Firmeninhaber leiten Kurzarbeitsentschädigung auf ihre Privatkonten:

Löhne gekürzt, Dividenden geschüttet

Clemens Studer

Die Allgemeinheit bezahlt Lohnabhängigen Löhne. Und die Kapitalbesitzenden leiten das Geld auf ihre Konten um. Die SP lanciert einen zweiten Anlauf, diesen Missstand abzustellen.

RUEDI NOSER: Der FDP-Ständerat und Konzern-Lobbyist engagiert sich für die Umleitung von Kurzarbeitsgeldern auf Aktionärskonten. (Foto: Keystone)

Millionen von Lohnabhängigen mussten im vergangenen Jahr auf einen Fünftel ihres Lohnes verzichten. Weil die Kurzarbeitsentschädigung der Arbeitslosenversicherung in der Regel nur 80 Prozent des Lohnausfalles übernimmt. Was das konkret fürs Familienbudget heisst, wenn 400 bis 600 Franken im Monat fehlen, rechnen zwei Servicemitarbeiterinnen und eine Reinigerin vor: Zahnarztrechnungen können plötzlich nicht mehr berappt werden, und Autofahren wird zum Luxus. Deshalb fordern die Gewerkschaften seit Monaten, dass die Kurz­arbeitsentschädigung auf 100 Prozent erhöht werden soll. Doch ­SVP-Finanzminister Ueli Maurer und die rechten Parteien blocken systematisch.

Derweil die einen jeden Franken umdrehen müssen, füllen sich Tausende von Aktionärinnen und Aktionären die Taschen. Denn «ihre» Firmen lassen die Löhne der Mitarbeitenden zwar von der Allgemeinheit finanzieren, zahlen aber gleichzeitig steuerbillige Dividenden aus.

SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer fordert ein Ende der Dividenden-Umleitung.

NOSER UND DAS EIGENTUM

Bereits im vergangenen Frühling hatte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer einen Vorstoss eingereicht, der diese Umleitung von Steuergeldern auf Aktionärskonten stoppen sollte. Ausgenommen wären kleinere, inhabergeführte Betriebe gewesen. Im Nationalrat hatte sie zuerst Erfolg: mit 93 zu 88 Stimmen bei 11 Enthaltungen wurde diese eigentliche Selbstverständlichkeit angenommen. Das war ein Schock für die Finanzindustrie und die Steuervermeidungsprofis. Über Nacht zogen sie an allen Fäden. Im Ständerat scheiterte die Abzocker-Bremse dann deutlich. Besonders unflätig für die Umleitung von Kurzarbeitsgeldern auf Aktionärskonten engagierte sich Ruedi Noser. Er ist FDP-Ständerat des Kantons Zürich, Konzern-Lobbyist und wurde auch dank den rechten Grünen von der GLP gewählt. Noser sagte zum Meyer-Vorstoss, den der Nationalrat annahm: «Das ist ein verdammter Eingriff in die Eigentumsrechte!» Und griff Co-Präsidentin Meyer persönlich an. Zu den Einkommensrechten der Lohnabhängigen war von Noser bislang nichts Vergleichbares zu hören. Doch vielleicht ändert sich das jetzt.

NEUER ANLAUF

Verschwurbelter als Noser äusserten sich andere Gegnerinnen und Gegner. Die Dividenden beträfen ja das Vorjahr, als noch keine Pandemie war, hiess es etwa. So zum Beispiel bei Mitte-(Ex-CVP-)Frak­tionspräsidentin Andrea Gmür. Auch sie eine lautstarke Konzern-Lobbyistin. Und dann kam auch immer wieder das Argument, die Kurzarbeitsentschädigung sei schliesslich eine Versicherung, in die einbezahlt worden sei für den Krisenfall. Tönt gut, ist aber nicht richtig: Wegen der Coronakrise hat der Bund 6 Milliarden Franken Steuergelder eingeschossen und eine zusätzliche Verschuldung von 8 Milliarden Franken erlaubt. Dieser Zustupf für alle unverschuldet Kurzarbeitenden war richtig und wichtig. Und er wurde auch darum nötig, weil die rechte Parlamentsmehrheit eine krisentauglich Finanzierung der Arbeitslosenkasse in den vergangenen Jahren immer verhindert hat.

Wie viel die «Argumente» aus dem letzten Frühling noch taugen, werden wir bald sehen. Denn SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hat auf die laufende Session hin ­einen neuen Vorstoss eingereicht, um der Dividenden-Umleitung einen Riegel zu schieben.

Ems-Chemie: Mehr Dividende als Löhne

Der Anti-Abzocker-Vorstoss von SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer wird es im Parlament nicht leicht haben: zu gross sind die Eigen­interessen der Politikerinnen und Politiker von SVP bis GLP. Zum Beispiel die von Ems-Chefin und SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher. Der Blocher-Konzern schüttet jetzt 398 Millionen Franken Dividenden aus. Mehr als die gesamten Lohnkosten. Davon wandern 263 Millionen auf die Konten von Martullo-Blocher und ihren Schwestern Rahel (Läckerli-Huus) und Miriam (ist irgendwas bei Papa).


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1 Kommentar

  1. Mathias

    Kann man die bundesgelder nicht verfolgen?
    Ich erhalte jeden Monat eine Lohnabrechnung.
    Es gibt ja sicher Konto Auszüge auf denen man sieht wohin das Geld fließt.
    Und wenn ein Konzern sich an notgeldern bereichern dann sollte das bestrafft werden. Wie es Ueli mal versprach

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