schweizer Firmenkonstrukten.

G7 GEHT VORAN

In der sogenannten G7 sind die grössten Industrieländer der Welt zusammengeschlossen. Mit Ausnahme Russlands, das aus politischen Gründen ausgeschlossen wurde. Doch Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Grossbritannien und die USA machen jetzt vorwärts. Nach Jahren des Zauderns hat ein Umdenken eingesetzt, wohl nicht zuletzt wegen der gigantischen Kosten der Corona-Pandemie. Ausgerechnet dank den USA, die sich lange gegen die faire Besteuerung ihrer Tech-Giganten sträubten. Der neue US-Präsident Joe Biden steht unter dem Druck des fortschrittlichen Flügels seiner Demokratischen Partei. Darum haben die USA jetzt einen internationalen Steuersatz von 15 Prozent vorgeschlagen und fanden ­damit eine Mehrheit. Im Juli wird der ­G-7-Vorschlag im grösseren Gremium der G20 diskutiert. Womöglich wird da noch am Mindeststeuersatz geschräubelt, aber die Stossrichtung wird beibehalten werden.

UND DIE SCHWEIZ?

18 Kantone erheben für Firmen tiefere Steuern als der von der G7 vorgeschlagene Mindestsatz. Das bedeutet konkret: Falls die Schweiz diese Steuersätze beibehalten will, wird die Differenz zu den 15 Prozent in den Ländern erhoben, in denen die Gewinne tatsächlich anfallen. Steuerflüchtige Konzerne hätten dann keine Vorteile mehr mit ihren Schweizer Firmenkonstrukten.

Es erinnert nicht nur ein bisschen an die Auseinandersetzung um das Steuer­hinterziehungsgeheimnis. Das Schweizer Schlaumeier-Konzept kam erheblich unter Druck. Lange wehrten sich die rechten Parteien gegen eine Einigung. Das ging gehörig schief: am Schluss war das Steuerhinterziehungsgeheimnis weg, und die Schweizer Banken zahlten und zahlen Milliarden an Bussen für ihr halb- oder ganzkriminelles Verhalten.

Ähnliches droht sich jetzt zu wie­derholen: kurz nach dem G-7-Entscheid phantasierten rechte Politiker und Finanzindustrie-Vertretende schon davon, die Mindeststeuersätze mit anderen Geschenken an die internationalen «Steueroptimierer» zu kompensieren. Zum Beispiel mit dem Erlass von Sozialabgaben. Schlauer wäre vielleicht, gerade im Umgang mit der EU, einen anderen Ansatz zu verfolgen: weg mit den Steuerabzügel-Modellen, dafür den Lohnschutz sichern.

99-Prozent-Initiative: Gerechtere Steuern

Am nächsten eidgenössischen Abstimmungstag, am 26. September, geht es um eine weitere Vorlage, die das Steuersystem in der Schweiz fairer machen will: die 99-%-Initiative. Sie verlangt, dass Kapitaleinkommen, also zum Beispiel ­Zinsen und Dividenden 1,5 Mal so hoch besteuert werden wie das Einkommen aus Lohnarbeit. Denn heute ist es so, dass Lohnabhängige ihr Einkommen zu 100 Prozent versteuern müssen, während wenige, die von ihrem Kapital leben, ohne zu arbeiten, Steuergeschenke bekommen.

SCHLUSS MIT EINSACKEN. Grossaktionäre zum Beispiel bezahlen auf ihre Dividenden­einnahmen auf Bundesebene nur 70 Prozent Steuern. In manchen Kantonen gar nur 50 Prozent. Dabei sind Dividenden nichts ­anderes als zu wenig ausbezahlte Löhne an die Mitarbeitenden. Oder andersrum: Der von den Lohn­abhängigen erarbeitete Mehrwert wird von den Kapitalgebenden eingesackt. Darum werden die Reichen immer reicher und die Armen immer zahlreicher. Dem will die 99-%-Initiative einen Riegel schieben.

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