Italiens drittgrösster Baukonzern im schiefen Licht: 

Bohrt am Albula die Mafia mit?

Ralph Hug

Am Albulatunnel im Engadin warten die Büezer auf ihren Lohn. Ihr Arbeitgeber, der Baukonzern Condotte, ist in Schieflage. Der Chef sitzt in Haft, und an Bord ist womöglich die Mafia.

EIN GAUNER? Duccio Astaldi steht wegen Verdachts auf Geschäftemit der Mafia unter Hausarrest. Sein Baukonzern hat auch in der Schweiz Tunnel gegraben. (Foto: Keystone)

Vor zwei Jahren lobte Ingenieur Duccio Astaldi die Schweiz über den grünen Klee: «Wir haben den Schweizer Arbeitsmarkt schätzengelernt.» Das war an der Feier zum Durchstich des Ceneri-Basistunnels im Tessin. Heute steht Astaldi unter Haus­arrest, auf Geheiss des Staatsanwalts von Messina auf Sizilien. Astaldi ist nicht irgendwer, sondern Chef des drittgrössten Baukonzerns Italiens, Condotte SpA aus Rom. Ein Riese, der in der ganzen Welt Grossprojekte baut. Dem Chef und fünf weiteren Beteiligten werden «tangenti» vorgeworfen – Bestechung und Korruption rund um den Bau des Teilstücks Siracusa–Gela der Autostrada A18 auf ­Sizilien. Es geht um Schmiergelder in Höhe von 1,6 Millionen Euro.

ALBULA-LÖHNE AUSSTEHEND

Astaldi musste zurücktreten. Der Condotte-Konzern versichert: «Tutto in ordine!» Wirklich? Wenn Arno Russi den Namen Condotte hört, verwirft er die Hände: «Uuh!» Und dann erzählt der Unia-Mann in Chur, dass Condotte den Arbeitern Geld schulde. Schätzungsweise 500’000 bis 700’000 Franken. Ausstehend sind die Dezemberlöhne und der Dreizehnte inklusive Ferienanteil sowie ­Sozialversicherungsbeiträge. Die Geprellten sind zwei Dutzend Tunnelbauer aus dem Veltlin. Sie bohren von Süden her den neuen Albulatunnel der Rhätischen Bahn. Die Condotte-Gruppe wickelt den 345-Millionen-Auftrag in einem Konsortium mit dem Schweizer Konzern Walo und der österreichischen Porr ab.

Condotte schuldet den Arbeitern rund 700’000 Franken.

Russi hat im Tessin reklamiert, wo der Schweizer Ableger von Condotte seinen Sitz hat. Dort sind aber nur Büros, die Arbeiter kommen aus Italien. Russi konnte noch kein Geld loseisen, wenigstens hat er Schuldbriefe erhalten. Seit Anfang März sind die Tunnelbauer bei Spinas GR nach der dreimonatigen Winterpause wieder an der Arbeit. Jetzt aber als Angestellte des Konsortiums. Russi sagt: «Wir müssen nach Ostern klären, wie wir zum Geld kommen.» Condotte habe auch noch beim Konsortium Schulden. Anfang Januar wurde klar, dass der römische Bauriese in einer akuten Finanzkrise steckt. Er hat bis Mai Gläubigerschutz erhalten und steht unter staatlicher Aufsicht.

IMMER ÄRGER MIT CONDOTTE

Ärger mit Condotte ist programmiert. Das jedenfalls sagen Unia-Leute übereinstimmend. Unter ihnen André Kaufmann, der Mitglied der Paritätischen Kommission Untertagbau war. Er hatte mit den Italienern oft Scherereien, sei’s wegen Machenschaften bei den Anstellungsbedingungen, sei’s wegen Sicherheitsmängeln (siehe rechts). Auch am Albula musste man einschreiten. Die Tunnelbauer sollten in günstigen Unterkünften untergebracht werden, es stehen ihnen aber vertraglich Einzelzimmer zu.

Condotte wandelt auf einem schmalen Grat. Der Konzern ist auch beim Brenner-Basistunnel im Rennen. Dort winkt ein fetter 8-Milliarden-Auftrag. Da können schlechte Schlagzeilen stören. Vor allem, wenn sie von Leuten wie CVP-Nationalrat Fabio Regazzi kommen.

