Editorial

Hexenhammer

Marie-Josée Kuhn

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

«Wir sind die Enkelinnen der Hexen, die ihr nicht verbrennen konntet»: Von den USA bis nach Polen ertönt inzwischen dieser feministische Kampfruf. Auch bei Tamara Funiciello ist er beliebt. Überhaupt empfiehlt sich die Juso-Chefin gerne als Hexenkind, zuletzt nach ihrer Wahl ins Berner Kantonsparlament: «Die Hexen kommen», postete sie fröhlich. Und 499 likten diese Drohung (Stand 27. März). Drohung? Ja, Funiciello will dem Kapitalismus und dem Patriarchat den Garaus machen. Donald Trump nennt sie einen «rassistischen, sexistischen orangen Trottel». Und über die Juso sagt sie: «Wir sind der Dorn im Arsch der SP. Dieser Dorn darf ruhig ab und zu etwas wehtun.» Anal, fäkal, scheissegal! Mit ihrer erfrischenden Provo erntet Funiciello auch viel Hass. Hatespeech auf Facebook und anderswo. Und ­Drohungen. Früher, so sagt sie, hätte man sie sicher als Hexe verbrannt. Tönt ziemlich eitel, ist wohl aber nicht falsch.

Jetzt ist Marielle tot.

STARKE FRAUEN. 400 Jahre lang brannten in Europa die Scheiterhaufen. Die Hexenverfolgung war eine Frauenverfolgung. Und der «Hexenhammer» das Handbuch der Hexenprozesse. Es erschien 1487 und predigte blutigen Frauenhass: «Klein ist die Bosheit gegen die Bosheit des Weibes.» Die Frau sei das defekte, unreine und unrein machende Wesen. Sie gehöre gefoltert, verdammt und verbrannt. Insbesondere im Visier der (kirchlichen) Inquisition standen damals Frauen, die weder Mann noch Papst gehorchten. Frauen, die ausserhalb direkter männlicher Kontrolle lebten. Starke und kämpferische Frauen. Frauen wie Marielle Franco.

ÜBERLEBEN. Vier (von geschätzten neun) Kugeln trafen die brasilianische Linkspolitikerin im Kopf. Es war ein geplanter Mord. Ein Hassmord. Marielle Franco war schwarz, schön, lesbisch, allein­erziehend, und sie hatte es geschafft: vom Armenviertel an die Uni und in die Politik. Und sie hatte nicht aufgehört, den brasilianischen Machismo anzuprangern. Sie kämpfte gegen die Polizei- und Militärgewalt in den Slums von Rio und für die Rechte der schwarzen Frauen. Kurz vor ihrem Tod sagte Marielle noch: «Eine schwarze Frau zu sein heisst, die ganze Zeit Widerstand zu üben und zu überleben.» Letzteres blieb ihr leider verwehrt. Der Hexenhammer schlägt immer noch zu. Und er traf Brasilien mitten ins Herz, wie work-Redaktorin Patricia D’Incau vor Ort erfahren hat.

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