Inselspital: Pflegefrau Sarah Peter (32) wird schwanger – und verliert ihre Stelle

«Ich weiss bis heute nicht, warum ich gehen musste»

Patricia D'Incau

Als Sarah Peter ­schwanger wird, scheint ihr Glück ­perfekt. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, dass sie deshalb ihren Job ­im Berner Inselspital ­verlieren könnte.

SARAH PETER: «Ich will meinen Teil dazu beitragen. Deshalb stehe ich hin. Damit keine Frau mehr arbeitslos wird, nur weil sie Mutter ist.» (Foto: Matthias Luggen)

Seit acht Jahren arbeitet Sarah Peter als Pflegeassistentin am Berner Inselspital. Zuletzt in der Frauenklinik. Eine Arbeit, die sie liebt. Sie sagt: «Als ich schwanger wurde, war für mich klar, dass ich nach dem Mutterschaftsurlaub wieder zurück in den Job will.» Ihr 70-Prozent-Pensum möchte sie aber auf 50 Prozent reduzieren. Peter ist sich sicher, dass das gehen werde. Schliesslich wirbt die Insel mit Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Frauenklinik damit, dass sie Teilzeitstellen fördert.

GROSSER SCHOCK

Doch dann kommt alles anders. Im Januar 2019 informiert Peter ihre Chefin, dass sie nach der Geburt weniger arbeiten wolle. Peter: «Diese antwortete, dass sie darüber mit der Sektor­leiterin sprechen müsse.» Danach hört die Pflegefrau nichts mehr. Bis ihre Chefin sie zu sich ruft, um ein Formular zum Mutterschaftsurlaub auszufüllen. Peter erzählt: «Ich fragte zuerst: ‹Habe ich meine Stelle nach dem Urlaub noch?› Und meine Chefin antwortete: ‹Ah, nein, du musst kündigen.›» Für Peter ein Schock. Zwar habe sie gewusst, dass das Insel­s­pital Stellen abbaue. Doch: «Uns wurde immer gesagt, wir müssten keine Angst haben.»

Warum sie gehen muss, erfährt Peter nicht. Mehrmals habe sie nachgefragt, aber: «Bis heute habe ich keine klare Antwort bekommen.» Genauso wenig wie auf die Frage, warum sie selbst kündigen solle. Peter weiss: «Wenn schon, müssten sie mir kündigen.» Ein Anruf beim Rechtsschutz bestätigt das. Doch bei der Personalabteilung der Insel sei ihr darauf gesagt worden, der Rechtsschutz habe sie «falsch informiert». Irgendwann wird es Sarah Peter zu viel: «Ich hatte Angst, dass ich noch mehr Probleme bekäme.» Also kündigt sie. Und damit ist die Insel aus dem Schneider. Denn: Das Spital darf Schwangere nicht entlassen. Es gilt ein absoluter Kündigungsschutz, bis zur Geburt und 16 Wochen danach. Aber auch später ist eine Kündigung wegen Mutterschaft verboten. So steht es im Gleichstellungsgesetz – und dieses dürfte die Insel kennen. Schliesslich verlor sie letztes Jahr einen langwierigen Rechtsstreit wegen Diskriminierung mit der Ärztin Nathalie Urwyler (work berichtete).

«Mami sein und berufstätig wird uns verwehrt.»

GESETZ UMGANGEN?

Rechtlich wehren kann sich Peter nun nicht mehr. Für sie ist aber klar: Sie musste gehen, weil sie Mutter wurde. Peter sagt: «Ich hatte gedacht, dass das in der Schweiz möglich sei: Mami sein und berufstätig. Jetzt weiss ich: Es wird uns verwehrt. Oder zumindest nicht gefördert.» Noch bis Ende Oktober ist Pflegefrau Peter jetzt im Mutterschaftsurlaub. Dann ist sie arbeitslos. «Natürlich ist es schön, die Zeit mit meiner Tochter zu verbringen», meint sie. Aber: «Jetzt muss ich mit jeder Rechnung zu meinem Mann und fragen: ‹Schatz, könntest du mir Geld geben?›» Das habe sie nie gewollt.

Auch wenn sie die Dinge jetzt positiv sehen wolle, sagt Peter: «Mir ist es wichtig, meine Geschichte zu erzählen. Nicht wegen mir. Sondern wegen all der anderen Frauen, denen es gleich ergeht.» Gerade auch in der Frauenklinik, wo es für schwangere Mitarbeiterinnen oft besonders schwierig sei. Peter weiss: Schwangere müssten sich alle paar Stunden hinlegen können, «aber es hat dort nirgends ein Bett für dich». Auch ein Stillzimmer fehle. Und manchmal mussten schwangere Pflegerinnen noch mehr Patientinnen betreuen, nachdem sie um weniger gebeten hätten. Peter findet das absurd, denn: «Das Frauenspital kümmert sich um schwangere Patientinnen. Aber wenn du als Mitarbeiterin schwanger wirst, dann hast du halt Pech gehabt.» Klar ist für die Pflegefrau auch: Darunter leiden letztlich auch die ­Patientinnen.

