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Elektroflieger: Sollen wir uns freuen oder ärgern?

Die Cessna Grand Caravan ist ein Lastesel der Lüfte. Nur macht sie Lärm und verbrennt Kerosin. Jetzt ist am Lake ­Moses / USA die erste elektrische Cessna Grand Caravan zu ihrem Jungfernflug gestartet. Ein wegweisendes Ereignis?

LEISE FLIEGT SIE DURCH DIE LÜFTE: Die erste elektrische Cessna Grand Caravan. (Foto: Magix)

Es gibt auf der Welt mehr als 2500 Cessna Grand Caravan, die Menschen und Güter transportieren. Auch weil diese kleinen Lastesel der Lüfte als relativ sicher gelten. Sie fliegen bis zu 1500 Kilometer weit, und dies auch in Flughöhen von mehr als 6000 Metern über Meer. Dank grossen Fenstern geniessen bis zu 14 Fluggäste den freien Blick. Die robusten Maschinen können auf Flugfeldern von nur 400 Metern Länge starten und landen. Nur machen sie Lärm und verbrennen pro Kilometer fast einen Liter Kerosin.

Werden bald einmal Elektroflieger in dieses Marktsegment vorstossen? Ein komplett neues Flugzeug zu entwickeln ist verdammt teuer, und die Zulassungen dauern lange. Deshalb werden weltweit bestehende Kerosin-Maschinen auf Elektroflieger umgerüstet.

JUNGFERNFLUG. Am 28. Mai 2020 startete – mitten in der Corona­krise – am Lake Moses in den USA die erste elektrische Cessna Grand Caravan zu ihrem Jungfernflug.
Den leistungsstarken – aber nur 131 Kilogramm schweren – Elektromotor hat das Unternehmen ­Magnix entwickelt. Für die Umrüstung der Maschinen ist die Firma Aerotec zuständig. Die Vorteile aus Sicht der beiden Hersteller:

  • 5 Prozent der weltweiten Flug­verbindungen würden weniger als 150 Kilometer ausmachen.
  • Mehr als 50 Prozent der Kosten pro Flugstunde würden bei der Grand Caravan auf Kerosin und Unterhalt des Antriebsstranges entfallen.
  • Die Kosten pro Flugstunde würden um 80 Prozent gesenkt, wenn man die Kilowattstunden Strom für 6 Rappen nachtanken könne. Der Himmel hängt noch voller ungeklärter Fragen:
  • Wie viel weniger Lärm machen startende und landende Elektro-Grand-Caravans als ihre fossilen Schwestern und Brüder? Vergleichende Messungen liegen bisher keine vor.
  • Brauchen die Maschinen pro Kilometer wirklich nur 3,5 Kilowattstunden Strom – wenn 14 Passagiere an Bord sind ? Und somit pro Sitzplatz und 100 Kilometer nur 25 Kilo-
    wattstunden?
  • Wie schwer ist das Batteriepaket samt den gesamten Steuerungs- und Sicherheitskomponenten?
  • Wann werden neue, leichtere und leistungsfähigere Batterien die Flugweite von aktuell geplanten 160 Kilometern auf 250 bis 300 Kilometer erhöhen?
  • Wie starke Mega-Charger braucht es, um die Batterien innert 20 Minuten nachzuladen?

In der kleinräumigen Schweiz zahlen die Flugsüchtigen für das Kerosin doppelt so viel wie im Ausland. Es wäre etwa für Fallschirmspringer somit doppelt so interessant, auf Elektroflieger umzusteigen.

Sollen wir uns freuen oder ärgern?

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/schweizer-elektroflugi
    Die Ruag ist das Kind einer – über alles gesehen – erfolgreichen linken Industriepolitik. Denn statt nur militärische Güter zu produzieren, begann dieser Bundesbetrieb auch für den zivilen Sektor tätig zu werden. Um so Arbeitsplätze und Know-how zu sichern. Ein Projekt war das geplante Revival des Propellerflugzeugs Dornier Do 228 mit 19 Sitzplätzen. Zusammen mit Siemens wollte man diese Maschine 2018 elektrifizieren. Das hat aber nicht geklappt. Einmal mehr scheinen die Amerikaner mit der Cessna Grand Caravan schneller zu sein. Eigentlich schade.
  • rebrand.ly/jungfernflug
    Auf dem deutschen Nachrichtensender n-tv kann, wer dies will, den Videostream des 30 Minuten dauernden Jungfernfluges des «grössten emissionsfreien Elektroflugzeuges der Welt» anschauen.
  • rebrand.ly/neue-magritten
    Aerotex und Magnix arbeiten daran, bis Ende 2021 die Zulassung für die eCaravan zu erhalten. Ziel sei es, Ende 2021 die Strecke von 160 Kilometern mit voller Zuladung fliegen zu können. Die Cessna Grand Caravan 208 B kann maximal 14 Passagiere befördern – statt derzeit 4 bis 5 in der eCaravan. Möglich werden soll das durch neue Akkus, etwa mit Lithium-Schwefel-Batterien.
  • rebrand.ly/voll-daneben
    Die Mehrheit der Leserinnen und Leser der deutschen IT-Nachrichten-Website Heise findet die elektrische Cessna Grand Caravan voll daneben.

1 Kommentar

  1. Henning Güthe

    Hallo und Moin aus dem Kreis Steinburg in SH mit ehem. Fliegerhorst der Heeresflieger Hungriger Wolf und Springerabsetzmaschine Cessna Grand Caravan mit sehr lautem Turbo-Prop-Triebwerk.

    Ich persönlich begrüße die Entwicklung des Elektrotriebwerks für die Cessna 208 und hoffe auf eine baldige Umrüstung der die gesamte Region zwischen Hohenlockstedt und Itzehoe speziell an den Wochenenden enormen Fluglärm verbreitenden Maschine. Schön wären auch viele Anwohner, die genauso diesen Lärm als gesundheitsschädlich empfinden wie ich und sich damit an das Kreisumweltamt in Itzehoe wenden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Henning G ü t h e

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