work-Kommentar:

Volksmehr bei der Konzernverantwortungs-Initiative ist ein riesiger Erfolg!

Clemens Studer

work-Autor Clemens Studer.

Selten sahen Siegerinnen und Sieger einer Volksabstimmung so hässig aus wie die ­Direktorin des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, Monika Rühl, und der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser in der Abstimmungssendung vom Schweizer Fernsehen. Die Mehrheit der Stimmenden wollte, dass Schweizer Konzerne für Umweltverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit im Ausland in der Schweiz haften müssen. Doch die Konzernverantwortunginitiative (Kovi) scheiterte am Ständemehr (siehe Artikel unten). 

Die Konzerne und ihre Politiker mögen ­öffentlich jubeln, obwohl das Volk nicht hinter ihnen steht. Aber zumindest die ­intelligenteren unter ihnen wissen: der windelweiche Gegenvorschlag wird nicht lange in Kraft sein. In der EU werden schon bald härtere Regeln gelten als in der Schweiz. Und, fast noch wichtiger: die Kampagne um die Kovi hat die Multis und Konzerne unter Beobachtung gestellt. Und dort werden sie bleiben. Wer im Dunkeln geschäftet, wird das nicht gerne sehen.

Die orange Dynamik wird nicht verschwinden. Die Multis und Konzerne stehen jetzt unter ­Beobachtung.

DRECKIGE GEGENKAMPAGNE

Das bisschen Zeit, um weiter verantwortungslos im Ausland zu geschäften, haben sich die Konzerne teuer erkauft. Zuerst verschleppten sie die Behandlung der In­itiative im Parlament mit allen Tricks. Dann starteten sie eine millionenschwere Kampagne mit Fake News. Und gehässigen Angriffen auf die Initiativ-Befürworterinnen und -Befürworter. Ihre politischen Wasserträgerinnen und Wasserträger mussten ­etwas liefern fürs Geld. Und sie lieferten. Zum Beispiel der Konzern-Lautsprecher Ruedi Noser. Und die Luzerner CVP-Ständerätin Andrea Gmür. Die CVP-Fraktionschefin trat bemerkenswert aggressiv auf. Insbesondere auch gegen die Kirchen, die sich hinter die Initiative gestellt hatten. Gmür ist pikanterweise die Schwägerin des Basler Bischofs Felix Gmür, der sich für die Initiative engagierte. Und jetzt im Gegensatz zu seiner Schwägerin eine Mehrheit des Volkes auf seiner Seite hat. Also die eigentlichen Siegerinnen und Sieger. Im Unterschied auch zu den von Aarau und Zürich aus gesteuerten Deutschschweizer Medien und ihren Online-Auftritten. Sie schrieben kon­sequent (einzige Ausnahme: tagesanzeiger.ch) gegen die Initiative und folgten der Agenda der Konzernkampagne. Das ist keine ­Behauptung, sondern die Erkenntnis einer Auswertung des «Forschungszentrums ­Öffentlichkeit und Gesellschaft» der ­Universität Zürich. 

Ebenfalls nur zu den formalen Siegerinnen gehört FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Die Justitizministerin liess sich in bemerkenswerter Weise in die Kampagne der Konzerne einspannen. Die lief darauf hinaus, einzig auf ein Stände-Nein zu setzen. Und die ging ja jetzt auch auf. Auch dank Keller-Sutter: Sie klapperte bis kurz vor dem Abstimmungssonntag jene «Wackel-Kantone» ab, die die Führer der Gegenkampagne identifiziert hatten, und holte damit für die Konzerne die Kohlen aus dem Feuer. Aber nicht das Volk hinter sich. Keller-Sutter hat in den vergangenen Wochen ihr vorher sorgfältig aufgebautes Image als Brückenbauerin und Vermittlerin beschädigt. Das wird niemandem so sehr bewusst sein wie ihr selbst.

BREIT-BUNTES BÜNDNIS

Ganz anders die eigentlichen Siegerinnen und Sieger dieser Abstimmung: Rund um die Konzernverantwortungsinitiative ist eine Dynamik entstanden, die beispielhaft ist. In Hunderten von Lokalkomitees engagierten sich Tausende Menschen für die Kovi. Sie ermöglichten mit ihren kleinen und mittleren Spenden, eine breite Kampagne für die Kovi zu fahren: Zehntausende Fahnen, Transparente und Velo­wimpel schufen eine beispiellose Sichtbarkeit für eine fortschrittliche Initiative. 

Diese orange Dynamik wird nicht verschwinden – Ständemehr hin oder her. Im Gegenteil: mit der Legitimität der Volksmehrheit im Rücken wird dieses breite und bunte Bündnis den Konzernen und ­ihren politischen Handlangern noch genauer auf die Finger schauen können. 

Und das war, ist und bleibt dringend nötig.


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