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Corona: Ein paar Brechtsche Fragen in der Krise

Das Gedicht «Fragen eines ­lesenden Arbeiters» von ­Bertold Brecht gehört mit zu den besten Texten der Linken. Er entlarvt in Frageform die ­herrschende Geschichtsschreibung als die Geschichtsschreibung der Herrschenden. Auf den Spuren von Brecht ein paar Anschluss­fragen zu Beginn der Corona-Krise.

HOCHAKTUELL. Bertolt Brechts Gedicht von 1938.

Alle reden von «social distancing». Gibt es kein deutsches Wort dafür? Ein Vorschlag: Wir alle müssen neu in einer Spuckdistanz von 2 Metern durch unser Leben zirkeln. Und dies (Stand Mittwoch, 25.03) nie mehr als 5 gleichzeitig. Wann wird die erste Politikerin, wann wird der erste Politiker sich trauen, das Wort Spuckdistanz in den Mund zu nehmen?

Das Gedicht «Fragen eines lesenden Arbeiters» von Bertold Brecht gehört mit zu den besten Texten der Linken. Der deutsche Dichter hinterfragte die herrschende Geschichtsschreibung, die immer die Geschichtsschreibung der Herrschende war: «Cäsar schlug die Gallier. Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?» Daniel Koch ist zuständig beim Bund für die übertragbare Krankheiten. work hat ihn in der letzten Nummer porträtiert. Jetzt kennen ihn alle vom Fernsehen her. Unser Koch steuert die Schweiz durch die Krise. Er tut dies unaufgeregt und mitfühlend. Der Koch wird erst in Pension gehen, wenn der Virus geschlagen ist. Gut so! Wer einen guten Koch hat, schläft ruhiger. Wir brauchen aber auch einen Impfstoff. Wann wird es soweit sein? Reichen 12 Monate? Die Schweizer Pharma-Multis entwickeln keine Impfstoffe mehr. Sie haben diesen Ge­schäfts­zweig verkauft. Und konzentrieren sich vorab auf die Entwicklung von viel zu teuren Anti-Krebs-Therapien. Kann man Roche und Novartis zwingen, wieder in Impfstoffe zu investieren? Oder muss der Staat in Sachen Impfstoffe eine eigene Forschung, Entwicklung und Produktion aufziehen? Und wenn ja, sollte man in logischer Konsequenz nicht die ganze Pharmaindustrie vergesellschaften? Damit der menschliche Erfindergeist und damit der technische Fortschritt allen Menschen dient – und nicht vorab den zu reichen Sofa-Erben innovativer Väter und Mütter?

SVP-BEATMUNG. Während 25 Jahren lag die Verantwortung für die «beste Armee» der Welt bei der SVP. Auf Adolf Ogi, der in dieses Departement strafversetzt wurde, folgten Sämi Schmid, Ueli Maurer und Guy Parmelin. Die Armee hat nach 25 Jahre SVP-Beatmung nicht genügend Schutzmasken, nicht genügend Schutzanzüge und lächerliche 200 Beatmungsgeräte, die teilweise nicht funktionieren. Und keine Antibiotika-Produktion mehr. Das hat nichts mit Globalisierung zu tun, sondern mit Nichterfüllung des verfassungsmässigen Auftrags der Armee. Die Schweizerinnen und Schweizer werden keinen neuen Kampfflugzeugen zustimmen. Zuerst soll Viola Amherd Schutz­masken kaufen. Warum in aller Welt macht die «Gruppe Schweiz ohne Armee» GSoA nicht eine breite Kampagne, um die grassierenden Kampfjet-­Viren medienwirksam vom Himmel zu holen?

NATIONALBANK-MILLIARDEN. Im Tessin steht der Bau still. In Genf und der Waadt ebenfalls. Früher oder später wird das für die ganze Schweiz gelten. So wie dies Unia-Chefin Vania Alleva fordert. Denn auf dem Bau können Männer und Frauen ganz einfach nicht permanent eine Spuckdistanz von 2 Metern einhalten. Die Investmentbank Morgan Stanley rechnet für die USA mit einem Einbruch des Brutto­inlandproduktes von 30 Prozent. Dies entspricht umgerechnet auf die Schweiz einem Einbruch von 200 Milliarden Franken, bis ein Impfstoff absehbar den Viren-Spuk vertreibt. Kein Problem, denn die Nationalbank sitzt auf einem Staatsfonds von 750 Milliarden Franken. Warum in aller Welt fordern Grüne, SP und Gewerkschaften nicht, dass man diese heilige Kuh endlich melkt?

UND DANACH? Die Krise ist kein Pro­blem für reiche Gesellschaften wie die Schweiz. Wenn die Lohnabhängigen über Kurzarbeit 100 Prozent Lohn erhalten. Wenn jene Unternehmen, die die Verluste nicht wettmachen können, die Kredite nicht zurückzahlen müssen. Warum verlangt bisher niemand, dass den Boni-­Bankern radikal die Löhne gekürzt werden?

Viele von uns werden in den nächsten Monaten viel zu viel Zeit vor den Fernsehern und den Bildschirmen verbringen. Was werden wir unternehmen, wenn wir einst aus unseren Gefängnissen ausbrechen können? Endlich das volle, pralle Leben wieder geniessen? Ein erster Schritt: Diesmal gibt es keine Hinweise auf Internet-Seiten.

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