Endlich: Mehr Schutz gegen Homo-Hass

Ein Gesetz gegen die Angst

Patricia D'Incau

Beleidigungen und Gewalt: Schwule und Lesben sind kaum vor Angriffen geschützt. Das könnte sich mit der Abstimmung vom 9. Februar ändern.

DRINGEND ÄNDERN: Noch ist es in der Schweiz erlaubt, Homosexuelle als Gruppe zu beschimpfen und zu diskriminieren. Und den Worten folgen viel zu oft Gewalttaten. (Foto: iStock)

Am letzten Weihnachtsessen war es für Zugdisponent Louis Marti * (52) mit der Feierlaune plötzlich vorbei. Sein Tischnachbar begann, blöde Sprüche zu machen. Darüber, dass Marti schwul und dass das nicht normal sei. Marti sagt: «Ich war schockiert, das zu hören. Ausgerechnet von einem Kollegen, von dem ich dachte: Der hat mich akzeptiert, so wie ich bin.» Doch an diesem Abend bekam Marti einmal mehr zu spüren: Dass er Männer liebt und nicht Frauen, macht ihn noch immer zur Zielscheibe. Auch bei der Arbeit.

Und damit ist er längst nicht allein. Beleidigungen, Mobbing und sogar Gewalt: Homo-Hass ist noch immer weit verbreitet – und nimmt laut der Schwulenorganisation Pink Cross sogar wieder zu. Auf der Strasse, in der eigenen Familie, und eben auch: am Arbeitsplatz.

Gesetzeslücke: Schwule und Lesben sind Chefs schutzlos ausgeliefert.

GEPLAGT UND BELÄSTIGT

Deutlich zeigt das eine jüngere Umfrage der Universität Genf: 70 Prozent aller befragten schwulen oder lesbischen Angestellten gaben an, dass sie an ihrem Arbeitsplatz homofeind­liche Stimmung erlebt haben. Das heisst: Beleidigungen und obszöne Bemerkungen, Ausgrenzung aus dem Team und sogar: physische und sexualisierte Gewalt. Letzteres trifft vor allem Frauen: Bei der Genfer Umfrage waren es in 26,8 Prozent aller Fälle lesbische Frauen, die sexuell belästigt wurden.

Dazu kommt für viele Homosexuelle die dauernde Angst, alles zu verlieren. Dann nämlich, wenn ihnen nach dem Coming-out gekündigt wird oder sie einen Job gar nicht erst bekommen. Einzig und allein, weil sie homo sind und nicht hetero. Rechtlich wehren können sich die Betrof­fenen heute nicht. Zwar sind dis­kriminierende Kündigungen und Nichtanstellungen durch das Gleichstellungsgesetz klar verboten. Doch weil die sexuelle Orientierung dort nicht explizit erwähnt wird, entschied das Bundesgericht im Frühling im Fall eines schwulen Armeeangestellten: Schwule und Lesben könnten sich nicht auf das Gleichstellungsgesetz berufen. Und sind dem Arbeitgeber damit schutzlos ausgeliefert.

ENDLICH SCHUTZ?

Das zumindest könnte sich jetzt endlich ändern: Dann nämlich, wenn am 9. Februar der neue Diskriminierungsschutz angenommen wird. In erster Linie geht es darum, dass öffentliche Hass- und Gewaltaufrufe gegen Homosexuelle strafrechtlich belangt werden können (siehe unten). Und Homosexuelle dürfen dann auch nicht mehr kategorisch von Leistungen ausgeschlossen werden, die für die Öffentlichkeit gedacht sind. Wie zum Beispiel der Besuch in einem Restaurant oder der Einkauf in einem Geschäft. Der freie Zugang zur Arbeitswelt wird hier zwar nicht explizit ­erwähnt. Doch für Reto Wyss vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist klar: «Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung im Beruf ausgeschlossen werden. Deshalb besteht endlich die Chance, dass sich künftig auch Homosexuelle gegen diskriminierende Kündigungen und Nichtanstellungen wehren können.»

Vor allem aber würde die Schweiz mit dem neuen Diskriminierungsschutz in Sachen Gleichstellung ein Mini-Schrittchen vorwärtsmachen. Denn: aktuell ist sie eines der einzigen Länder Mitteleuropas, in denen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Inter- und Transmenschen (LGBTI) nicht rechtlich vor Diskriminierung geschützt sind. Dafür kassiert die Schweiz vom Europarat regelmässig eine Rüge. Und der jährliche europaweite Vergleich – das «Rainbow Ranking» – zeigt: Zu nur gerade 29 Prozent werden in der Schweiz die Menschenrechte eingehalten, wenn es um die Gleichstellung von LGBTI-Menschen geht.

