Gegen Pfeutis Pflege-Pläne

Sandra Künzi

(Foto: Yves Thomi)

Gestern Abig kam mein Nachbar Pfeuti zu mir und war ganz aufgeregt. Sein Mami sei im Spital, Oberschenkelbruch, mit 71, aber sie könne nur sechs Tage bleiben, dann müsse sie raus, eine Riesensauerei für so eine alte Frau. Ich machte zwei Biere auf. Sie könne natürlich nicht heim, und was jetzt? Er sei doch ein Einzelkind! «Keine ­Ahnung», sagte ich. Pfeuti stöhnte. Er ­könne sie ja nicht zu sich nehmen, oder? Ich zuckte mit den Schultern. Pfeuti schnaufte. Und deshalb wollte er mich fragen, ob ich mich nicht um sie kümmern könnte und um ihre Katze, de Schnousi, weil ich ja genug Zeit hätte, jetzt, wo ich streikte. «Pfeuti, gaats no? Ich würd mich nicht mal um deine Mutter kümmern, wenn wir verheiratet wären.» Er: «Du willst mich heiraten?» Dann ich: «Sicher nicht!» Wir haben ja 15 Jahre Altersunterschied, der Pfeuti und ich, ausserdem ist er nicht mein Typ.

Ich würd mich nicht mal um deine Mutter kümmern, wenn wir
verheiratet wären.

ASOZIALE EMANZE. Er wurde laut: «Du wärst auch froh, wenn sich jemand um dich kümmern täte, oder?» «Ja sicher», sagte ich, aber er könne sich ja selber um seine Mutter kümmern, es sei ja seine, nicht meine. Nein, genau das könne er eben nicht, weil er im Gegensatz zu mir arbeite und nicht streike. Er hatte ein ganz rotes Gesicht. Ich: «Im Gegensatz zu mir verdienst du aber auch deutlich besser, obwohl ich viel mehr Erfahrung hab als du, oder?» Weil ich ja älter sei. Also er könne mich schon heiraten, wenn das meine Bedingung sei, damit ich seine Mutter pflege. Eine alte Frau und ein junger Mann, das sei heute doch kein Problem mehr. Das sei modern. So wie bei Heidi Klum oder Madonna. Der spinnt doch total, der Pfeuti: «Frauen-pflegen-ihre-Schwiegereltern-gratis ist im Fall nicht modern», zischte ich. Pfeuti schrie, ich sei eine asoziale Emanze, eine normale Frau würde das sofort machen. Sein Mami habe ihrer Lebtag lang für ­andere gesorgt. «Eine normale Frau?» schrie ich zurück: «Schliifts?» Pfeuti stürmte raus, und ich trank die beiden Biere alleine.

Sandra Künzi lebt und büglet in Bern. Sie mag Jassen, Schafe, Feuer und Bier. Zurzeit bereitet sie sich und uns auf den Frauenstreik vom 14. Juni 2019 vor: Ahoi!

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