Der neue Lehrgang zur Gewerkschaftssekretärin

Als Vollprofi im Einsatz für die Unia

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Kampagnen planen. Mitglieder unterstützen bei Problemen am Arbeitsplatz. Gewerkschafts­sekretärinnen und -sekretäre haben einen spannenden Job. Und die Ausbildung dazu.

UNTERWEGS ZUM FACHAUSWEIS: Seit 2014 arbeitet Azra Ganic bei der Unia. Jetzt bereitet sie sich auf die Prüfung für den Fachausweis vor. (Foto: Stephan Bösch)

Wer bei der Unia als Gewerkschaftssekretärin arbeitet, hat zuvor meist schon einige Erfahrungen in der Arbeitswelt gesammelt. So wie die 30jährige Azra Ganic. Sie machte eine Lehre als Detailhandelsangestellte in der Migros, bevor sie sich bei der Valora zur ­Filialleiterin hinaufarbeitete. Sie wurde Vertrauensfrau der Unia in der Firma. Und sie erlangte ein Handelsdiplom an der Handels- und Kaderschule. Danach beschloss sie, auch beruflich in die Gewerkschaft einzusteigen. Seit November 2014 ist sie Gewerkschaftssekretärin bei der Unia-Region Ostschweiz-Graubünden. Sie ist für den Sektor Tertiär zuständig, koordiniert Kampagnen und ist in der Mitgliederbindung aktiv. Eine typische gewerkschaftliche Karriere: vom Gewerkschaftsmitglied zur Vertrauensperson und dann zur Unia-Sekretärin.
Im nächsten Jahr wird Azra Ganic nun eine weitere Fachausbildung abschliessen: Sie besucht nämlich den Lehrgang «Gewerkschaftssekretärin mit eidgenössischem Fachausweis» bei Movendo, dem Bildungsinstitut der Gewerkschaften.

«Wir haben die Ausbildung dem veränderten Berufsbild angepasst.»

ANSPRUCHSVOLL

Seit bald 10 Jahren gibt es den Lehrgang. Jetzt ist die Ausbildung neu ausgerichtet worden, wie Movendo-Ausbildungsleiterin Ursula Hirt erklärt: «Wir haben uns dem veränderten Berufsbild angepasst. Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre sind heute meist spezialisiert. Sie arbeiten entweder im Bereich Mitgliedermobilisierung und Kampagnen oder in der juristischen Beratung. Die Unia war ­darin eine Vorreiterin, jetzt tun es ihr die anderen Gewerkschaften gleich.» Der neue Lehrgang heisst jetzt «Gewerkschaftssekretär/in mit eidgenössischem Fachausweis» (früher «Management in ­gewerkschaftlichen Organisationen»). Die Ausbildung ist unterteilt in einen Pflichtbereich und eine Vertiefungsrichtung nach Wahl. Je nach ihren Bedürfnissen wählen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Richtung «Mitglieder in Rechtsfragen beraten» oder «Aktionen und Kampagnen planen und durchführen».

Die Zahl der Kurstage wurde von 78 auf 40 reduziert. Trotzdem bleibe der Lehrgang sehr anspruchsvoll, sagt Ursula Hirt. Schwerpunkte bilden die Bereiche Kommunikation und Recht, gerade so wichtig ist die politische Bildung. Es gibt Module zu Gleichstellung und Sozialversicherung, Arbeit mit Gruppen und Freiwilligen, Arbeitsrecht und Gesamtarbeitsverträge, Herausforderungen und Perspektiven der Gewerk­schaftsbewegung,Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft.

So werden Sie Gewerkschaftssekretärin

Weil er in einzelne Module aufgeteilt ist, können Sie in den Lehrgang für Gewerkschaftssekretäre und -sekretärinnen jederzeit einsteigen. Wenn Sie bereits bei einer Gewerkschaft arbeiten, werden die Kurskosten, Übernachtung und Verpflegung meistens übernommen. Anmelden müssen Sie sich über Ihre Personalabteilungen.
Alle Infos zum Lehrgang finden Sie unter rebrand.ly/movendo. Auskunft gibt auch Movendo-Ausbildungsleiterin Ursula Hirt, ­Telefon 031 370 00 65.

