Der Bundesrat schlägt Corona-Öffnungen vor

Vorwärts mit forscher Vorsicht

Clemens Studer

Die Ansteckungszahlen sind besser als auch schon. Und die Impfkampagne läuft immer runder. Jetzt will der Bundesrat weiter öffnen. Doch was macht das Virus?

SOMMER, SONNE, CORONAFREI: Wenn die Ansteckungszahlen sinken und die Impfzahlen steigen, könnte aus dem Sommer 2021 doch noch was werden. (Foto: Keystone)

Über weitere Öffnungsschritte will der Bundesrat definitiv am 26. Mai entscheiden. Er schlägt unter anderem vor:

  • Restaurants: Sie sollen auch im Innern wieder öffnen können. Maximal vier Personen pro Tisch sind erlaubt.
  • Homeoffice: Für Betriebe, die ihre Belegschaft mindestens wöchentlich testen, wird die Homeoffice-Pflicht wieder in eine Homeoffice-Empfehlung umgewandelt. Grundsätzlich bleibt Homeoffice aber weiterhin empfohlen, wo immer es möglich ist.
  • Events: Bei öffentlichen Veranstaltungen sollen drinnen 100 anstatt 50 Personen erlaubt sein, draussen 300 statt 100 Personen. Das gilt auch für Publikum bei Amateursport. Neu dürfen 30 statt 15 Personen zusammen Sport treiben.
  • Kultur: Analog dazu wird auch in der Kultur die maximale Gruppengrösse auf 30 Personen erhöht. Bei Auftritten und Proben beträgt die Grenze 50 Personen – drinnen wie draussen. Im Freien sind Chorkonzerte wieder zugelassen.
  • Sport: Für Mannschafts-Sportarten nationaler und regionaler Ligen soll eine Gruppengrösse von 50 statt 30 Personen gelten. Wettkämpfe in diesen Sportarten sind nur draussen erlaubt.
  • Quarantäne: Neben Genesenen sollen auch Geimpfte von der Kontakt- wie auch von der Reisequarantäne ausgenommen werden.

Die Corona­lage in der Schweiz bleibt fragil.

VON 2020 GELERNT

Mit diesen Öffnungsschritten würde die Schweiz einmal im wesentlichen weitergehen als die Nachbarländer. Aber im Unterschied zum vergan­genen Sommer lässt der Bundesrat genug Zeit zwischen den Öffnungsschritten. Das ist wichtig, um zu ­beurteilen, wie sich die beschlossenen Pandemie-Bekämpfungsmassnahmen auf die Entwicklung der ­Ansteckungen auswirken. Im vergangenen Jahr liess sich die Landesregierung noch unter massivem Druck von Gewerbeverbänden, rechten Parteien und der Kantone zu einer Haurucköffnung hinreissen.

Die Folgen sind bekannt: die Schweiz lief voll in den Hammer einer zweiten Coronawelle. Nicht zuletzt, weil die meisten Kantone wenig bis nichts im Griff hatten. Unterdessen läuft immerhin die Impfkampagne gut bis sehr gut. Aber in Zürich, dem bevölkerungsreichsten Kanton, knirscht es noch heftig im Getriebe. Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass der Kanton seine Coronapolitik einer Truppe anvertraut hat, die bis auf eine medizinische Fachperson aus Vertreterinnen und Vertretern der «Sicherheitskräfte» besteht – und anstelle der Gesundheitsdirektorin der Polizeidirektor die Ansagen macht.

AM FALSCHEN ORT

Viele Lohnabhängige und KMU leiden unter den Kosten der Massnahmen zur Zähmung der Covid-Pandemie. Hunderttausende müssen seit Monaten mit 20 Prozent weniger Lohn durchkommen. Weil sich die rechte Mehrheit im Parlament hartnäckig weigert, Löhne bis 5000 Franken zu 100 Prozent zu entschädigen. Einzig für die tiefsten Löhne erhöhten sie nach monatelangem Druck der Gewerkschaften die Entschädigung. Auch für die Selbständigen und zum Beispiel die Kulturschaffenden gibt es nur halbwegs befriedigende Lösungen. Und die Auszahlung der sogenannten Härtefallgelder wird in vielen Kantonen verzögert.

Das gefällt SVP-Finanzminister Ueli Maurer. Dieser jammert nämlich immer dar­über, dass ihm «jeder Rappen» weh tue, der in die mildernden Massnahmen für Pandemie-Betroffene fliesse. Wobei das stimmt nicht ganz: die Milliarden für ein als KMU-Hilfe getarntes Banken- und Versicherungsrettungspaket machte er in Rekordzeit klar. Denn mit den vom Bund garantierten Krediten bedienten die Firmen in erster Line Bankkredite, Versicherungen und Mieten. Für die Löhne der Mitarbeitenden kam die Allgemeinheit auf. Und auch Millionen für die Fluggesellschaft Swiss machten ihm keine Bauchschmerzen. Die Lufthansa-Tochter bezahlte damit zuerst mal die Boni für die obersten Manager – und kündete dann einen Rekordstellenabbau an. Dabei ist genug Geld da: zum Beispiel bei der Nationalbank. Und bei den superreichen Corona-Gewinnlerinnen und -Gewinnlern, die in der Krise noch reicher geworden sind.

WIE WEITER?

Wenn sich die Impfzahlen und die Zahl der Ansteckungen weiter so positiv entwickeln wie in den vergangenen Wochen, besteht die Hoffnung auf einen entspannten Sommer. Doch die Lage bleibt fragil. Wie schnell es drehen kann, haben wir im vergangenen Herbst gesehen. Und aktuell hilft ein Blick nach Grossbritannien. Dort wütet neuerdings die so­genannte indische Variante. Der Mutant B.1.617.2 setzt sich zunehmend durch. Er ist wesentlich ansteckender und offenbar in gewissen Konstella­tionen auch für bereits Geimpfte gefährlich. Noch sind die Wissenschafterinnen und Wissenschafter am ­Abklären. Jedenfalls hat Premier ­Boris Johnson schon mal angetönt, dass es beim Fortschreiten dieser Entwicklung mit den weiteren geplanten Öffnungsschritten nichts werde.

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