ANGRIFF VON RECHTS

Ende 2018 fand da schliesslich sogar das bürgerlich-dominierte Parlament: Es braucht gesetzliche Verbesserungen. Und erweiterte die bereits bestehende Rassismus-Strafnorm um das Merkmal der «sexuellen Orientierung». Damit neben rassistischer Hetze eben künftig auch homophobe Hassaufrufe strafbar sind.

Mit dem Ja im Parlament war der erweiterte Diskriminierungsschutz eigentlich geritzt. Doch weil das den rechten Parteien EDU und SVP nicht passte, kommt die Vorlage jetzt an die Urne. Und die Umsetzung wird verzögert.

Ein riesiger Affront, findet SGB-Mann Wyss. Für ihn ist klar: «Die Rechten wollen einmal mehr die Grundrechte schleifen.» Schliesslich heisst es eigentlich schon längst in der Verfassung: Jeder Mensch hat das Recht, ohne Diskriminierung zu leben. Für Wyss ist es deshalb keine Frage, dass die Gewerkschaften für den Schutz vor Diskriminierung mobilisieren, denn: «Ein Ja am 9. Februar bedeutet ein Ja zum sozialen Fortschritt.»

* Name geändert.

Gratis: Flagge ­zeigen gegen ­Homophobie

«Farbe bekennen» lautet das Motto für die Abstimmung am 9. Februar. Dazu passt: eine Regenbogenfahne daheim am Balkon montieren und ein Zeichen gegen Homophobie ­setzen. Zu bestellen sind auch ­Buttons (Bild unten), Stickers oder Weihnachtskarten, alles gratis:
jazumschutz.ch.

LOS! Organisiert wird die Kampagne von der Lesbenorganisation LOS, dem Schwulendachverband Pink Cross sowie weiteren LGBTI-Organisationen. Mit Unterstützung von ­linken und bürgerlichen Parteien, von Vereinen und Gewerkschaften.


Schutz vor DiskriminierungDarum geht’s

Im August 2018 veröffentlichte ­Florian Signer von der rechtsradikalen Kleinpartei PNOS eine haarsträubende Hetzschrift. Darin bezeichnete er Homosexuelle als ­«Deserteure» in einem «demographischen Krieg» und behauptete, Schwule würden «Pionierarbeit für Pädophilie» leisten. Dazu forderte Signer: Homosexualität in der Öffentlichkeit solle strafbar sein – und Schwule und Lesben sollten sich «der Wissenschaft zur Verfügung» stellen. Ein Satz, der an die Nazizeit erinnert. Schliesslich wurden Homosexuelle damals für «medizinische Experimente» missbraucht und bis zum Tod gequält.

Gegen Signers Pamphlet reichten 245 Personen Anzeige ein, zusammen mit dem Schwulendachverband Pink Cross. Allerdings ohne Erfolg. Denn: Weil Homo-Hass (noch) nicht verboten ist, gab es keinen Strafbestand.

Diese Lücke soll jetzt geschlossen werden. Wenn die Vorlage am 9. Februar angenommen wird, gilt: Wer gegen Homosexuelle hetzt, sie systematisch herabsetzt oder gar zu Gewalt aufruft, soll künftig mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bestraft werden.

KEIN «SONDERRECHT». Eine solche Bestimmung kennt das Gesetz mit der Rassismus-Strafnorm schon heute. Sie stellt die Hetze gegen Menschengruppen aufgrund ihrer Rasse, Ethnie und Religion unter Strafe. Die Verankerung von mehr Schutz für Schwule, Lesben und Bisexuelle ist damit nicht ein «unnötiges Sonderrecht», wie etwa die SVP behauptet. Und schon gar nicht für Einzelpersonen. Schliesslich greift die neue Strafnorm nur dort, wo in der Öffentlichkeit gegen Homosexuelle als ganze Gruppe gehetzt wird. Während sich Schwule und Lesben – wie alle anderen auch – schon heute rechtlich gegen persönliche Beleidigungen oder Angriffe wehren können.

Hier würde der neue Diskriminierungsschutz allerdings auch vorbeugend wirken: Schliesslich ist die Verbreitung von Hetze mitverantwortlich dafür, dass Schwule und Lesben Opfer von Gewalt werden.

Und das offenbar wieder häufiger. Denn: Laut dem Dachverband Pink Cross nehmen Gewalt- und Hassdelikte gegen Schwule, Lesben und Bisexuelle zurzeit wieder zu. Der jüngste bekannte Angriff ereignete sich im September in Zürich: Ein Mann wurde auf offener Strasse von fünf Männern brutal zusammengeschlagen – weil er seinen Freund geküsst hatte.

 

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