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Der andere Brexit: Anti-Atombomben zerstören Tony Blairs Erbe

Der emeritierte Professor Silvio Borner ist ein Verbohrter. Immer wieder schreibt er – vorab in der «Weltwoche» – wirre Artikel ­gegen Solar- und Windenergie. ­Und fordert den Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz.

ATOM-WAHN: In Wales wollte Hitachi ein Atomkraftwerk mit einer Leistung von 3100 MW bauen. Nachdem der japanische Konzern bisher 2,8 Milliarden Franken verlocht hat, stellt Hitachi jetzt die Arbeiten einfach ein. Besuchen wir die zerfallenden Burgen dieses Wahrsinns. (Foto: PD)

Grau ist alle Theorie. Wenig ist spannender als die laufende Entwicklung in Grossbritannien. Und zwar nicht nur in Sachen Brexit, sondern auch und vorab in Sachen Atomenergie. Die sozialdemokratische Regierung von Tony Blair setzte auch auf Atomenergie. Logisch, denn Grossbritannien ist eine – wenn auch kleine – Atommacht. Und die Atomkraftwerke sind die hochgefährlichen Mütter aller Atombomben.

Jetzt platzt jenseits des Ärmel­kanals eine Anti-Atombombe nach der andern. Weitgehend unbemerkt, weil der Brexit all unsere Aufmerksamkeit beansprucht.

Britische Anti-Atombombe 1: Im November 2018 hat Toshiba ihre Nuklear­tochter NuGen liquidiert. Diese hätte in Moorside ein Atomkraftwerk bauen sollen. Es fand sich kein Käufer, der die gefährliche Kiste weiterbauen wollte.

Britische Anti-Atombombe 2: Der japanische Industriekonzern Hitachi stellt die Arbeiten am Atomkraftwerk Wylfa Newydd in Wales per sofort ein. Er nimmt einen Verlust von bisher investierten 2,8 Milliarden Franken in Kauf. Ein Ende mit Schrecken ist ihm lieber als ein Schrecken ohne Ende.

Britische Anti-Atombombe 3: Weitergebaut wird einzig am Atomkraftwerk Hinkley Point C. Und dies, obwohl die Bauarbeiten 8 Jahre Verspätung haben. Und die Kosten explodieren. Der Grund: Die atomgeilen Briten bezahlen vertraglich garantiert pro Kilowattstunde doppelt so viel wie aktuell für Strom aus neuen Windkraftwerken. Der Preis wird auf 30 Jahre hinaus garantiert und zusätzlich indexiert.

Twerenbold ist ein tifiges Schweizer Busunternehmen. Es bietet Reisen in der «Königsklasse» nach England an. Der WWF müsste eine Reise zu den Hotpoints des Atom­wahnsinns in Moorside, Wylfa Newydd und Hinkley Point C ausschreiben. Dies unter der kundigen Führung von Heini Glauser, dem Aargauer Energieingenieur und Atomkritiker. Als Co-Referenten müsste der WWF auf dem Beifahrersitz des ­Twerenbold-Busses Silvio Borner ­mitnehmen. Damit alle Teilnehmer beobachten können, wie Fakten­resistenz vor Ort funktioniert.

GURTEN-MANIFEST. Nach Besichtigung der Ruinen des untergehenden Atomzeitalters würde die Reisegruppe sinnvollerweise Onshore- und Offshore-Windräder der neusten Generation besichtigen. Denn Brexit ist Brexit und Exit ist Exit.

In der Schweiz forderte 2001 das Gurten-Manifest – besser bekannt unter dem Nickname Gurken-Manifest –, die SP-Schweiz solle auf den Kurs von Tony Blair und dem deutschen SPD-Kanzler Gerhard Schröder einschwenken. Aushängeschild war damals eine gewisse Simonetta ­Sommaruga. Wenn sich die Gurken-Manifestler durchgesetzt hätten, ginge es der SP Schweiz heute so schlecht wie ihren Schwesterparteien in Deutschland, Italien und Frankreich. Ironie der Geschichte: Tony Blairs Atomprogramm liegt in Schutt und Asche, aber die nach links gerückte Labour-Party ist quicklebendig.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/Gurken
    Für alle, die sich für die jüngere Geschichte der Schweiz inter­essieren, lohnt sich die Lektüre des Gurken-Manifestes.
  • rebrand.ly/Geldgrab
    Das «Handelsblatt», die Zeitung des deutschen Kapitals, rechnet unter dem Titel «Neues Atomkraftwerk wird zum Milliardengrab» nach, wie teuer dieses Atomkraftwerk die britischen Steuerzahlenden und Strom­konsumierenden in den kommenden Jahrzehnten zu stehen kommt. Merke: Das einzige noch im Bau befindliche Atomkraftwerk ist ein «Massengrab». Hoffentlich nur finanziell.
  • rebrand.ly/Gefahr
    Warum sind Atomkraftwerke die Mütter der Atombomben? Die Homepage «Ausgestrahlt» informiert unter dem Titel «Dank Atomkraft zur Atombombe» kurz und übersichtlich.
  • rebrand.ly/Glueckgehabt
    Vor 50 Jahren schrammte die Schweiz nur knapp an einem Super-GAU vorbei. Ein eigenes Schweizer Atomkraftwerk sollte der ­entscheidende Schritt hin zur Schweizer Atombombe sein. Wir hatten mehr Glück als Verstand.

1 Kommentar

  1. Hubert Kirrmann

    Man spuckt nicht in die Suppe, die man trinkt. Wer den Gurten-Manifest lächerlich macht, hat in der SP nichts mehr zu suchen.

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