Das «Anti-Terror-Gesetz» ist ein Frontalangriff auf die Demokratie:

Nein zur Polizeiwillkür als Staatsraison!

Clemens Studer

Kommt das Gesetz durch, könnten bald auch unliebsame ­Gewerkschaftsleute ohne Anklage weg­gesperrt werden. Weil die Polizei in ihnen eine «Gefährdung» sieht. So geht das nicht, warnt der Gewerkschaftsbund.

BEDROHLICHES GESETZ: Wer «gefährlich» ist, könnten Polizeibeamtinnen und -beamte nach eigenem Gutdünken entscheiden. (Foto: Keystone)

Unbehindert von Juristinnen und Richtern einfach mal Menschen wegräumen. Sie ins Gefängnis stecken oder mit Fussfesseln in den Hausarrest. Und zwar selbst Kinder! Monatelang. Ohne Beschwerdemöglichkeiten. Das wollen Justizministerin ­Karin Keller-Sutter (FDP) und die rechte Mehrheit im Parlament möglich machen. Mit dem sogenannten Antiterrorgesetz. Am 13. Juni stimmen wir darüber ab.

DARUM GEHT ES (ANGEBLICH)

Um das Land vor vermeintlichen ­«islamistischen Anschlägen» zu schützen, sollen die Möglichkeiten der Polizei massiv ausgebaut werden. Die rechtsstaatlichen Abläufe wären ausgehebelt. Polizei und Algorithmen würden bestimmen, wer eine «Gefährderin» oder ein «Gefährder» ist. Unabhängige Überprüfung durch Richterinnen und Richter und Beschwerdemöglichkeiten? Fehlanzei­ge! Weil sich das Thema «islamistischer Terror» gut verkaufen lässt, steht das Gesetz im Moment bei Umfragen schwer im Ja.

Über 60 Schweizer Rechtsprofessorinnen und -professoren ­schlagen Alarm.

DARUM GEHT ES (WIRKLICH)

Unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung soll den «Sicherheitskräften» ein Freipass ausgestellt werden. Wer «gefährlich» ist, könnten dann Polizeibeamte und -beamtinnen nach eigenem Gutdünken entscheiden. Sie hätten eine unkontrollierte Machtfülle jenseits juristischer oder gar ­demokratischer Kontrolle. Denn bereits seit 2004 kennt das Schweizer Strafgesetzbuch «strafbare Vorbereitungshandlungen». Wer also den von den Befürwortenden ständig im Munde geführten «islamistischen Anschlag» vorbereitet, kann bereits heute ermittelt und verurteilt werden. Einfach auf rechtsstaatlichem Weg.

BEWEGUNGEN KRIMINALISIERT

In Ermangelung von «gewalttätigen ­Islamisten» ist klar, dass die Polizei das Gesetz dazu missbrauchen wird, politisch unliebsame Bewegungen zu kriminalisieren. Wie das rauskommt, konnten wir in den letzten Wochen und Monaten sehen: Feministinnen wurden von «Sicherheitskräften» zusammengeschlagen, obwohl sie sich an die Coronaregeln hielten (Zürich, 8. März 2021). Dagegen wurden maskenlose Covidiotinnen und Covidioten liebevoll begleitet und manchmal auch umarmt und mit Blumen beschenkt (so zum Beispiel in Rapperswil SG am 24. April 2021). In Basel ­ermöglichte die Polizei am 24. November 2018 mit einem massiven Angriff auf eine friedliche Familiendemo einem Dutzend bewaffneter Neonazis den unbehelligten Abzug. Blöd für die Polizei: Ausgerechnet ein geleaktes Polizeivideo mit Ton belegt die Absicht hinter dem aggressiven Polizeiauftreten. Im Unterschied zum Nazi-Aufmärschchen war die eigentliche Gegendemo nicht bewilligt. Danach ­ermittelte die Justiz mit unverhältnismässiger Härte gegen die friedlich Demonstrierenden. Solche Willkür will das «Antiterrorgesetz» quasi legalisieren. Polizeiwillkür als Staatsraison. So wie etwa in Brasilien, Indonesien und in weiten Teilen der USA.

DIE WARNUNGEN

Das «Antiterrorgesetz» sorgt auch weltweit für Aufsehen. Die Uno warnt davor und zahlreiche Menschrechtsorganisationen wie zum Beispiel Amnesty International. Über 60 Schweizer Rechtsprofessorinnen und -professoren schlagen Alarm. Auch Nils Melzer, der UN-Sonderberichterstatter zu Folter und Schweizer, hat sich deutlich gegen das Gesetz geäussert. Unterdessen haben Tessiner Anwälte schon eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht, darunter auch die bürgerlichen Urgesteine Paolo Berna­sconi und Dick Marty. Wegen der Falschinformationen, die der Bundesrat an Medienkonferenzen und im Bundesbüchlein verbreitet. Unter anderem die «Menschenrechts-Konformität».

DIE GEWERKSCHAFTSARBEIT

Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) ist gegen das Gesetz, da es «unvereinbar mit den Grundrechten ist und damit aus rechtsstaatlicher Sicht unhaltbar». Und noch deutlicher: Bei einem Ja «besteht die Gefahr, dass unliebsame Gewerkschafterinnen, Politiker, Journalistinnen, Staatskritiker oder Klimaaktivistinnen Opfer der Massnahmen werden könnten».

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.