Bauvertrag: Chefs wollen für mehr Arbeitsstunden weniger bezahlen

Dieses Jahr wird noch ganz heiss

Ralph Hug

50-Stunden-Woche und auch noch Lohnkürzungen? Nein – sagen die Bauarbeiter. Sie wollen mehr Lohn und einen guten Landesmantelvertrag. Und rüsten sich für Protestaktionen.

NICHT MIT UNS. Die Bauleute werden sich mit allen Mitteln für mehr Lohn und eine sichere Rente mit 60 einsetzen. (Fotos: Severin Nowacki)

Der Unmut ist gross. An der Konferenz der Unia-Bauarbeiter in Olten ist er klar spürbar. 300 Delegierte sind da. Die Verhandlungen für einen neuen Landesmantelvertrag (LMV) stehen bevor. Am 13. März startet die erste Verhandlungsrunde. Unia-Bauchef Nico Lutz sagt es klar: «Kollegen, es geht um alles!» Und legt dar, weshalb. Lutz bekommt Applaus. Viel Applaus. Kranführer Pashk Marku aus Sirnach TG bekräftigt: «Jetzt müssen wir kämpfen.» Alle engagierten Bauleute sehen das genau gleich (siehe rechts). Am Ende der Versammlung ist klar: kein neuer Landesmantelvertrag ohne mehr Lohn und eine sichere Rente mit 60.

Drei Punkte haben die Bauleute besonders sauer gemacht:

  • Lohn: Seit 2014 stiegen die Löhne nicht mehr. Keine andere Branche war so dreist. Überall gab es Lohnerhöhungen, wenn auch minime von 1 bis 1,5 Prozent. Nur im Bau – niente di niente. Bei den letzten Lohnverhandlungen im Herbst hörten die Arbeitnehmervertreter nichts als ­Klagelieder über hohe Kosten. Dabei brummt das Geschäft gewaltig. Es herrscht Hochkonjunktur. Sowohl im Hoch- wie im Tiefbau verzeichnen die Umsätze und Erträge Spitzenwerte (siehe Box unten). Doch die Büezer haben nichts davon. Im Gegenteil: Ihr verfügbares Einkommen sinkt, vor allem aufgrund der steigenden Krankenkassenprämien. Nachdem alle Löhne und Kosten bezahlt sind, bleibt dem Chef für jeden Bauarbeiter ein Gewinn von fast zehntausend Franken. Das weist das Bundesamt für Statistik für das Jahr 2015 aus. Damit soll jetzt Schluss sein: Die Gewinne dürfen nicht länger nur in den Taschen der Chefs und Aktionäre verschwinden.
  • Arbeitszeit: Baumeisterpräsident Gian-Luca Lardi will bis zu 50 Stunden pro Woche arbeiten lassen. Auch wenn dies die Gesundheit gefährdet. So stellt er sich den neuen Vertrag vor. Unia-Mann Lutz sagt: «Das ist ein Totalangriff auf ­unsere Rechte.» Lardi segelt im Fahrwasser des Gewerbeverbands. Dieser möchte das Arbeitsgesetz am liebsten ganz abschaffen. Der Gesundheitsschutz kümmert ihn nicht. Lardi pro­vozierte aber noch mehr. Er fordert tiefere ­Einstiegslöhne für Lehrabgänger sowie Lohnkürzungen für Ältere. Diese verdienten zu viel im Vergleich zu ihrer Leistung, meint der Baumeisterchef und profiliert sich neu als Lohndrücker.
  • Rente mit 60: Die Kasse für den frühzeitigen Altersrücktritt (FAR) braucht wegen der geburtenstarken Jahrgänge vorübergehend nochmals eine Nachfinanzierung (work berichtete). Zwischen 0,5 Prozent und 1 Prozent für einen begrenzten Zeitraum, denn ab 2024 geht die Zahl der Rentner wieder zurück. Doch die Baumeister verweigern jegliche Verhandlungen. Nico Lutz: «Stattdessen wollen sie das Rentenalter auf 62 heraufsetzen oder die Renten um 30 Prozent kürzen.»Eine durchschnittliche Rente beträgt rund 4500 Franken, zukünftig wären es noch gut 3000 Franken. Von solchen Renten kann niemand leben. Dieses Spielen auf Zeit hat Tradition. Schon vor drei Jahren machten es die Baumeister so. Bis sie nach Protest- und Streikaktionen einlenkten. Dasselbe Spiel auch bei den früheren Bauverhandlungen in den Jahren 2011.

