Covid-Impfung: Bald soll es auch bei uns losgehen

Ist der Corona-Spuk im Sommer schon vorbei?

Marie-Josée Kuhn

Grossbritannien geht mit dem Impfen ­voran. Die Schweiz will gleichzeitig mit der EU starten. Jetzt ist Hoffnung angesagt.

IMPFEN ODER NICHT IMPFEN? William Shakespeare (81) hat sich für die Corona-Impfung entschieden, als zweiter Mensch in Grossbritannien. (Foto: Keystone)

Das hat sich William Shakespeare nicht mal träumen lassen: dass er der zweite Mensch in Grossbritannien sein würde, der am 9. Dezember 2020 eine Impfung gegen Corona erhielte. Der 81jährige Mann aus Warwickshire in Mittelengland war danach jedenfalls in aufgeräumter Stimmung und sagte: «Diese Impfung kann von jetzt an unser Leben verändern!» Das Foto des Mannes schaffte es rund um die Welt und in die sozialen Medien: wegen seines auffälligen Namens. Häufig begleitet mit Zitaten seines berühmten Dichter-Namensvetters. Impfen oder nicht impfen, könnte man da sagen. Oder: «Macht doch nicht so viel Lärm um nichts!» So heisst eine Komödie Shakespeares, des älteren. Und so erhielt Tag eins im ersten westeuropäi­schen Land, das mit der Impferei begann, eine very britische Note.

«Weiteres Prüfen bringt nur Hunderte bis ­Tausende von zusätz­lichen Toten.»

SPUTNIK V

Noch im Herbst hatten sich alle gefragt, wer von den Pharmaunternehmen es als erstes schaffen würde. Immerhin hatten sich weltweit mehr als hundert Firmen an die Erforschung eines Anti-Corona-Impfstoffs gemacht. Geld floss, Zeit eilte: Allein die EU warf 7,4 Milliarden Euro für die Erforschung auf. Als erstes Land liess Russland seinen Impfstoff «Sputnik V» zu. Im Osten bleibt allerdings alles im Nebel: Die Impfstoffe wurden nicht einmal zur Zulassung in der EU angemeldet.

Und dann verkündeten nach­einander den Durchbruch: die Al­lianz des Mainzer Unternehmens ­Biontech und der US-Pharmagigant Pfizer sowie der US-Riese Moderna. Moderna produziert auch bei der Lonza in Visp VS und will dort bis zu 300 Millionen Impfeinheiten pro Jahr herstellen.

Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer, Moderna und jener des britischen Pharmakonzerns Astra Zeneca dürften auf dem westlichen Markt vorläufig vorherrschend sein. Teilweise sind sie auf revolutionären Wegen entwickelt worden (siehe «So wirken die Vakzine»).

Auch die Schweiz hat mit diesen drei Firmen Verträge abgeschlossen. Inzwischen setzt sie vor allem auf den Moderna-Impfstoff und hat die Bestellung auf 7,5 Millionen Dosen erhöht. Auch in der Schweiz startet die Impfaktion noch in diesem Jahr.

Täglich sterben in der Schweiz im Schnitt 100 Covid-Erkrankte. Pro Woche sind es 700. Im Monat 3000. Kommt dazu, dass die Spitäler schon voll sind. Eindringlich warnen mehrere Zürcher Klinikchefs vor dieser dramatischen Situation: «Die Schweiz hat Sars-CoV-2 überhaupt nicht im Griff!» (NZZ am Sonntag). Es gebe also keinen Grund, bei der Impfstoff-Zulassung zu trödeln, kritisiert der Berner Ex-Grünen-Nationalrat und Arzt Lukas Fierz. Er rechnet im «Infosperber» vor: Selbst «wenn eine Impfung zu nur 50 Prozent schützte, wäre sie für Alte schon ein gutes Geschäft, selbst bei schweren Nebenwirkungen und gelegentlichen Todesfällen». Doch die Corona-Impfstoffe schützen besser (zwischen 70 und 95 Prozent nach Angaben der Firmen). Und schwerwiegende Nebenwirkungen oder gar Tode sind bisher nicht bekannt. Fierz’ Fazit: «Weiteres Prüfen bringt nur Zeitverlust und Hunderte bis Tausende von zusätzlichen Toten. Es fänden sich sofort Hunderttausende von Alten und Risikopatienten. Und bis die Jüngeren und Gesunden drankämen, hätten die Behörden die hängigen Fragen längst geklärt.» Fierz schlägt also einen nicht unvernünftigen Zwei-Phasen-Impfplan vor.

«Wenn es ernsthafte Probleme bei diesen Impfungen gäbe, dann hätten wir sie längst gesehen.»

ZWEI-PHASEN-IMPFPLAN

Wer in welcher Reihenfolge eine Impfung erhalten kann, entscheidet die Eidgenössische Kommission für Impf-Fragen (Ekif). Ihr Chef, der Zürcher Kinderarzt Christoph Berger, hat die Prioritäten bereits bekanntgegeben: Zuerst sollen die ­Risikopersonen geimpft werden. Seniorinnen und Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen. Dann das Gesundheitspersonal und Menschen, die mit Risikopersonen zusammenleben. Die Elimination des Covid-Virus ist also nicht das Ziel der schweizerischen Impfstrategie. Sondern die Bannung der Pandemie. Wir hätten dann eine ähnliche Situation wie bei der Grippe.

Und die wäre erreicht, «wenn 75 Prozent der Risikopersonen und ihre nahen Kontakte immunisiert wären». Das sagt Ekif-Präsidentin und Ärztin Claire-Anne Siegrist vom Universitätsspital Genf in der NZZ: Und dann könnten wir wieder unser normales Leben aufnehmen. Jenes ohne Masken und Social Distancing. Könnte der Corona-Spuk also schon im nächsten Sommer vorbei sein?

Noch sind viele Fragen rund um die Anti-Corona-Impfstoffe offen. Doch auch Emer Cooke ist zu­versichtlich. Sie ist die Chefin der ­Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA), die die Zulassung der Corona-Impfstoffe derzeit für die EU prüft. Sie sagte dem deutschen «Handesblatt»: «Wenn es ernsthafte Pro­bleme bei diesen Impfungen gäbe, dann hätten wir sie längst gesehen. Die meisten Nebenwirkungen treten vier bis sechs Wochen nach einer Impfung auf.» Und: «Was wir momentan recht sicher wissen, ist, dass die Impfungen initial sehr gut wirken.» Ebenfalls heute schon klar ist, dass die Corona-Vakzine, wie andere Impfungen auch, Impfreaktionen hervorrufen können. Reaktionen, die allerdings grad wieder verschwinden.


Weitere Artikel zum Thema:

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.