Nach dem Ja zur Steuer-AHV-Vorlage:

Jetzt muss die AHV weiter gestärkt werden

Clemens Studer

Rund zwei Drittel der Abstimmenden und alle Kantone sagen Ja zur Steuer-AHV-Vorlage (Staf). Trotzdem schwingen die rechten Parteien schon wieder den Sozialabbau-Hammer. Die Linke hat bessere Ideen.

GOAL! Bei der AHV bezahlen die heutigen Jungen die Renten der heutigen Pensionierten, das Geld wird nicht gespart. Das ist die günstigste und sicherste Altersvorsorge für die grosse Mehrheit der Bevölkerung in der Schweiz. (Foto: Keystone)

Dank dem Ja des Volkes zur Steuer-AHV-Vorlage fliessen der AHV nun jährlich 2 Milliarden Franken zu. Das ist eine gute Nachricht. Denn diese Zusatzfinanzierung der AHV schafft Zeit, eine Reform der Altersvorsorge im Interesse der Lohnabhängigen auszuarbeiten. Erste Vorschläge des Bundesrates kommen im Spätsommer. Die Auseinandersetzungen werden episch sein.

DIE ZENTRALEN FAKTEN:

DIE AHV. Das wichtigste und soli­darischste Schweizer Sozialwerk braucht vorübergehend mehr Geld, weil die Babyboomer in Rente gehen. Die AHV ist im soliden und preisgünstigen Umlageverfahren finanziert (die heutigen Jungen bezahlen die Renten der heutigen Alten, das Geld wird nicht gespart). Die Renten sind zwar stabil, bleiben aber hinter der Lohnentwicklung zurück. Seit 1980 bereits um mehr als 10 Prozent. Verschärft wird dieser Rückstand durch die explodierten Krankenkassenprämien, die im Teuerungsausgleich nur mangelhaft berücksichtigt sind. Das führt dazu, dass immer weniger der AHV-Rente für den eigentlichen Lebensunterhalt zur Verfügung steht.

DIE PENSIONSKASSEN. Die Leistungen der Pensionskassen werden immer kleiner, obwohl die Beiträge seit Jahren steigen. Die BVG-Renten sind seit 2005 im Mittel um fast 9 Prozent gesunken. Hier gehört die Krise zum System. Denn die Pen­sionskassen fussen auf dem Kapitalanlageprinzip. Das ist teuer und risikoreich. Wenn’s im internationalen Finanzcasino nicht läuft, sind die Rentenversprechen nicht zu halten. Gleichzeitig füllen sich Versicherungen, Banken und Broker die Taschen mit jährlich Hunderten von Millionen Franken Versichertengelder. Gelder, die den Lohnabhängigen im Alter fehlen. Immerhin bei den Brokern will der ­Bundesrat jetzt ansetzen. work hat die Millionenabzockerei der Pensionskassen-Broker im Januar ausführlich dargestellt (nachzulesen hier rebrand.ly/bvgbroker). Wie unverschämt sich die Privatversicherer an den Altersguthaben der Lohnabhängigen bedienen, ist hier nachzulesen: rebrand.ly/abzuegler.

DIE ZENTRALE FOLGE:

Laut Bundesverfassung (Artikel 113) müssten AHV und Pensionskasse die Weiterführung des gewohnten Lebensstandards im Rentenalter ermöglichen. Von diesem Verfassungsziel entfernen wir uns immer weiter. Für breite Bevölkerungskreise ist die Höhe der Renten ungenügend.

Der AHV-Dreizehnte würde das wichtigste Sozialwerk stärken.

DAS HAUPTPROBLEM:

Die Wirtschaftsverbände und die rechten Parteien bekämpfen die AHV seit ihrem Bestehen aus ideologischen Gründen (weil sie eine so­ziale Versicherung ist und die Reichen stärker zur Kasse bittet als die weniger Verdienenden) und finan­ziellen Eigeninteressen. Obwohl sie die günstigste und sicherste Altersvorsorge für die grosse Mehrheit der Menschen ist, wird sie finanziell kleingehalten. Alles, was den rechten Parteien und Wirtschaftsverbänden deshalb einfällt, ist Leistungsabbau. Rentenkürzung und höheres Pensionsalter. Das zeigt sich auch jetzt wieder. Obwohl die Staf-Abstimmung klar gezeigt hat, dass die Mehrheit die AHV einnahmenseitig stabilisieren will und nicht ausgabenseitig, überbieten sich die rechten Parteien und ihre Jugend­organisationen mit Abbauvorschlägen. Allen voran die Jungfreisinnigen, sie wollen das Rentenalter 66, und die junge GLP, die für Rentenalter 67 plädiert. Beim BVG will der Schweizerische Pensionskassenverband Asip die künftigen Renten gleich um 15 Prozent kürzen (work berichtete).

Und sogar an die bestehenden Renten wollen die Rechten ran: Im Nationalrat steht ein entsprechender Vorstoss des grünliberalen So­zialabbauers Thomas Weibel zur ­Behandlung an. Er will jetzt auch die Höhe der laufenden Renten dem internationalen Finanzcasino ausliefern.

DIE LÖSUNG:

Das Kapitaldeckungsverfahren der Pensionskassen ist definitiv entzaubert: sinkende Renten bei steigenden Kosten. Stabile und sogar steigende Renten für ein Leben im Alter in Würde garantiert nur die AHV. Darum muss das wichtigste Sozialwerk der Schweiz gestärkt werden. Zum Beispiel mit einem AHV-Dreizehnten. Der SGB-Kongress im vergangenen Dezember hat eine entsprechende Initiative beschlossen. Sie wird diesen Herbst lanciert.

Steuerpolitik: Positive Signale aus den Kantonen

Der Steuerteil der Steuer-AHV-Vorlage (Staf) war innerhalb der Linken und der Gewerkschaften umstritten. Die Abschaffung einiger der stossendsten Steuerprivilegien für internationale Konzerne und die Milderung einiger der üblen Auswirkungen der Unter­nehmenssteuerreform II sind positiv. Neue Steuersparinstrumente für ­Firmen und vor allem die Senkungen der Steuern für alle Firmen, die die Bürgerlichen in den Kantonen vorantreiben, sind störend.

KANTONAL KÄMPFEN. Einig waren sich linke Befürwortende wie Ablehnende, dass die Staf-Umsetzung in den Kantonen dort energisch bekämpft werden muss, wo sie auschliesslich aus neuen Steuer­geschenken für Unternehmen besteht. Und das gelingt bis jetzt nicht schlecht. Bereits im Herbst lehnten die Bernerinnen und Berner ein solches Steuergeschenkpaket ab. Am Staf-Wochenende sagten auch die ­Solothurner Stimmenden Nein zu ­einer radikalen Steuersenkungs­vorlage. Die Genferinnen und Genfer sagten dagegen Ja zu einer Steuer­gesetzrevision mit stärkeren sozialen Ausgleichsmassnahmen.

JUSO- UND SP-INITIATIVEN. Und generell ist wieder Musik in der fortschrittlichen Steuerpolitik. In Basel müssen Grossverdiener dank einer angenommenen Juso-Initiative bald mehr ­Steuern bezahlen. Und die  99-Prozent-Initiative ebenfalls der Juso ist zustande gekommen. Kommt dazu, dass die SP demnächst eine ­Initiative für einen landesweiten Mindest­steuersatz lanciert, um so das ­Steuerdumping unter den Kantonen zu dämpfen.

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