Der Tessiner Politiker und Wirtschaftslobbyist rückt Condotte in die Nähe der Mafia. Dies mit Verweis auf zahlreiche italienische Medienberichte. So wurden fünf Manager von Condotte verhaftet, weil sie mit der kalabresischen Mafia ’Ndrangheta geschäftet haben sollen. Es gab auch schon Gerichtsverfahren. Aber nicht in der Schweiz. Hier hat Condotte beziehungsweise die Tessiner Tochterfirma LGV Impresa Costruzioni SA seit 2010 Aufträge im Wert von über 150 Millionen Franken verbaut, vorwiegend im Tessin. Dies geht aus der bundesrätlichen Antwort auf einen Vor­stoss von Regazzi hervor. Darüber ärgert sich die hiesige Konkurrenz. Sie klagt über Dumpingofferten, die stets zehn Prozent billiger seien.

Hat der Condotte-Manager mit der Mafia ’Ndrangheta geschäftet?

NAIVE ALPTRANSIT?

Regazzi wirft der Alptransit Gotthard AG, Bauherrin von Gotthard- und Ceneri-Basistunnel, Blauäugigkeit vor. Sie habe Aufträge an Firmen mit mafiösen Verbindungen vergeben. Doch davon will Alptransit-Geschäftsleiter Dieter Schwank nichts wissen. Zu work sagt er: «Wir taten unser Möglichstes.» Er hat die Unbedenklichkeitserklärungen vor sich liegen, die man bei der italienischen Handelskammer vor und nach der Vergabe des Ceneri-Auftrags eingefordert hat. Und zwar jährlich. «Nullaosta» (keine Vorbehalte) steht da drauf. Solche Zertifikate bescheinigen, dass Firmen nicht gegen die Anti-Mafia-Gesetze verstossen haben.

Der Bundesrat will nun aber die Schraube bei den öffentlichen Aufträgen anziehen. Eine Gesetzesrevision sieht vor, dass künftig Firmen ausgeschlossen werden sollen, wenn sie Korruption nicht bekämpfen oder gar wegen Verfehlungen verurteilt wurden. Richtig so. Denn spätestens nach der Aus­hebung einer neun­köpfigen Zelle der ’Ndrangheta in Frauenfeld im letzten Sommer wird niemand behaupten wollen, die Schweiz sei mafiafrei.


Baukonzern Condotte Mauscheleien, Schlampereien und ein Toter

Condotte? Tönt nicht gut in Gewerkschaftsohren. Der italienische Bau­konzern hinterlässt eine Skandalspur in der Schweiz. So 2014 am Grossen St. Bernhard, wo Condotte einen Sicherheitstunnel baute. Der Konzern wollte die Büezer aus Italien nicht selbst, sondern via eine Temporärfirma in Martigny VS anstellen, um so Wegentschädigungen und ­Unterkunftskosten zu sparen. Die Unia und die Paritätische Kommission durchkreuzten diese Machenschaften. Später sorgte Condotte für Turbulenzen, weil man die Arbeiter vor Fertigstellung abgezogen hatte.

GEFÄHRLICHE ARBEIT: Bauarbeiter im Ceneritunnel. (Foto: Keystone)

DUBIOS. Beim Bau des Ceneri-Basistunnels fiel Condotte durch ein heilloses Durcheinander auf. «Nichts stimmte am Anfang», sagt Unia-Experte André Kaufmann, «weder die Lohnzahlungen noch die Sicherheit.» Die Unia schlug 2012 Alarm. Dann entliess der Konzern auf ­einen Schlag dreissig Arbeiter, darunter viele Unqualifizierte aus Süditalien, und ersetzte sie durch erfahrene Mineure. Die Geschassten berichteten von grossem Druck, Sicherheitsmängeln und Maul­körben. Auch gingen Gerüchte über ­dubiose Arbeitsvermittler aus dem Dunstkreis der kalabresischen Mafia um. ­Condotte wiegelte ab und versicherte, ­alles sei regelkonform. Ein Toter beweist das Gegenteil. Auf der Ceneri-Baustelle in Sigirino TI starb 2010 Pietro Mirabelli, ein 54jähriger Gewerkschafter aus Kalabrien. Ein herunterfallender Fels­brocken ­erschlug ihn. Mirabelli hatte sich – grausame Ironie des Schicksals – stets für mehr Sicherheit starkgemacht. Ein ­Strafgericht in Lugano verurteilte im Herbst 2017 zwei für die Sicherheit ­verantwortliche Ingenieure zu Geld­strafen. Diese hatten sich mit dem ­Argument verteidigt, sie hätten nur als ­Berater funktioniert. (rh)

1 Kommentar

  1. Hene Geissbühler

    Würde noch viel mehr Ausländische Firmen solche Aufträge zuschieben, das fängt schon beim Lohndumping an, ( haben wir Schweizer keine Chance ) und bei der Vergabe läuft das ganze eh nur über Bestechung inkl Schweizer involviert, das wir hier nur Saubermänner haben, ja Glauben macht Seelig!!

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