Chicago USA: Finanzspekulanten wetten jetzt auf ein Gemeingut

Neu an der Börse: Wasser

Ralph Hug

Die Geschäftemacher schielen immer mehr aufs Wasser. Denn es ist weltweit knapp und verspricht hohe Profite. Doch Wasser darf nicht zur Ware werden.

QUELLE DES LEBENS: Wasser ist zum Trinken da – und nicht zum Spekulieren. (Foto: Keystone)

Diese Nachricht liess aufhorchen: Seit Mitte Dezember können erstmals Wassernutzungsrechte gehandelt werden. Und zwar in Chicago, wo sonst Weizen, Soyabohnen, Schweinebäuche und Rohöl verdealt werden. Ermöglicht hat dies die CME Group, die grösste Terminbörse der Welt. Hier werden am Computer ­Verträge mit Waren zu künftigen Preisen gehandelt (sog. Futures und Options). Damit kann man sich ­gegen erwartete Preisexplosionen ­absichern. Es ermöglicht aber auch Finanzjongleuren, Anlegerinnen und Anlegern, mit Wetten auf solche Preise Kasse zu machen. Im sonnigen Westen der USA ist Wasser wegen der industrialisierten Landwirtschaft und dem Verbrauch für Luxusvillen stets knapp. Die Wasserpreise schiessen regelmässig ums Mehrfache in die Höhe.

Wasser als Ware und als Finanzprodukt: Das löst Widerstand aus. Denn Wasser gehört allen, es ist ein Gemeingut. Und auch ein Menschenrecht. Vor zehn Jahren hat die Uno eine entsprechende Deklaration erlassen (siehe Artikel unten). Mit Menschenrechten dürfe man nicht spekulieren, warnt die Weltorganisation. Auch viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) wehren sich gegen die Kommerzialisierung von lebenswichtigen Gütern wie Wasser. Unter ihnen Helvetas. Das Hilfswerk engagiert sich auf der ganzen Welt für den freien ­Zugang zu sauberem Wasser. Bernita Doornbos, Leiterin Wasser und Infrastruktur, betont, das Wassermanagement sei eine öffentliche Aufgabe sei. «Es ist grundsätzlich heikel, wenn mit Wasser Geschäfte gemacht werden, da dies die Schwächeren vom Zugang zu einer lebenswichtigen Ressource ausschliessen könnte.»

Ist Wasser erst einmal ein Finanzprodukt, sind der Spekulation Tür und Tor geöffnet.

DER NEOLIBERALE IRRWEG

Doch die Börsianerinnen und Börsianer der Wall Street oder sonstwo in der Welt kümmert das wenig. Sind Wasser beziehungsweise Wassernutzungsrechte via Derivate erst einmal ein Finanzprodukt, sind der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Was das heisst, hat die Welt bei Weizen und Kakao erlebt. Schwerreiche Fonds haben seit 2008 durch gezielte Aufkäufe jahrelang die Weltmarktpreise manipuliert, um Kasse zu machen. Das Nachsehen hatten die Bäuerinnen im globalen Süden, die von den Märkten abhängig sind, sowie die Konsumentinnen und Konsumenten. Sie bezahlten die Spekulationsgewinne durch gestiegene Preise. Die Juso-Initiative gegen Nahrungsmittelspekulation wollte diese Machenschaften im Bankenland Schweiz abstellen. Sie wurde jedoch im Februar 2016 abgelehnt. Das Problem aber ist geblieben.

Wasser ist schon seit den frühen 1980er Jahren im Visier von Geschäftemachern. Damals gab die britische Premierministerin Margaret Thatcher den Startschuss zu radikalen Privatisierungen. Auch von Wasserversorgungen. Mit der häufigen Folge, dass der Service schlechter wurde, die Leitungen verkamen und die Preise stiegen. Das passiert, wenn statt Service public der private Gewinn im Zentrum steht. Vielerorts wurde der neoliberale Irrweg erkannt. Und die Wasserversorung wieder verstaatlicht. In der EU hat 2015 die erste europäische Bürgerinitiative mit 1,9 Millionen Unterschriften verlangt, dass Wasser besser geschützt werden müsse. Der Experte Klaus Lanz vom Forschungsinstitut International Water Affairs in Evilard BE zieht in der Zeitschrift «Die Volkswirtschaft» des Bundes eine glasklare Bilanz: «Die Privatisierung der Wasserversorgung hat sich nicht bewährt.»


Uno warnt:Finger weg vom Wasser

MOÇAMBIQUE: Ein Wasserprojekt der Helvetas. (Foto: Helvetas)

Pedro Arrojo-Agudo lässt keine Zweifel aufkommen. Der Handel mit Wasserrechten an der US-Börse gefällt ihm nicht. «Ich bin sehr besorgt», sagt der Uno-Spezialbeauftragte für das Menschenrecht auf Wasser. «Man kann Wasser nicht mit einem Wert versehen wie andere Rohstoffe, zum Beispiel Gold oder Öl.» Denn Wasser sei ein Gemeingut. Wir brauchten es für unser Leben und besonders auch für das Gesundheitswesen im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

Uno-Mann Arrojo-Agudo fürchtet, dass Spekulanten wie Hedge-Funds oder Banken auf Wasserpreise wetten und dadurch Spekulationsblasen erzeugen. Solche entstanden ab dem Jahr 2008, als an der Börse Termingeschäfte für Agrarrohstoffe möglich wurden. Die Aussicht, dass Wasser dereinst an den einschlägigen Wertpapiermärkten von Wall Street gehandelt werden könnte, sei eine Bedrohung für die Menschenrechte. Arrojo-Agudos Wort hat Gewicht, war er doch vor seiner Ernennung in der Uno Wirtschaftsprofessor in Saragossa. Er weiss, wie Märkte funktionieren.

«Wasser ist ein Menschenrecht.»

NEGATIVBEISPIEL CHILE. Die Uno übt schon seit Jahren Kritik am Zugriff der Finanzindustrie auf die Ressource Wasser. Dies gründet auf den schlechten Erfahrungen, die Länder des Südens mit der Privatisierung von Wasserversorgungen gemacht haben. Insbesondere Chile, wo unter dem faschistischen Diktator Augusto Pinochet die gesamte Wasserversorgung in die Hände von Konzernen kam. Bolivien hatte 2010 zusammen mit 33 anderen Staaten eine Resolution durchgebracht. In dieser anerkennen die Vereinten Na­tionen das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser als Menschenrecht an. Dieses Recht ist zwar nicht bindend, und es kann auch nicht eingeklagt werden. Aber es hat doch politisch eine hohe symbolische Bedeutung.

Diverse Industriestaaten wollten diese Deklaration nicht. Die Schweiz zählte in der Uno für einmal nicht zu den Bremsern. Sie arbeitete an der Ausarbeitung der Resolution aktiv mit.

 

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