Rechte Parteien und Wirtschaftsverbände wollen Corona-Schutz aufweichen – doch Viren-Bändiger Daniel Koch stellt klar:

«Wir sind Maximum in der Hälfte»

Clemens Studer

Die vom Bundesrat getroffenen Mass­nahmen zum Schutz der Bevölkerung wirken. Jetzt ­wollen sie rechte ­Politiker und Lobbyisten schleifen. Und dafür 30 Prozent der Be­völkerung einsperren.

SOCIAL DISTANCING: Geisterspiel der Eishockey Champions League in Genf. (Foto: Keystone)

Die Corona-Pandemie ist die grösste Krise der Schweiz seit dem Zweiten  Weltkrieg. Der Bundesrat regiert seit dem 16. März mit besonderen Befugnissen in einer «ausserordentlichen Lage». Die beschlossenen Massnahmen sind einschneidend für die Menschen und auch für die Wirtschaft. Und sie werden lange Folgen haben. Und noch immer sind nicht alle Menschen im Land tatsächlich so geschützt, wie das die Expertinnen und Experten empfehlen. Vor allem nicht in der Arbeitswelt (siehe Artikel Seiten 3 und 4).

BITTE RECHNEN!

Pandemiebekämpfung hat viel mit Mathematik zu tun. Die Entwicklung einer Epidemie oder einer Pandemie wird mit sogenannten Reproduktionszahlen beschrieben. Es gibt einerseits die Basis-Reproduktionszahl. Sie drückt aus, wie viele ungeschützte Menschen von einer erkrankten Person angesteckt werden. Und es gibt die Netto-Reproduktionszahl. Sie berücksichtigt auch die Immunität in der betroffenen Bevölkerung. Immunität entsteht durch bereits überstandene Krankheit oder eine Impfung. Gegen das neuartige Coronavirus gibt es noch keine Impfung. Die Netto-­Reproduktionszahl bezieht aber auch die Wirkung von Schutzmassnahmen ein. Solange die Netto-Reproduktionszahl über 1 liegt, also Erkrankte im Schnitt mehr als einen weiteren Menschen anstecken, nimmt die Ausbreitung der Krankheit weiter zu. Liegt sie bei 1, bleibt die Ausbreitung stabil. Erst wenn sie unter 1 fällt, klingt die Epidemie ab.

Die Idee der «Durch­seuchung» der «gesunden» Bevölkerung ist gescheitert.

MASSNAHMEN WIRKEN

Am Mittag des 7. April hatte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 22’242 Corona-Fälle erfasst. Das waren 590 bestätigte Infizierte mehr als am Vortag. 785 Menschen waren bis dahin im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben. In den Tagen zuvor sind die Fallzahlen weniger stark angestiegen als zuvor. Es liegt nahe, dass die getroffenen Massnahmen zu wirken beginnen. Und das Gesundheitssystem läuft weiterhin stabil. Auch das ist ein Ziel der vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen. Aber, so Corona-Experte Daniel Koch: «Das Problem ist bei weitem nicht ­gelöst.» Und: «Wir sind Maximum in der Hälfte.» Auch für andere Expertin­nen und Experten ist klar: Wir sollten das bisher Erreichte nicht aufs Spiel setzen.

RECHTE DREHEN IM ROTEN

Doch genau das wollen die rechten Parteien von SVP bis GLP. Und der ­Gewerbeverband. Ihre minim unterschiedlichen Haltungen lassen sich auf den folgenden Nenner bringen: Die Schutzmassnahmen (Abstand halten, keine Treffen über fünf Personen usw.) sollen ausschliesslich noch für Risikogruppen gelten. Alle anderen sollen wieder werken und konsumieren wie vor dem Corona-Ausbruch. Und der Bundesrat müsse umgehend sagen, wie er aus dem Ausnahme­zustand austeigen wolle. Letzteres ist eine Nullforderung – weil: Darüber denken sie beim Bund seit der Aus­rufung der ausserordentlichen Lage nach. Und ersteres ist ziemlich einfältig. Warum?

