Kongo: Minenarbeiter Pierre Solo Tshinguz lebt gefährlich

Kobalt, Dreck & Durst

Ralph Hug

Pierre Solo arbeitet in einer Mine von Glencore in der Demokratischen Republik Kongo. Und er ist ein aktiver Gewerkschafter. Beides ist ziemlich riskant.

UNERSCHROCKEN: Gewerkschafter Pierre Solo Tshinguz fordert von Glencore in Zug, dass der Multi die Rechte der Minenarbeiter nicht mit Füssen trete. (Foto: Jasmin Frei)

Wenn Pierre Solo spricht, tut er es unaufgeregt und sachlich. Es klingt nicht nach Anklage. Doch es ist eine. Und sogar eine grosse. Multis wie der Schweizer Minenkonzern Glencore beuten den Rohstoffreichtum in Kongo gnadenlos aus. Und machen ­dabei Milliardenprofite. Die 80 Millionen Einheimischen profitieren wenig. Das zentralafrikanische Land rangiert auf dem UN-Index der menschlichen Entwicklung auf den letzten Plätzen. Die Erblast drückt schwer: zuerst war Kongo eine belgischen Kolonie, dann herrschte die Diktatur des Potentaten Mobutu, der vor zwanzig Jahren gestürzt wurde. Und anschliessend kamen die Rebellenkriege.

GIFTIGE GASE UND VIEL CHEMIE

Pierre Solo ist Minenarbeiter bei Glencore. Als Qualitätskontrolleur ist er zwar einiges besser bezahlt als andere. In seinem Vertrag steht ein garantierter Lohn von umgerechnet 840 Franken im Monat. Hin und wieder bringt er es mit Mehrarbeit auf 1000 Franken. Solo kann sich deshalb für seine Familie mit den zwei Kindern auch ein Häuschen in der Stadt Kolwezi im Süden des Landes leisten. Dafür muss er monatlich 300 Franken auf den Tisch legen. Das könnten sich andere Arbeiter in der Mine nicht leisten, sie erhalten nur gerade 280 Franken.

Morgens um 4.30 Uhr muss Solo aus den Federn. Der Glencore-Bus bringt ihn und viele andere Arbeiter in die 42 Kilometer entfernte Mine. Die Tagschicht beginnt um 7 Uhr und dauert zwölf Stunden. Mittags ist eine Stunde Pause. Viele Arbeiter nehmen das Essen an Ort und Stelle ein, unter unhygienischen Verhältnissen bei Dreck und Staub.

«Wir können nicht weg, wir sind
gefangen.»

Der Abbau und die Verarbeitung von Kobalt und Kupfer sind schmutzig. Es gibt Gase und viel Chemie. Solo sagt: «Wir erhalten bei der Arbeit zu wenig Trinkwasser, Mund und Nase sind schnell ausgetrocknet.» Die Toiletten für die kongolesischen Bergleute bleiben oft ungeleert, im Gegensatz zu den besseren WC, die für die aus­ländischen Beschäftigten bereitstehen. Die ­Arbeitskleider stellt Glencore nicht zur Verfügung. Und wenn sie abends wegen Überstunden den Glencore-Bus verpassen, müssen sie selber schauen, wie sie nach Hause kommen. Beim Abbau der Rohstoffe sind bestimmte Mengenziele vorgeschrieben, die erreicht werden müssen. Solo sagt: «Der Druck ist gross.»

