Coronavirus: Schweiz ist wieder im Büsi-Lockdown

Plötzlich ein bisschen Mut

Clemens Studer

Die mutierten Coronaviren verschärfen die Pandemie-Situation. Der Bundesrat steuert wieder stärker. Aber immer noch viel schwächer als die Nachbarländer.

UNTER QUARANTÄNE: Luxushotel Badrutt’s Palace in St. Moritz. (Foto: Keystone)

Am 20. Januar (Redaktionsschluss dieser Ausgabe) vermeldete das Bundesamt für Gesundheit 8235 Corona-Tote seit Pandemiebeginn und 504’918 Erkrankte. Die zertifizierten Betten auf den Intensivstationen waren zu 88 Prozent ausgelastet. Insgesamt lagen 1936 Menschen wegen Corona im Spital. Laut BAG haben von den bislang Hospitalisierten rund 15 Prozent keine relevanten Vorerkrankungen, 83 Prozent mindestens eine. Die häufigsten sind ­hoher Blutdruck (52 Prozent), Herz- und Kreislauferkrankungen (38 Prozent und Diabetes (25 Prozent).

MASSNAHMEN, AUSNAHMEN

Am 13. Januar hat der Bundesrat die Corona-Massnahmen wieder verschärft, aber weiterhin nicht die ausserordentliche Lage ausgerufen. Unter anderem hat der Bundesrat:

  • Die Schliessung von Beizen, Bars und Freizeiteinrichtungen bis Fe­bruar verlängert.
  • Läden geschlossen, die keine Güter des täglichen Bedarfs verkaufen – mit vielen Ausnahmen (siehe Artikel unten). Im Gegenzug hat er die beschränkten Öffnungszeiten wieder aufgehoben.
  • Die Anzahl Menschen, die sich privat oder öffentlich treffen dürfen, auf fünf aus zwei Haushalten beschränkt. Kinder zählen mit.
  • Homeoffice verordnet – ebenfalls mit vielen Ausnahmen.

Ebenfalls angepasst wurden die Regelungen für Härtefall-Entschädigungen. Die Auszahlung bleibt aber weiterhin in der Hand der Kantone, von denen viele aber trödeln.

Die Schweiz riskiert, die Lage erneut entgleisen zu lassen.

DIE MUTANTEN

Zum Handeln bewogen hat den Bundesrat die epidemiologische Entwicklung. Die mutierten Corona­viren aus Grossbritannien, Süd­afrika und Brasilien sind in der Schweiz angekommen. Und diese verbreiten sich viel leichter als die «alten». So rasant verbreiten konnten sich die Mutanten auch, weil die Schweiz im Unterschied zu den Nachbarländern die Skigebiete offen hält. Für das Geschäft ihrer Bergbahnen nehmen die einschlägigen Kantone auch riesige Reputationsrisiken in Kauf. Zum Beispiel in Belgien. Dort mussten wegen einer Touristin, die sich in ihren Schweizer Skiferien angesteckt hat, 5000 Menschen in Quarantäne. Im Nobelskiort St. Moritz stehen gleich zwei Luxushotels unter Quarantäne. Und in Wengen BE mussten wegen Corona die Schulen schliessen.

NACHBARN STRENGER

Trotz den in den ersten Januartagen getroffenen Massnahmen hat die Schweiz weiterhin ein sehr lockeres Corona-Regime – einen Büsi-Lockdown im Vergleich mit unseren Nachbarländern. Die fahren einen entschiedeneren Kurs. Insbesondere Deutschland und Österreich. Obwohl die im Vergleich zur Schweiz in Sachen Erkrankungen und Todesfällen besser dastehen. Gleichzeitig entschädigen diese Länder auch die von den Corona-Massnahmen betroffenen Firmen und Selbständigen fairer und unkomplizierter als die Schweiz.

WAS KOMMT NOCH?

Während Wissenschafterinnen und Wissenschafter über die neusten Entwicklungen der Corona-Pandemie besorgt sind, blockieren Verbände, rechte Parteien und Kantone in der Schweiz entschiedenere Massnahmen. Sowohl gesundheits- als auch finanzpolitisch. Und gefährden damit Leben und Existenzen. Wie lange das noch schlechtgehen kann, ist fraglich.

Die Schweiz riskiert, die Lage erneut entgleisen zu lassen. Zum zweiten Mal nach dem letzten Herbst. Der Bundesrat hat wegen der vielen Mutanten jetzt wieder ein bisschen Mut gezeigt. Aber das reicht noch längst nicht.


Offener BriefCorona richtig stoppen

Die Schweiz ist bei der Pan­demiebekämpfung seit dem Ende der «ausserordentlichen Lage» auf Schmusekurs mit dem Virus. Nicht zuletzt wegen der im Vergleich mit den Nachbarn weichen Massnahmen sind die Zahlen in der Schweiz wieder explodiert: Zehntausende Erkrankte, Tausende Tote, Gesundheitswesen am Anschlag. Jetzt regt sich Widerstand aus der Zivilgesellschaft.

KURSWECHSEL. Die Initiative «Stop Covid» schrieb dem Bundesrat einen offenen Brief. Darin fordern die Initiantinnen und Initianten einen «sofortigen Kurswechsel» bei der Pandemiebekämpfung. Konkret: Um die Ansteckungszahlen endlich nachhaltig zu senken, verlangen die Erstunterzeichnenden, darunter viele Direktbetroffene, unter anderem:

  • Eine Strategie, wie mit den Langzeitfolgen von Corona-Erkrankten ungegangen wird.
  • Der Bundesrat soll endlich auf die Expertinnen und Experten hören.
  • Die Gewährleistung der wirtschaftlichen Sicherheit für alle Einwohnenden.
  • Die wirksame Entlastung des Gesundheitspersonals.

www.offener-brief.ch

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