INDIVIDUELL

«Wir haben viele Teilnehmende, die erst als Erwachsene in die Schweiz gekommen sind. Ihre Ausbildung oder ihr Studium im Heimatland wird in der Schweiz oft nicht anerkannt. Die Gewerkschaftsausbildung ist ein toller Weg, um zu einem schweizerisch anerkannten Fachausweis zu kommen», sagt die Movendo-Ausbildungsleiterin.

Der Lehrgang kann individuell zusammengestellt werden. Das heisst: Er kann innert zweier Jahre abgeschlossen werden. Meist verteilen die Teilnehmenden ihre Kurse aber über eine längere Zeit.

Um den Fachausweis zu erlangen, müssen die Teilnehmenden eine schriftliche Arbeit zu einem gewerkschaftlichen Thema schreiben. Und an der mündlichen Prüfung müssen sie einen Fall aus ihrem Arbeitsgebiet bearbeiten und präsentieren «Wie das konkret aussieht, erfahre ich im Sommer», sagt Azra Ganic. Ihr fehlen nur noch zwei Kurse und die Abschlussarbeit, bevor sie die Prüfung ablegen kann.

Von der Qualitätssicherungskommission gewählte Expertinnen und Experten nehmen die Abschlussprüfung ab. Laut Ursula Hirt von Movendo sind das immer zwei ­Personen aus unterschied­lichen Bereichen: eine Gewerkschaftssekretärin und eine Person aus dem methodisch-didaktischen Bereich.

ÜBERALL ANWENDBAR

Die Kosten für die Ausbildung übernimmt die jeweilige Gewerkschaft – und zwar einschliesslich Übernachtung und Verpflegung. Die Kurse können während der Arbeitszeit besucht werden. Nur so ist es möglich, dass die zweifache Mutter Azra Ganic weiterhin zu 100 Prozent arbeitet. «Ich kann meine Arbeit für die Unia ein bis zwei Tage die Woche von zu Hause aus machen», sagt sie. Und nicht zuletzt habe sie einen Partner, der sehr viel Betreuungszeit übernehme. Er sei selbständig und könne seine Arbeitszeit gut den Kindern anpassen.

«Ich habe so vieles gelernt, was ich in jedem Job brauchen kann.»

Und was, wenn jemand mit diesem Abschluss später einen Arbeitsplatz ausserhalb der Gewerkschaften sucht? Es sei eine breite Ausbildung, die sehr anspruchsvoll sei, sagt Ursula Hirt. So etwas müsste auch ein Personalverantwortlicher in der Privatwirtschaft sofort erkennen: «Ein eidgenössischer Fachausweis wird überall anerkannt.» Deshalb könnten sich die Absolventinnen und Absolventen sogar darum bemühen, für einzelne abgeschlossene Module eine Gleichwertigkeitsbestätigung zu erhalten, so dass allfällige Weiterbildungen mit weniger Aufwand machbar seien.

Azra Ganic hat keine Sekunde Bedenken: «Ich kann jetzt so vieles, was ich in jedem Job brauchen kann. Vor allem im Bereich Sozialkompetenz und Kommunikation. Das kann ich überall anwenden.»


Der eidgenössische FachausweisGut für die Karriere

Sie wollen sich in Ihrem Beruf fortbilden? Und das mit einem Diplom belegen? Dafür bietet sich im Schweizer Berufsbildungssystem der eidgenössische Fachausweis an. Der ist etwas anderes als das eidgenössische Fähigkeitszeugnis, das Sie sich mit dem erfolgreichen Abschluss einer Berufslehre verdienen. Der Fachausweis ist nämlich für Berufsleute mit mehreren Jahren Berufserfahrung gedacht, die sich auf einem Teilgebiet spezialisieren und ihre Kenntnisse darin vertiefen möchten. So, wie das Menschen wie Azra Ganic tun, die sich derzeit bei ­Movendo zur Gewerkschaftssekretärin mit eidgenössischem Fachausweis vorbereitet. Aktuell umfasst die Liste der möglichen Fachausweise rund
220 Positionen. Die Liste finden Sie hier: ­rebrand.ly/berufsliste.

Die nächste stufe. Eine Stufe über dem Fachausweis ist die höhere Fachprüfung angesiedelt. Mit dieser werden Sie in Ihrem Berufsfeld als Expertin oder Ex­perte anerkannt und sind für die Leitung eines Unternehmens vorbereitet. Für die Ausbildung und die ­Prüfung sind die jeweiligen Branchen- oder Fachver­bände zuständig.

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