Altersvorsorge: Schon wieder ein Skandal in der zweiten Säule

Die Aargauer Sammelstiftung Phoenix steht am Abgrund

Ralph Hug

Im Aargau platzt ein Pensionskassen-Skandal: Die Renten sind in Gefahr.

SCHIEFLAGE: Die Sammel­stiftung Phoenix steht vor dem Aus. Leidtragende sind die Arbeiter und Arbeiterinnen. (Montage: work)

Die Pensionskasse Phoenix aus Kleindöttingen AG steht vor dem Aus. Betroffen sind Arbeitnehmende aus der Industrie, aber auch aus dem Taxigewerbe. Die Sammelstiftung wurde 2012 vom Geschäftsmann Serge Aerne gegründet. Dabei scharte er Leute aus der Treuhandszene um sich. Mit Hilfe von Brokern und flotter Werbung akquirierte die Stiftung Firmen mit über dreitausend Versicherten. Im Prospekt heisst es: «Phoenix bringt Schwung in die berufliche Vorsorge.» Aerne & Co. versprachen «angepasste Anlagestrategien» sowie ein Vollversicherungsmodell «mit hundertprozentiger Zins- und Kapitalgarantie». Doch schon im ersten Jahr gab es fragwürdige Geschäfte. Die Stiftung kaufte eine Liegenschaft im sanktgallischen Toggenburg von einer Firma, an der der Phoenix-Gründer selber beteiligt war. Das ist zwar nicht verboten. Aber bald musste der Immobilienwert nach unten korrigiert werden. Dasselbe geschah bei weiteren Immobiliendeals in Salez SG und Menziken AG.

Phoenix hat eine Witwenrente um mehr als die Hälfte gestrichen.

KRUMME GESCHÄFTE

Es folgten Verträge mit Beratungs- und Verwaltungsfirmen, an denen der Gründer ebenfalls beteiligt war. So flossen Gelder aus der Sammelstiftung ab, und es gab hohe Verwaltungskosten. Zu etlichen Geschäften existierten weder schriftliche Beschlüsse, ordentliche Protokolle noch Konkurrenzofferten, wie vom Gesetz gefordert. Interessenbindungen waren auch nicht offengelegt, und dem Grundbuchamt wurden Kaufverträge verschwiegen. Als «Arbeitnehmervertreter» sass im Stiftungsrat das Geschäftsleitungsmitglied einer Brokerfirma.

Dies alles ist in einem vernichtenden Bericht aufgelistet, den die Aargauer Stiftungsaufsicht im September 2017 in Auftrag gab. Auf hundert Seiten sind zahlreiche Verfehlungen und Verstösse festgehalten. Insgesamt erweckt der Bericht den Eindruck einer Stiftung, die eher als Geldmaschine denn als seriöses Vorsorgewerk diente. Schliesslich griff die kantonale Stiftungsaufsicht durch und setzte den Stiftungsrat ab. Doch dieser wehrt sich. Der Fall liegt jetzt beim Bundesgericht. Der «Tages-Anzeiger» machte kürzlich den Skandal ­publik. Von ihm befragte Experten sind der Ansicht, dass die Phoenix sofort liquidiert werden müsse. Sie könne kaum mehr saniert werden. Der Deckungsgrad liegt teils unter 80 Prozent.

RENTENKÜRZUNGEN

Weil die Stiftung mehr und mehr in Schieflage geriet, kürzte der Stiftungsrat Rentenleistungen so weit wie möglich. Urban Hodel, ­Geschäftsleiter des arbeitnehmernahen PK-Netzes, hat den Skandal analysiert. Er sagt: «In einem Fall hat man die Witwenrente um mehr als die Hälfte zusammengestrichen.» Weder Vertreter der Pen­sionskasse noch der Aufsicht wollen zum Fall etwas sagen – «laufendes Verfahren». Seit langem prangert Hodel als PK-Fachmann der Gewerkschaften den Wildwuchs und die Intransparenz bei Sammelstiftungen an. Zwar seien solche Stiftungen durchaus sinnvoll: Sie ermöglichten eine Vorsorge unabhängig von Versicherungskonzernen. Aber es brauche für die Versicherten einen lücken­losen Schutz ihrer Interessen. Hodel: «Das Wichtigste ist eine echte paritätische Zusammensetzung im Stiftungsrat.» Auch die Oberaufsicht des Bundes über die Pensionskassen hat das Problem erkannt. Sie will jetzt schärfere Vorschriften erlassen. Das stösst aber auf den Widerstand der Branche.


Das waren die grössten Skandale der letzten Jahre Das grosse Pensionskassen-Roulette

In der zweiten Säule liegen Milliarden. Das lockt Geschäftemacher und Betrügerinnen an.

LEICHTES SPIEL: Die notorische Intransparenz der zweiten Säule lockt Gambler und Betrüger an. (Foto: ZVG)

Der Unternehmer Werner Höfliger war 1992 der erste Chef, der eine Firmen-Pensionskasse plünderte. Der Schaden: 20 Millionen Franken. Die Opfer: die Mitarbeitenden der Omag in Mels SG mit ihrem Alterskapital. Die kantonale Stiftungsaufsicht hatte zugeschaut. Seither wurden die Vorschriften zwar verschärft. Doch das stoppt die Finanzjon­gleure keineswegs. Der letzte Skandal platzte 2010 bei der ­Zürcher Beamtenversicherungskasse. Der Anlagechef war korrupt. Mit seinen Machenschaften verursachte er Verluste von 273 Millionen Franken. Er musste sechs Jahre ins Gefängnis.

DUBIOS. Den zuvor grössten Schaden richteten 1996 die Verantwortlichen der Sammelstiftung Vera / Pevos im Umfeld des Oltner Baulöwen Albert Heer an: 150 Millionen Franken. Davon waren über 2000 Arbeitnehmende betroffen. Dank dem Sicherheitsfonds erlitten sie keine Verluste.

Häufig werden Altersgelder für dubiose Immobiliendeals und Investitionen missbraucht, für Luxus veruntreut oder Gewinne an den Taschen der Versicherten vorbeigeschleust. So bei der Zürcher Anlagestiftung Fortius, bei der St. Galler Fina-Frei­zügigkeitsstiftung, der Gemini-Sammelstiftung, bei der Walliser Lehrerpensionskasse oder bei der Siemens-Pensionskasse.

Die Täter sind stets Finanzprofis: Treuhänder, Banker, Broker und Versicherer. Sie spannen zusammen und bilden Netzwerke, die hinter dem Rücken der Versicherten aus der Komplexität und notorischen Intransparenz der zweiten Säule kriminelles Kapital schlagen.

1 Kommentar

  1. Andrew

    Auch mein Sohn ist davon betroffen, niemand informiert, niemand weiss, wo das Geld ist. Was passiert bei einem Stellenwechsel? Wie viel Geld verlieren wir?
    Wie kann überhaupt so ein Unfähigere, eine solche Stiftung gründen? Warum haftet die Versicherung nicht selber, sie haben doch das Geld verbrannt? Unglaublich!

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