Die Corona-Risikogruppen sind Menschen über 65 Jahren mit oder ohne Vorerkrankung. Plus alle Menschen unter 65 Jahren mit Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, chronischen Atemwegserkrankungen (zum Beispiel Asthma), Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ebenfalls eine Risikogruppe sind Krebskranke und Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

30 PROZENT EINSPERREN?

Alle diese Menschen also wollen SVP und Co. jetzt unter Quarantäne stel­len. Ein Blick auf die Zahlen des BAG zeigt, was das heissen würde: Als be­sonders gefährdete Menschen sind ­­dort 2’602’000 Menschen aufgeführt. Das entspricht fast 30 Prozent der Gesamtbevölkerung. Sie sollen jetzt einfach mal wegsperrt werden. Das ist ganz ­offensichtlich keine Lösung. Doch die hiesigen Rechten sind insoweit konsequent, als dass sie ihren weltweiten Gesinnungsfreunden folgen. US-Präsident Donald Trump verharmloste Corona so lange, bis die Totenzahlen explodierten. Dem brasilianischen Faschisten-­Bewunderer Jair Bolsonaro ging es genau gleich. Ebenfalls in diese Männerriege passt der britische Premier Boris Johnson. Er ignorierte die Pandemie so lange, bis er selbst auf der Intensiv­station landete. Die Idee der «Durchseuchung» der «gesunden» Bevölkerung ist gescheitert. Nicht auf dem Papier, sondern in der Realität. Sie wäre ein riesengrosser, zynischer Menschenversuch. Das erlebt jetzt auch Schweden, das den hiesigen Freunden einer «Durchseuchung» lange als Vorbild diente. Denn dort bereitet die Regierung nun ähnliche Massnahmen vor, wie sie in der Schweiz gelten. Und auch Österreich kann nicht ernsthaft als Vorbild gelten: Dort lockert der rechte Bun­deskanzler Sebastian Kurz jetzt zwar die verhängten Massnahmen. Doch das ­österreichische Regime war um einiges strenger als das geltende schweizerische. Und auch von den Infektionszahlen her sind die beiden Länder nicht zu vergleichen.


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1 Kommentar

  1. Franziska Hulliger

    Der Artikel von der Woz-Zeitung ist auch sehr gut. Da weis man wieso das der Herr Blocher so reagiert. Geld Regiert die Welt, so sieht es bei ihm und seiner Tochter Magdalena Martullo-Blocher aus. Aber einfach Menschen wegsperren die nach ihren Augen nicht mehr ins System passen das geht gar nicht. Das ist diskriminierend und unmenschlich und gehört in meinen Augen auch bestraft. Der Bundesrat macht seine Sache sehr gut und nimmt seine Pflichten der Bevölkerung gegenüber sehr ernst. Zuerst die Gesundheit und dann die Wirtschaft. Bei der SVP und FDP und co. ist es leider genau umgekehrt. Leider ———————————————————————————————-Zum Beispiel: SVP Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher: Darum Entlassen sie auch Mitarbeiter in ihren Firmen. Sie benutzen die Corona-Kriese ohne Rücksicht auf Verlust und wollen uns immer noch weiss machen sie seien für die Arbeitnehmer. In meinen Augen wird die Coronavirus-Krise auch benutzt von den grösseren Unternehmen ( Arbeitgeber ) um Arbeitsplätze zu säubern um nachher billigere Arbeitnehmer wieder einzustellen. Die SVP nimmt die Krise sehr ernst und entlässt Mitarbeiter zugunsten von Arbeitgebern obwohl der Bundesrat ganz klar sagte, dass man Kurzarbeit beim RAV anmelden kann. Auch die weiteren Auszahlung von Millionen Dividenden und Boni`s Ausschüttungen sind einen Grund für solche Kündigungen die absolut daneben sind. Magdalena Martullo-Blocher Nur weil sie Angst haben dass sie zuwenig an Dividenden zu verdienen und IHRE sogenannte Wirtschaft leidet sollen wir die Gesundheit aufs spiel setzen. Jetzt ist fertig mit nur immer ICH, ICH, ICH . Frau Magdalena Martullo-Blocher Jetzt heisst es WIR. Mit Wir ist die ganze Bevölkerung gemeint. Die Gesundheit der Bevölkerung geht vor, denn mit einer kranken, gestorbenen Bevölkerung kann man keine Wirtschaft aufbauen. Also, schauen wir, das die Bevölkerung gesund bleibt und dann Magdalena Martullo-Blocher bauen wir GEMEINSAM wieder die Wirtschaft auf und nicht umgekehrt.
    Also Magdalena Martullo-Blocher, Die Welt dreht sich nicht nur um sie und ihre Familie sondern um alle Menschen. Alles klar? Was ihr da fabriziert ist Menschenunwürdig und diskriminierend und alles andere als Solidarisch.
    Hier der Link zum WOZ-Artikel:
    https://www.woz.ch/-a7e9?fbclid=IwAR1K4mKuG2Yf-LAYNml3_Gvd2NfhyJ2DJ6APR1hQzSJuiTDyposVltaqULk

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