Erhöhung des Frauenrentenalters ohne halbwegs faire Kompensation

Schon 308'534 Unterschriften ­gegen Angriff auf die AHV

Clemens Studer

Die rechten Rentenfäller greifen einmal mehr die AHV an. Diesmal mit einer ­ungenügend ­kompensierten Erhöhung des Frauen­rentenalters. Sie haben die Rechnung ohne die Frauen gemacht. Und selbst die CVP macht nicht mit.

KEIN RENTENKLAU BEI DEN FRAUEN: Auch dies eine Forderung des historischen Frauenstreiks vom 14. Juni 2019. (Foto: Unia)

Seit es sie gibt, greifen die rechten Parteien und die Finanzindustrie die AHV an. Mal mehr, mal weniger intensiv. Das im soliden, preiswerten und solidarischen Umlageverfahren finanzierte wichtigste Sozialwerk der Schweiz ist ihnen ein Dorn im Auge. Viel lieber holen sie sich Milliarden aus der beruflichen Vorsorge und aus privaten Rentenversicherungen. Und spekulieren damit im internationalen Finanzcasino. In letzter Zeit relativ erfolglos. Darum schmelzen die Pensionskassenrenten wie Schnee an der Frühlingssonne. Bei immer höheren Abzügen für die Lohnabhängigen. Und gleichbleibend hohen Profiten für Versicherungen und Banken.

RENTENKLAU

Den neusten Angriff startete vor einigen Wochen die ständerätliche Sozialkommission. Sie will die AHV, die vorübergehend mehr Geld braucht, weil die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen, «sanieren». Auf dem Buckel der Frauen. Denn die von der rechten Kommissionsmehrheit geforderte Erhöhung des Frauenrentenalters ist nichts anderes als eine Rentensenkung für Frauen. Dabei wäre das Gegenteil nötig. Die Frauen erhalten bereits heute rund einen Drittel weniger Rente als die Männer – auch weil sie während ihres Erwerbslebens benachteiligt sind. Im Schnitt verdienen Frauen für vergleichbare Arbeit rund 20 Prozent weniger. Das ist zwar verfassungswidrig, interessiert aber die rechte ­Parlamentsmehrheit nicht. Und darum will die Ständeratskommission auch nur 440 Millionen Franken zur Abfederung der Frauenrentenkürzungen bewilligen statt der auch schon mickrigen 700 Millionen, die der Bundesrat vorschlägt.

«So ein Abbau der Frauenrenten kommt nicht in Frage!»

GRANDIOSER ERFOLG

Doch die Frauen wollen sich diese Attacke nicht gefallen lassen. Diesmal reagieren sie bereits vor der Behandlung im Rat. Und vor der Volksabstimmung. Denn das Volk hat AHV-Abbauvorlagen an der Urne immer bachab geschickt. Den von den Gewerkschaften lancierten Appell «Hände weg von den Frauenrenten!» haben unterdessen bereits 308’534 Menschen unterzeichnet (Stand am Redaktionsschluss am 17. Februar). Und senden damit ein starkes Signal an die Rentenfäller im Ständerat.

KLUGER CVP-PRÄSIDENT

Ein starkes Signal sendet auch – wohl für seine Stöckli-Kollegen überraschend – Gerhard Pfister, der Präsident von «Der Mitte» (Ex-CVP). Obwohl die Ständeratskommission zusätzlich 650 Millionen Franken für die Abschaffung der vermeintlichen «Heiratsstrafe» bei der AHV aufwerfen will. Also mehr als für die soziale Abfederung der Frauenrentenalter-Erhöhung. Die «Heiratsstrafe» ist eine fixe Idee der CVP. Trotzdem lässt sich Pfister nicht kaufen. Der ebenso kluge wie taktisch versierte «Mitte»-Präsident hat schnell begriffen: «So ein Abbau der Frauenrenten kommt nicht in Frage. Eine solche Abbauvorlage hat beim Volk keine Chance.» Das sagte er in einem «Blick»-Interview. Und: «Unsere Position mit neun Übergangsjahrgängen und 700 Millionen Franken ist das Minimum für einen Kompromiss.» Das entspricht der Bundesratsvorlage. Und dann ging Pfister noch weiter: «Notfalls werden wir als Mitte sogar das Referendum dagegen ergreifen (also gegen die Fassung der Ständeratskommission, Red.).» Bereits klar ist, dass die Gewerkschaften gegen eine AHV-Abbauvorlage das Referendum lancieren werden.

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