Geschenkt wird ihnen nichts, das wissen die Unia-Bauleute nur zu gut. Deshalb bereiten sie sich auf eine harte Auseinandersetzung vor. In den nächsten Wochen stimmen die Bauarbeiter über den Streik ab. Für den Fall, dass die Baumeister bei ihrem Totalangriff bleiben. Auf den 23. Juni ist eine grosse Demo in Zürich angesagt. Ab Herbst werden Protest- und Streikaktionen vorbereitet. Trotz aktuellen Tiefsttemperaturen: das Baujahr 2018 wird heiss.

Gewinne der Baukonzerne: Das grosse Schweigen

Seit Jahren brummt der Bau. Riesenprojekte wie der Bahntunnel durch den Eppenberg, der Umbau des Berner Inselspitals, der Roche-Turm in Basel oder die Europaallee in Zürich werden realisiert. Pro Jahr entstehen 50’000 neue Wohnungen. Überall wird renoviert. Im letzten Jahr stiegen die Umsätze im Bauhauptgewerbe um stolze vier Prozent. Und da soll kein Geld für Lohnerhöhungen vorhanden sein? Allein der grösste Baukonzern der Schweiz, die international tätige Implenia, wies für 2016 einen Rekord­umsatz von 3,2 Milliarden Franken aus, und der Betriebsgewinn vor Zinsen und Steuern im Schweizer Geschäft stieg um glatte 45 Prozent auf 56,3 Millionen Franken. Die andern Konzerne wie Marti oder Frutiger hüllen sich punkto Gewinne in Schweigen. Da sie nicht an der Börse sind, haben sie als Famillien-AG keine Publikationspflichten.


«Voll daneben»Das sagen Bau­arbeiter zu den  Provokationen der Baumeister:

Antonio Ruberto (60), Bern: «Dass die Arbeitgeber immer mehr Leistung von uns verlangen, finde ich voll daneben. Wir schenken ihnen schon jeden Tag eine Stunde mit Arbeitsweg, Vorbereitung im Werkhof, Auf­laden, Fahrt zur Baustelle und zurück, Umziehen nach Feierabend usw.»

 

 

Pedro Perro (57), Solothurn: «Die Rente mit 60 müssen wir unbedingt behalten. Auf 62 Jahre heraufsetzen geht gar nicht. Sollen wir noch länger bei Wind und Wetter arbeiten? Ich warte darauf, dass ich aufhören kann, solange ich noch gesund bin.»

 

 

Sandro Clement (24), Igis GR: «Als Maurer macht es mir nichts aus, manchmal auch länger zu arbeiten, wenn es sein muss. Das gibt es halt einfach auf dem Bau. Aber es darf nicht regelmässig sein. Eine 50-Stunden-Woche liegt nicht drin.»

 

 

 

Sandro Gallo (30), Dübendorf ZH: «Wir brauchen endlich mehr Lohn für alle. Und im neuen Landesmantelvertrag muss die Arbeitszeit klar geregelt sein. Ganz wichtig finde ich die Erhaltung der Frühpension mit 60. Diese Errungenschaft geben wir nicht mehr her.»

 

 

Alex Briner (65), Zürich: «Ich habe die Frührente und bekomme bald die AHV. Man muss von der Rente leben können. Mich macht es einfach verrückt, wenn ich sehe, dass die Kollegen seit vier Jahren keine Lohnerhöhung erhalten haben.»

 

 

Pashk Marku (59), Sirnach TG: «Ich bin Kran­führer und werde bald pensioniert. Jetzt müssen wir kämpfen. Es ist wichtig, dass wir zusammen­halten. Was die Baumeister wollen, geht einfach nicht. Das Geschäft läuft ja gut. Wann wollen sie uns mehr Lohn geben, wenn nicht jetzt?»

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