Nach dem Interview von Meghan und Harry:
Zwingt eine Gewerkschafterin die Queen in die Knie?

Das grosse Interview mit Meghan und­ Harry war grosses Kino. Und die ­Inszenierung des aus dem britischen Royal-Theater ausgestiegenen Paares ist auch erhellend.

SCHWESTERN IN DER REVOLTE: Wallis Simpson (1896–1986), Diana Spencer (1961–1997) und Meghan Markle (*1981). (Fotos: Keystone)

Es war einmal ein schönes Mädchen aus bescheidenen Verhältnissen. Das traf einen Königssohn. Die beiden verliebten sich. Es gab ein bisschen Verwirrnis bei der Familie des Prinzen. Doch am Ende kam alles gut. Und die beiden lebten glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage. So geht das im Universum der märchensammelnden Brüder Grimm. Doch das ist lange, lange her.

Heute geht das so: Es war einmal ein schönes Mädchen aus bescheidenen Verhältnissen. Mit einer dunkelhäutigen Mutter und einem verhaltens­originellen weissen Vater. Es biss sich durch, wurde Lehrerin und machte später Karriere als Schauspielerin. Als Frau verdiente sie ihr eigenes Geld. Und zwar nicht zu knapp. Und einmal verheiratet war sie auch schon. Dann datete sie einen Prinzensohn. Der hatte bislang ausser Kampfhelikopterfliegen nicht viel auf die Reihe bekommen – auch weil er nicht musste. Geld war immer genug da, die Chance auf den Thron verschwindend klein. Die beiden verliebten sich. Es gab eine rauschend-steife Hochzeit, die in die ganze Welt übertragen wurde. Die bunten Klatschblättchen wurden noch bunter. Nicht zuletzt, weil die Braut farbiger war als die ganze Sippe, in die sie einheiratete. Die kommt nämlich ursprünglich aus Deutschland und wurde auf der britischen Insel immer bleicher. Dieses Klima hat schon viele Frauen gebrochen. Unter anderem die Prinzenmutter Diana. Die starb unter bis heute nicht wirklich geklärten Umständen bei einem Autounfall zusammen mit ihrem muslimischen Liebhaber. Doch die neue Prinzenfrau am Hof wollte sich nicht brechen lassen. Obwohl die Demütigungen an die Grenzen und darüber hinaus gingen. Wie sie jetzt selbst erzählt. Zusammen mit ihrem Mann und dem ersten gemeinsamen Kind floh sie aus den verregneten britischen Trutz- und Trotzburgen ins sonnige Kalifornien. Die beiden gaben den Austritt aus dem Königshaus.

Meghan zeigte den Pferde-Kutschen-Uniformen-Royals die Inszenierungsmeisterin.

DER LOTUS

Wir reden hier von Meghan Markle (39) und Prinz Harry (36). Sie hat Meriten und er jede Menge Titel. Und jetzt ein paar weniger. Die Abnabelung vom britischen Königshaus kostet. Plötzlich muss sich das Paar, das ein zweites Kind erwartet, selber über die Runden bringen. Sie hat darin Erfahrung, er eher weniger. Aber er scheint von seiner Frau zu lernen. Der Auftritt bei der US-Talkmasterin Oprah Winfrey am 7. März war bemerkenswert. Zuerst liess er Meghan reden, rund eine Stunde. Sie erzählte vom Kulturschock beim Eintritt in die «königliche Familie», von Strumpfzwang, Suizidgedanken und Rassismus (englisch nachzulesen hier rebrand.ly/meghar). Alles perfekt inszeniert. Meghan trug ein Kleid des italienischen Modemachers Giorgio Armani. Dunkel, mit einem weissen Lotusblüten-Print. Als wollte sie ihre Wiederauferstehung aus dem royalen Sumpf noch weiter unterstreichen. Denn der Lotus zieht sich über Nacht zurück in den Schlamm und kommt am nächsten Morgen wieder blütenrein ans Tageslicht. Meghan zeigte damit – zusammen mit ihrer Low-Knot-Frisur (in der Schweiz auch als «Bürzi» bekannt) – den Pferde-Kutschen-Uniformen-Royals die Inszenierungsmeisterin.

So oder ähnlich, wie sich einst die Auserwählte von König Edward VIII. gezeigt hatte. Auch Wallis Simpson war Schauspielerin gewesen. Auch sie eine US-Amerikanerin. Und auch Edward musste, weil er seine Wallis liebte, das Weite suchen und als König abdanken. Der US-amerikanische-britische Kulturkrieg geht weiter. Edward und Wallis allerdings verirrten sich nach dem Buckingham-Ausstieg schwer und sympatisierten mit den Nazis.

DIE GEWERKSCHAFT

Das Interview der ausgestiegenen Royals schlug nicht nur in England ein wie eine Bombe. Etliche «alte weisse Männer» verloren die Contenance – und ein TV-Moderator gleich seinen Job, weil er Meghan vor laufender Kamera beschimpfte. Dabei haben Meghan und Harry nichts erzählt, was nicht erwartbar gewesen wäre. Ausser: die Sache mit «der Firma». Und wahrscheinlich hat Meghan da im ganzen Interview den wundesten und ehrlichsten Punkt getroffen. Sinngemäss sagte sie: «Früher war ich in einer Gewerkschaft. Die hat mich ­geschützt.» Seither macht die Gewerkschaft mit ­Meghan Mitgliederwerbung. Doch Gewerkschaften mögen weder alte Adlige noch die Neo-Feudalisten der digitalen Wirtschaft (Amazon, Google, Netflix & Co.). Und machen jetzt die grossen Deals mit Meghan und Harry.

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