ANGST UND POLIZEI

Die Aussicht auf eine durchgreifende Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist gering, weil Glencore als Arbeitgeber die Gegend dominiert. Solo sagt: «Unsere Löhne sind seit fünf Jahren nicht gestiegen. Gratifikationen für gute Arbeitsleistungen sind unbekannt, ebenso Beförderungen.» Niemand in den Minen kann es sich leisten, den Job zu verlieren. Auch Pierre Solo nicht. Reisen in die nahe Metropole Lubumbashi sind teuer. «Wir können nicht weg, wir sind gefangen», sagt Solo. Ist das nicht eine Art moderne Sklaverei? «Doch», sagt jetzt der Gewerkschafter. Solo amtet als Koordinator von Tumec. In diesem Verband sind die kongolesischen Mineure organisiert. Es gibt zwar Gespräche zwischen Glencore und Tumec. Aber sie seien häufig folgenlos. Dazu kommt: Gewerkschaftsarbeit ist in der Demokratischen Republik Kongo riskant, wenn sie politisch wird. Dann steht bald die Polizei vor der Tür. Solo sagt: «Wir konzen­trieren uns deshalb auf gewerkschaftliche Fragen.» Auch er wurde schon schikaniert, aber wenigstens war er noch nie im Gefängnis. Und Angst vor Entlassung hat er keine? Solo: «Entlassen wird man, wenn man einen Fehler macht. Ich habe keinen Fehler gemacht, und ich mache nichts Illegales.»


Weltweit:Proteste gegen Glencore nehmen zu

Vierzig Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter aus Kolumbien, Australien, Südafrika und Kongo stehen vor der Tür des Casino in Zug, wo die Generalversammlung von Glencore stattfindet. Sie rufen: «Nie mehr Glencore!» Der Vorwurf der Protestierenden: Der Minenkonzern verletze systematisch die Menschen- und Arbeitsrechte. Die PR-Abteilung von Glencore wiegelte ab und behauptete das Gegenteil. Doch Industriall, der internationale Dachverband der Industriegewerkschaften, weiss es besser.

NIE MEHR GLENCORE! Demo gegen den Multi in Zug. (Foto: Jasmine Frei)

SCHIKANEN. Eine Recherche in Kongo im Februar stellte schlechte Arbeitsbedingungen, Sicherheitsmängel, Umweltverschmutzung und Schikanen gegen Gewerkschaften fest. Glen Mpufane, bei Industriall für den Bergbau zuständig, sagt: «Für Glencore sind die Arbeiter eine jederzeit ersetzbare Ware.» Weltweit chrampfen 145 977 Arbeiterinnen und Arbeiter täglich für den Reichtum von Milliardär-Konzernchef Ivan Glasenberg und seine Aktionäre.

Machen Sie mit: Hissen Sie eine Fahne!

Wer gegen Trink­wasservergiftung, Kinderarbeit und Gewerkschaftsschikanen durch Schweizer Multis ist, soll auf dem Balkon die Fahne «Konzernverantwortungsinitiative Ja!» aufhängen. Zehntausend sollen im Mai überall flattern. Auch die Unia hilft bei der Aktion mit. Bestellungen unter: rebrand.ly/fahne

FRANKENSTEIN-FIRMA. Die Proteste gegen Glencore häufen sich: In Australien kämpften Mineure monatelang gegen eine Aussperrung, in Kanada streikten sie neun Monate lang gegen Rentenklau. Zuletzt gingen im April in Südafrika Hunderte von Glencore-Arbeitern auf die Strasse. Industriall-Mann Mpufane nennt Glencore ein «Frankenstein-Unternehmen», das wild zusammengewürfelt sei. Der Konzern handelt neben Öl und Kohle auch mit Kupfer, Zink, Blei, Alu, Kobalt und sogar Agrarprodukten.

Die Entwicklungsorganisation Public Eye hat Glencore im letzten Dezember bei der Bundesanwaltschaft wegen mutmasslich fauler Deals in Kongo verklagt. Jetzt sollen Konzerne wie Glencore in die Pflicht genommen werden. Die Konzernverantwortungsinitiative fordert von Konzernen mit Sitz in der Schweiz, dass sie die Menschenrechte und die Umwelt achten. Bei Verstössen sollen sie haften, auch mit ihren Tochterfirmen. Das Volksbegehren ist nun beim Nationalrat.

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