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Glencores Monster

Patricia D'Incau

Milliarden verdienen Schweizer Multis mit Ausbeutung und Um­weltzerstörung. Zum Bei­spiel Glencore. «Der Konzern-Report» geht diesen ­Machenschaften filmerisch auf die Spur.

MONSTRÖS: El Cerrejón in Kolumbien ist die grösste Kohlemine Lateinamerikas. Das sind 70’000 Hektaren toter Boden. (Foto: Getty)

Kolumbien. Eine Luftaufnahme: Blick auf El Cerrejón, die grösste Kohlemine Lateinamerikas. Fast 70’000 Hektaren toter Boden, abgetragener Stein – ein riesiger schwar­zer Schlund. Und jeden Tag wird er grös­ser. Rund 80’000 Tonnen Kohle werden hier täglich abgebaut. Mehr als 30 Mil­lionen Tonnen pro Jahr.

Schnitt. In der Totalen: Mariluz ­Uriana, langes schwarzes Haar, buntes Kleid. Sie kämpft gegen El Cerrejón, das «Monster», wie sie die Mine nennt. Uriana gehört zur indigenen Wayúu-Gemeinschaft, die das Land im Nordosten Kolumbiens über Jahrhunderte bewohnte und bewirtschaftete. Bis die Mine kam. Und sich alles ein­verleibte: den Grossteil des tropischen Trockenwalds, Seen und Flüsse, ganze Dörfer. Unter Zwang wurde ein Teil ­der Bevölkerung umgesiedelt. Mariluz Uriana und ihr Dorf sind noch da, aber: «Das Leben früher war ruhiger», sagt Uriana. «Ohne all die Krankheiten. Ohne all den Schmerz.»

GEWALTSAME VERTREIBUNG

Die Mine vergiftet die Menschen. Der Tagebau setzt Schwermetalle frei. Sie gelangen in die Luft, ins Wasser, in die Böden. Und von dort in den Körper. «Unsere Kinder leiden unter Asthma, Juckreiz, Ausschlägen. Die Erwachsenen unter Bluthochdruck und Herzbeschwerden», erzählt Uriana. Dazu kommen wirtschaftliche Probleme: Die Ernten fallen kleiner aus, die Fischerei ist geschrumpft, die Selbst­versorgung zusammengebrochen. Die Mine zerstört die Lebensgrundlagen, ohne neue zu schaffen: 2017 stellte der Bergbau nur gerade 2,9 Prozent der ­Arbeitsplätze in der Region. Minen­arbeiterinnen und Minenarbeiter, die sich gewerkschaftlich organisieren, wer­den bedroht.

Schnitt. In der Schweiz: Hier sitzen die Verantwortlichen. Dem Multi Glencore gehört ein Drittel von El Cerrejón. 2017 verdiente der Konzern 387 Mil­lionen Dollar mit der Ausbeutung am äussersten Zipfel Kolumbiens. Es ist nicht das einzige giftige Geschäft: Glen­cores Kupfermine in Sambia verpestet die Luft mit tödlichen Schwefeldioxid-Wolken. Im Kongo kontaminieren Kupfer- und Kobaltminen die Böden, die Dämpfe in der Luft sind lebensgefährlich. Und in der Klage der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation International Rights Advocates (IRA) gegen Kinderarbeit taucht Glencore bis zu fünfzig Mal auf.

Die Glencore-Mine vergiftet die Menschen.

FDP-MANN GEGEN KONZERNE

Glencore ist der grösste Skandal-Multi mit Sitz in der Schweiz, aber nicht der einzige: Nestlé, Gunvor, Vitol, Trafigura … Die Liste ist lang. Je nach Rohstoff laufen zwischen 20 und 65 Prozent des gesamten Welthandels über Schweizer Unternehmen. Hier profitie­ren sie von tiefen Steuern und wenig Regulationen. Im globalen Süden davon, dass sie und ihre Tochterfirmen für Ausbeutung und Umweltzerstörung nur selten verurteilt werden.

Schnitt. Kamerafahrt: Dick Marty spaziert dem Luganersee entlang, sagt: «Diese Konzerne sind fast immer dort tätig, wo der Staat sehr schwach ist und die Justiz nicht funktioniert. Die einzigen geltenden Regeln sind die Interessen der Konzerne.» Marty ist kein Linker, sass für die FDP im Eidgenös­sischen Parlament. Trotzdem ist er der Kopf der Konzernverantwortungsinitiative, die fordert: Menschen, die im Ausland Opfer von Schweizer Konzernen werden, müssen in der Schweiz klagen können. Ein fairer Prozess in einem stabilen Rechtssystem.

Schnitt. Kolumbien: Anwalt Alirio Uribe Muñoz ist sich sicher: «Wenn morgen dank einer Schweizer Gesetzgebung erreicht wird, dass Schweizer Konzerne vor Schweizer Gerichten zur Verantwortung gezogen werden können», dann wäre der Zugang der Opfer «zum Recht, zur Wahrheit und zur Wiedergutmachung garantiert.» Ob und wann das sein wird, steht in den Sternen. Die Konzernverantwortungsinitiative wurde 2016 eingereicht. Seither schieben Parlament und Regierung das Geschäft vor sich hin (siehe Box).

Dokumentarfilm «Der Konzern-Report», erhältlich auf DVD, Richtpreis: 10 Franken. konzern-initiative.ch/konzern-report-dvd

Konzernverantwortung: Kampagne unterbrochen

Ihre Unternehmenssitze haben die Multis Glencore, Lafarge Holcim und  Co. in der Schweiz. Die Ausbeutung und die Umweltzerstörung prak­­tizieren sie weit weg, im globalen Süden. Für den «Konzern-Report» haben ein Schweizer Filmteam sowie Vertreterinnen und Vertreter der Kon­zernverantwortungsinitiative im De­zember 2019 Schauplätze in Kolum­bien und Nigeria besucht, an denen sich die Bevölkerung seit Jahren vergeblich gegen die Multis wehrt.

VERSCHOBEN. Der «Konzern-Report» sollte ab März an 276 Filmabenden in der ganzen Schweiz gezeigt werden. Wegen des Coronavirus wurden alle Veranstaltungen abgesagt. Und das Thema im Parlament einmal mehr auf die lange Bank geschoben: In der Frühlingssession stand die Initiative (wieder) auf der Traktandenliste. Wegen Corona wurde die Ses­sion abgebrochen.

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