Im Mai hatte Sarah Peter ihren letzten Arbeitstag, danach war sie krank geschrieben. Als sie dann erfährt, dass die Frauenklinik den Frauenstreik unterstütze, ist sie baff. Peter: «Ich dachte nur: Ihr macht Werbung für Gleichstellung, und gleichzeitig hat eine eurer Angestellten den Job verloren, weil sie Mutter wird.»

Und doch: Die neue Frauenbewegung gibt Peter Mut: «Ich weiss jetzt, dass ich nicht alleine bin.» Und dass sich die Frauen wehren müssen, damit sich endlich etwas ändert. Für Peter ist klar: «Ich will meinen Teil dazu beitragen. Deshalb stehe ich hin. Damit keine Frau mehr arbeitslos wird, nur weil sie Mutter ist.»

Fall Peter: Das sagt das ­Inselspital in Bern

Die Insel-Gruppe schreibt auf Anfrage, Sarah Peter sei «umfassend aufgeklärt» worden, dass sie kündigen müsse, «wenn sie nicht zu 70 Prozent weiterarbeiten möchte». Unter
dem Hinweis, dass Peter ein halbes Jahr ­unbezahlten Urlaub hätte beziehen können. Eine Pensenreduktion sei «betrieblich» nicht möglich gewesen. Die Stelle sei neu besetzt worden, mit einem Pensum von 90 Prozent.

(K)EIN STILLZIMMER. Die Insel weist den Vorwurf, dass schwangeren Angestellten Mehr­arbeit aufgebürdet werde, «entschieden zurück». Eingeräumt wird, dass es im Frauen­spital nach seinem Umzug vor fast 1,5 Jahren bisher «noch kein spezifisches Zimmer für die Liege- und Stillmöglichkeit» gebe. Allerdings: «Ab nächster Woche steht ein offizielles Stillzimmer zur Verfügung.»


Mutterschaft: Jede 7. Frau muss die Firma verlassen

Keine Frau darf diskriminiert werden, weil sie Frau ist und schwanger werden kann. Das steht seit fast 40 Jahren in der Bundesverfassung. Und seit 23 Jahren im Gleichstellungsgesetz. Vielen Firmen ist das aber egal. Sie stellen junge Mütter schamlos vor die Tür.

2500 ENTLASSENE. Das zeigt eine Untersuchung des Berner Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS). Studienautorin Melania Rudin fand heraus: Jede siebte Frau hat nach dem Mutterschaftsurlaub ihren bisherigen Job nicht mehr – unfreiwillig. In 11 Prozent der Fälle ist der Grund eine Kündigung oder weil die Firma das Pensum nicht reduzieren lässt. Weitere 4 Prozent der Frauen können nicht wieder zur Arbeit, weil sie keine Kinderbetreuung finden oder Gesundheitsprobleme haben.

Genauer nach dem Grund «Kündigung» gefragt, gaben 3 Prozent der jungen Mütter an, dass sie vom Unternehmen entlassen worden seien. Das sind hochgerechnet rund 2500 Frauen pro Jahr, denen wegen Mutterschaft gekündigt wird. Weitere 6 Prozent der Befragten sagten, von sich aus gekündigt zu haben. Wobei laut Studienautorin Rudin unklar ist, wie oft dies auf Drängen des Unternehmens geschah.

Der Frauenstreik vom 14. Juni brachte das Ausmass der Diskriminierung ans Licht. Um die Situation von jungen Müttern zu verbessern, sind im Parlament nun mehrere Vorstösse hängig. Gefordert wird etwa eine Verlängerung des Kündigungsschutzes auf 32 Wochen nach der Geburt sowie höhere Sanktionen für Firmen, die Frauen widerrechtlich entlassen.

Lesen Sie mehr über Ihre Rechte als Schwangere und Mutter: rebrand.ly/mutterschaft

1 Kommentar

  1. Zacharias

    Sehr geehrte Damen und Herren des Inselspitales.
    Ich bin sichtlich geschockt von Ihrer Vorgehensweise.
    Dachte immer das sowas nur in Deutschland angeht. Auf der einen Seite braucht es unbedingt Kinder auf der anderen Seite zählt nur noch das Geld. Wir brauchen dringend Pflegekräfte. Aber das ist ja bequemer welche aus dem Ausland zu holen. Ich finde das sooooo traurig. Hab gedacht die Schweiz ist uns ein Vorbild.
    Leider musste ich mich vom Gegenteil überzeugen lassen. Schade das auch hier die Emphatie den Bach hinunter geht.
    Mit freundlichen Grüßen A. Zacharias

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